Alles fing mit dem Ärger in Babel an: großer Aufruhr, Ansage von ganz oben … dann hatten wir den Salat. Oder so ähnlich. Sprache ist lebendig, immer in Bewegung und ein wunderbares Mittel sich auszudrücken. Durch Worte Stimmungen, Gefühle, Atmosphäre, Witz, Originalität zum Ausdruck zu bringen ist ein Privileg der Menschen. Sprache unterscheidet sich. Es gibt die „Amtssprache“, eine Fremdsprache, die man leider noch nicht bei der VHS belegen kann. Es gibt wissenschaftliche Fachsprachen, Alltagssprachen, gesellschaftsgebundene Sprache, gehobene Sprache, Bettgeflüster, Babysprache, Akzente, Slang, Mundart, Dialekte und die ganz persönliche, individuelle Sprache.
Das ist toll, aber spätestens beim Niederschreiben fangen die Probleme an. Wortentlehnungen aus anderen Sprachen schreiben sich anders, als sie ausgesprochen werden, manche Wörter schreiben sich mal so, mal so – und dann noch Satzzeichen. So ein Punkt ist was Feines. Er kommt immer am Ende und dann ist gut. Da kann man nicht so viel verkehrt machen, aber Kommata, urggss.
Aber noch einmal von vorne. Und etwas ernster bitte schön. Das ist ein trockenes Thema, da wollen wir den Spaß doch gleich im Keime ersticken. Nein, eigentlich ist es sehr spannend. Denn Sprache ist ganz eng mit (ihrer) Geschichte und Kultur verwoben. Um das, was wir heute lesen und schreiben, zu verstehen, müssen wir eine kleine Zeitreise starten. Nein, ganz soweit nicht, wir lassen die Bibel und auch Platon hinter uns, aber Caesar, da etwa halten wir an …
Latein als (indogermanische) italische Sprache löste während der frühen Ära Roms das Griechische als Hauptsprache (Lingua franca) ab, differenzierte sich aber zunehmend in Hochlatein und Vulgärlatein (die Sprache des einfachen Volkes). Aus letzterem entstanden verschiedene Dialekte, die dann im frühen Mittelalter die romanischen Sprachen (Spanisch, Portugiesisch, Französisch, Italienisch …) hervorbrachten.
Auch die germanischen Sprachen (Englisch, Deutsch, Niederländisch, Dänisch, Norwegisch, Schwedisch…) waren zu Beginn eine wilde Mischung aus unterschiedlich beeinflußten Dialekten. Und es hat lange gedauert, bis sich das einheitliche Neuhochdeutsche herauskristallisiert, entwickelt und etabliert hat. Noch heute gibt es das Friesische, die verschiedenen plattdeutschen Dialekte; keltische Ursprünge haben im Gälischen, Bretonischen und Walisischen überdauert.
Latein war, wenn auch schon bald als “tote” Sprache (auch das hat Vorteile), die Sprache der westlichen Welt. Bis ins 19. Jh. war sie Standard bei wissenschaftlichen Publikationen. Noch heute sind Klassifizierungen, medizinische Begriffe, juristische Termini … lateinisch und auch, wenn Latein tot ist (sich als Sprache nicht weiterentwickelt) lebt sie ganz mopsfidel unter uns weiter.
Irgendwann hat also dann mal jemand beschlossen, daß er doch was aufschreiben wollte. Und er wollte dies nicht, wie üblich in Latein, sondern in “Deutsch” tun. Und dazu hat er einfach das lateinische Alphabet benutzt. Das war schon da und funktionierte. Warum also das Rad neu erfinden? Bemerkenswert ist allerdings, daß bei der Übernahme des lateinischen Alphabets Buchstaben (Grapheme) zu viel waren und andererseits gesprochene Laute (Phoneme) keine schriftliche Entsprechung hatten. Die Lateiner kannten zum Beispiel kein „J“und haben das mit einem „I“ geregelt: Iulius Caesar.
Ein anderes, wunderbares Beispiel ist das „F“ und das „V“ . Im Althochdeutschen; übrigens keine einheitliche Sprache, sondern eine Zusammenfassung mehrerer Dialekte im germanischen Sprachraum, die zwangsläufig auch keine einheitliche Rechtschreibung hatten, und das zeitlich bis zum 11. Jh. anzusiedeln ist; wurde das /f/ auch so genutzt: fisk (Fisch), fihu (Vieh), fior (vier), während im Mittelhochdeutschen (bis Mitte 14. Jh) aus dem Phonem /f/ ein geschriebenes /v/ wurde: vrouwe (Frau), vinsternis (Finsternis), vinden (finden).
Dies war die Zeit von Walter von der Vogelweide, dem Minnegesang und den Nibelungen. Die übrigens vor Witz und Comedy so strotzen. Die sind da alle auf so einem klapprigen Kahn auf dem Rhein unterwegs, zwischendurch fällt einer – uppsi – achtern hinten rübba, Mord, Eifersucht, Intrigen, Leidenschaft, alles da!
Mit den Überresten aus diesem lingualen Cross-over quälen wir uns aber heute noch: Finsternis, Vogel, Fernsehen, Verfolgung, Frau, Verlangen, Frohndienst. War Schreiben und Lesen zu Beginn ein exklusives Recht des Klerus und ein paar willigen Adligen, so breitete sich auch dieses im Laufe der Geschichte aus und es wurden nicht nur religiöse Schriften, philosophische Überlieferungen aus der Antike, sondern auch moderne wissenschaftliche Abhandlungen geschrieben. An dieser Stelle denke ich an Umberto Eco, “Der Name der Rose”: das Privileg, zu wissen und die damit verbundene Macht!
Im weltlichen Leben verdrängte die „neue“ Sprache das Latein, um wertvolle Informationen zugänglich zu machen, aber auch, weil das Latein schlicht verlernt wurde. Mit der Schlusigkeit begann das ja schon ganz früh bei den Römern und Karl der Große hatte das später auch ganz pikiert moniert und anständige Schulen gefordert, das erste Comeback des Lateinischen bereits im 8. Jh.!
Das Neuhochdeutsche als verlässliche, konstante Sprache war Mitte des 17.Jh. recht etabliert, die Schreibweise jedoch orientierte sich am jeweiligen Dialekt und blieb weitestgehend dem Verfasser überlassen. Viel Raum für kreative Freiheit! Und das erforderte neben der Übersetzungskunst (in Europa entwickelte sich im 17./18. Jh. ein Hype für fremdsprachige Literatur, führend natürlich Hin- und Her-Übersetzungen englischer, deutscher und französischer Literatur) auch eigentlich einen einheitlichen Schriftgebrauch zum besseren und verlässlichen Verständnis. Ganz zaghaft entstand die Literatur im Sinne einer weltlichen Unterhaltungs- und Bildungsliteratur. Neben der Buchdruckkunst (deren Erfinder Johannes Gutenberg bereits im 15. Jh. den Grundstein legte) wurde der moderne Buchhandel geboren.
Es hat dann aber doch noch bis ins späte 19. Jh. gedauert: Die große Stunde von Konrad Duden. Als Gymnasiallehrer führte er eine einheitliche Schrift ein, die sich an der Phonetik orientierte: „Schreibe, wie Du sprichst“¹. Politisch erst unbeliebt, in Fachkreisen wohlwollend aufgenommen, wurde das ganze allerdings erst 1902 amtlich. Duden hat natürlich auch auf der Grammatik rumgedacht und am besten gefällt mir folgendes Zitat, welches eigentlich bei allen Lesern auf erleichterndes Aufseufzen stoßen sollte: …
“Aus diesem Gründen lassen sich nicht für alle Fälle unbedingt gültige Regeln aufstellen, es muß vielmehr dem Schriftsteller eine gewisse Freiheit bewahrt bleiben.”²
Konrad Duden
Unsere Sprachwurzeln sind also sehr alt, unsere Sprache dagegen, so, wie wir sie kennen, ist blutjung. Wir haben uns bisher sehr intensiv mit Wahrnehmung, mit unseren Lesern, mit uns als Bloggern beschäftigt. Insofern ist es nur logisch und konsequent, daß wir zwangsläufig und besser gleich zu Beginn auf das Thema „Rechtschreibung und Grammatik“ zu sprechen kommen. Wir alle möchten neben aller individuellen, charakterlichen und persönlichen Ausgestaltung unseres Blogs doch eine gewisse Professionalität demonstrieren. Und dazu gehört eben auch der sichere Sprachgebrauch. Nun haben Rechtschreibreformen die einen entlastet, die anderen zur Verzweiflung gebracht und die ganze Angelegenheit nicht wirklich einfacher gemacht.
Was kann ich also tun, damit das Lesen nicht nur inhaltlich zum Genuss wird, sondern auch technisch gesehen ohne Fehl und Tadel bleibt?
Selber lesen! Das ist der erste Tipp. Selber lesen erweitert nicht nur den eigenen Wortschatz, es schult auch die Wahrnehmung für Stilistik, für Satzbau, Satzkonstruktionen, Atmosphären.. Selber lesen übt aber auch passiv die korrekte Schreibweise, da sich das geschrieben Wort im visuellen Gedächtnis einprägt. Deswegen wird/sollte das Lesen bereits an den Grundschulen intensiv gefördert.
Werden wir aber nun konkret: Ich habe einen Artikel geschrieben und bin mir nicht sicher, ob das alles so richtig ist. Im Gedankenschwung die falsche Taste erwischt, falsch abgespeicherte Schreibweise, Unsicherheit über Groß- und Kleinschreibung, ob, wo und wann ein Komma …
Ich muß also Korrektur lesen. Beruflich macht man das gerne zu zweit: Einer liest langsam und überbetont jedes Wort und jedes Satzzeichen. Der Partner liest den Text mit den Augen und hört parallel den gesprochenen Text. Das soll selektives Lesen reduzieren. Svketleeis Leesn beutdeet, das wir das leesn, was wir eineigtlch mienetn und serheicbn wloetln. Und je öfetr wir das eienge Gresichbenee lseen, dtseo mher sihet usenr Gerihn das, was da etneciligh seethn sotlle, es aebr rael gar nihct tut.
Deswegen hilft zeitlicher Abstand, das Liegenlassen bis zum nächsten Tag, den Text ganz neu, ganz distanziert zu lesen und die Wahrscheinlichkeit, daß uns dann Fehler auffallen, die wir vorher einfach überlesen haben, ist deutlich größer. Im analogen Leben habe ich den Wahrig zum Nachschlagen sowie einen Grammatikduden. Manches grammatische Detail entgleitet einem mit dem Alter und das ein oder andere hat sich auch mit den Reformen geändert.
Ganz besonders warm ans Herz legen möchte ich Euch folgenden Band: “Duden, Komma, Punkt und alle anderen Satzzeichen”. Kurz und knackig und mit Tonnen von praktischen Beispielen werden hier alle Satzzeichen und ganz speziell die Kommata erläutert. Wenngleich ich fast in Ohnmacht gefallen bin, hier von „Kommas“ zu lesen. „Kommata“ ist der korrekte Begriff, der aus dem Altgriechischen kommt und im Plural deswegen auf „a“ gebildet wird. Wenngleich mein Duden auch “Kommas” als legitimen Plural angibt. Und zwar weit vor der Rechtschreibreform. Ich kann mich mit “Kommas” aber so gar nicht anfreunden.
Ansonsten ist das Buch aber absolut empfehlenswert und günstig in der Anschaffung. Der Duden führt eine umfangreiche Sammlung an Einzelbänden (Synonyme, Zitate,, Fremdwörter …) und ebenfalls PC-Programme zur Schreibkorrektur und natürlich den Duden: Die deutsche Rechtschreibung. Hier habe ich mich jedoch, wie oben erwähnt, für „Das deutsche Wörterbuch“ von Wahrig entschieden.
Wie aber nun Korrekturlesen, wenn ich keine zweiten “Mann” habe? Ihr könnt also zum Beispiel Euren Artikel zuerst auf dem PC in Word schreiben. Dort laßt Ihr die Rechtschreibprüfung durchlaufen und habt schon mal den gröbsten Teil fehlerfrei. Bei Word 2007 in der Menüleiste unter “Überprüfen” gibt es ebenfalls einen Thesaurus (Synonyme). Arbeitet Ihr mit WordPress, dann habt ihr im Backend ebenfalls eine Rechtschreibprüfung (fast immer sind es kleine Kästen mit “ABC” drauf). Die würde ich in jedem Fall auch noch mal drüber laufen lassen. Und dann – mit zeitlichem Abstand – selber laut und langsam vorlesen. Was aber mit den leidigen Kommata? Mein Running-Gag ist ein „Komma, daß …“.
Wenn ich ein „daß“ habe, welches ich NICHT durch „dieses/jenes/welches“ ersetzen kann, dann muß ich dieses „daß“ mit Doppel-S schreiben. Dann ist das dass nämlich eine Konjunktion, die einen Nebensatz einleitet. Und dieses Konjunktions-das ist abzugrenzen vom das als Artikel (das Haus, der Berg, die Insel …) und dem das als Relativpronomen (das Buch, das ich las …). Und früher – im ausgehenden Mittelalter 🙂 – schrieb man das ganz ordentlich mit „ß“ und das war optisch eindeutig und allen klar. Das dass mit doppeltem „S“ irritiert mehr, als dass es hilft, finde ich. Und vor so ein „daß/dass“ kommt in 99% der Fälle ein Komma! Ich denke, daß das Prinzip jetzt verstanden wurde.
Grundsätzlich trennt ein Komma zwei Hauptsätze, einen Nebensatz von einem Hauptsatz sowie Appositionen und anderen Gedönskrams. Lange Bandwurmsätze, die übrigens auch nicht immer einfach zu lesen sind, werden dadurch, daß man sie durch Kommata gliedert, überschaubarer. Kommata zeigen dem Leser, wo er eine gedankliche Pause machen sollte, oder welche Satzteile inhaltlich wie zueinander in Beziehung stehen. Da ich eine Neigung zu komplizierten Satzkonstruktionen habe, stehe ich regelmäßig vor der Frage, was ich da eigentlich geschrieben habe. Und ganz generell neige ich wegen der labyrinthischen Verschachtelungen meiner Sätze dazu, zu viele Kommata zu setzen. So, da habe ich mich geoutet. Und das trotz diverser Semester Sprachwissenschaft und Dr. Spitz!
Und natürlich denke ich manchmal schneller, als ich tippen kann, und dann geht der Finger daneben. Korrekturlesen ist am Ende eine Fleißarbeit, die mit jedem Mal übt und dadurch leichter wird. Allerdings auch höchste Konzentration erfordert. Aber wie sagte Konrad Duden so schön … die schriftstellerische Freiheit … Natürlich bietet auch das Internet Lösungen: Hat man kein Wörterbuch zur Hand, sitzt man eh schon am PC, dann würde ich weniger Google zu Rate ziehen, als lieber den Duden online: http://www.duden.de/woerterbuch. Oder meiner Kollegin Dagmar Jenner einen virtuellen Besuch abstatten, die sich ganz prima auch mit kniffligen Fällen auskennt!
Ich weiß, Grammatik und Rechtschreibung hört sich erst mal dröge an, aber mit ein bißchen Geduld und Spucke stellt sich dann, so hoffe ich, doch ein wenig Begeisterung für die Sache ein. Sprache ist und bleibt lebendig und Sprachgeschichte ebenso kurios wie faszinierend … und wie Douglas Adams auf den Babelfisch³ gekommen ist und damit eine neue und vielfach adaptierte Wortschöpfung kreiert hat, das können wir uns nun auch denken.
Und nun will ich Euch nicht länger das Beste vorenthalten. Die Übung zum dritten Kapitel. Und weil schließlich Weihnachten vor der Tür steht, gibt es auch prompt eine weihnachtliche Übung: Hier kommt die Übung zum dritten Kapitel. Schreibe eine kleine Weihnachtsgeschichte: „Als die Wichtel die Weihnachtswörter verloren haben“ (natürlich inklusive Korrekturlesen).
¹ www.duden.de/ueber_duden/konrad-duden
² Duden, Komma, Punkt und alle anderen Satzzeichen. Seite 11.
³Adams, Douglas: Per Anhalter durch die Galaxis. Heyne 2009
Bibliographie:
- Bergmann, Rolf: Alt- und Mittelhochdeutsch. Arbeitsbuch zur Grammatik der älteren deutschen Sprachstufen und zur deutschen Sprachgeschichte. 4 erw. Aufl. Göttingen. Vandenhoeck und Ruprecht 1993.
- Das Nibelungenlied: nach der Ausg. von Karl Bartsch. Hrsg. Von Helmut de Boor. 22. Aufl. Mannheim. Brockhaus 1988.
- Duden, Komma, Punkt und alle anderen Satzzeichen. Mannheim 2011.
- Wahrig. Deutsches Wörterbuch. 8. Vollständig neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. Wissen Media Verlag GmbH 2006
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