Inspirationen Schreiben

Das Schreibzimmer

In diesem Beitrag geht es mal nicht um die Frage „Wie schreib ich’s?“, sondern wo. „Das Schreibzimmer“ ist Thema der Blogparade von Ricarda von schreibsuechtig.de, die vom 16. Juni bis 31. Juli 2017 läuft.

Wie alles begann

Als Studentin spielte sich mein Leben und Schreiben auf 24 Quadratmetern ab. Das war meine Winzwohnung, die zugleich Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Arbeitszimmer war. Ein Kokon, aus dem ich nicht raus musste. Das gefällt mir. Eine Schreibblase.

Meine ersten offiziellen Texte habe ich in einem kleinen Büro geschrieben, die Tür stand auf und im Hintergrund wuselten Kollegen herum, kamen rein, kramten in Regalen und Ordnern, klingelte das Telefon. Das hat mich nicht weiter gestört. Ich habe auf den Bildschirm gestarrt, war ganz bei mir und meinem Text. Ein Schreibzimmer ist trotzdem etwas anderes.

Später habe ich in einer Agentur gearbeitet, die die Philosophie vertrat, wahre Kreativität käme nur durch Ausblenden aller, also wirklich aller Ablenkungen. Ein weißes Zimmer mit klinischen Möbeln, reduziert auf Tisch und Stuhl. So generell ist der Ansatz gut, denn zu viel Ablenkung lenkt wirklich ab. Das war dann ein Schreibzimmer oder Kreativzimmer. Aber zwischen den Extremen gibt es auch noch Leben.

Im Homeoffice

Das erste eigene Schreibzimmer war ein gemütliches Büro, gemütlich im Sinne von: angenehme Atmosphäre, aufgeräumt, übersichtlich. Ich konnte dort gut arbeiten. Generell kann ich meine Umgebung gut ausblenden. Deswegen schrieb ich Eve auch am Eßtisch mit der Familie, von wegen der Gesellschaft. So ganz im Schreibzimmer isoliert ist auf Dauer auch nicht gut.

Dann haben wir Zimmer getauscht und ich hatte kein Schreibzimmer mehr. Das hat mich jetzt auch nicht wirklich gestört. Ich habe in meiner Lieblingsecke auf dem Sofa geschrieben. Vor zwei Jahren haben wir wieder Zimmer umfunktioniert und ich konnte ein kleines Zimmer mit Dachschräge und Blick auf die Flensburger Förde zum Schreibzimmer umrenovieren. Ein kleiner Rückzugsort von dem ich erwarte, dass er tadellos aufgeräumt ist. Krempel und Kram kann ich weniger gut ausblenden.

Was ich nicht erwartet habe, dass es mir so gut gefällt. Dieser Raum lässt mir eine Wahl und bietet Ruhe. Ich kann die Tür im wahrsten Sinne des Wortes hinter mir zumachen. Der entscheidende Punkt ist, ich habe die Wahl. Der große Eßtisch, die gemütliche Sofaecke oder totaler Rückzug. Und das empfinde ich als Luxus.

Schreiben in Cafés

Natürlich habe ich Natalie Goldberg gelesen und wieder einmal muss ich meiner Seelenschwester Caroline für diese Inspiration danken, denn sie hat mir das Buch geschenkt. Ich habe es versucht, aber der Gedanke, von anderen, fremden Menschen beim Schreiben beobachtet zu werden, macht mich nervös. Der Lärm, die Bewegung, das alles macht mich rappelig und ich kann mich nicht konzentrieren. Ich bin lieber allein. Der Kokon …

Das Schreiben findet im Kopf statt.

Und während ich über diesen Beitrag nachdenke, sitze ich im Garten und schaue auf weiße Hortensien. Es ist abend, die Sonne ist untergegangen, es ist warm und eine leichte Brise weht von der Förde herüber. Ich mag meinen Garten. Außer ein paar Vögeln ist nichts zu hören. Es ist leise. Na gut, die Amseln sind ein renitent lautes Völkchen. Zumindest die, die bei uns leben. Mein Blick stromert von den Hortensien zu den Hainbuchen, ich nehme den Duft der Kletterhortensien wahr, die Rosen, die gezackten Blätter der Fetthenne, das leise Plätschern des Quellsteins. Der Garten ist wie ein eigenes, grünes Zimmer und ich denke, dass man nicht nur und unbedingt Schreibzimmer braucht oder über sie nachdenken kann, sondern über Denkräume.

Mein Garten ist ein Denkraum.

Er ist ruhig und still, unbewegt. Es ist kein lauter Garten, im Gegenteil. Ich empfinde ihn als ablenkungsfrei. Er ist meditativ und bietet mir die Möglichkeit, meine Gedanken zu sortieren, in den Hirnwindungen zu spazieren und neue Ideen zu entwickeln. Ich sitze auf dem Gartensofa unter einem Sonnenschirm und empfinde Glück und meinen Garten als poetisch, als schöpferischen Quell. Das Ich verschmilzt mit dem Grün, der Garten und ich sind eins. Der Denkraum ist überall, in mir, um mich herum, ich bin weit und still und voller Möglichkeiten.

Mit dem Schreibzimmer ist das nicht ganz so. Mein Blick geht in die Ferne, die Förde, die in diesen Minuten in einem gewittrigen Grau verschwindet. Auch die Küste Dänemarks mit dem Wald und der Straße, die sich am Ufer nach Krusau entlang schlängelt, liegt verborgen hinter Nebel und Regen. Die Tropfen fallen pochend auf das Dachfenster. Ich brauche Weite, die Möglichkeit, den Blick wandern zu lassen, damit ich gleichzeitig den Raum in meinen Gedanken betreten kann.

Bei Schreibzimmer und Denkräumen war ich gedanklich schon einmal. Eigentlich hieß die Aufgabe ‚Warum ich lese‘, aber irgendwie wollte es bei mir mehr ein ‚Warum ich schreibe‘ sein. Die Gedanken sind also nicht neu, aber durch die Frage nach dem Schreibzimmer, nach dem Wirken der Frage ‚Warum ich lese‘ verdichtet sich das Wissen darum, was mir wichtig ist, wie ich dazu stehe, wo ich mit dem Schreiben und den Gedanken hin will. Ich muss mir meine Position erarbeiten, den Gedanken schärfen, die Wahrnehmung durch unterschiedliche Perspektiven prüfen.

Denkraum versus Schreibraum

Ohne den Denkraum kann ich nicht schreiben. Der Schreibraum als realer Ort, das Schreibzimmer, ist für mich nicht ganz so entscheidend. Denkräume führen zu inneren Schreibräumen und ohne die gäbe es nicht einen einzigen Gedanken, der auf dem Papier landen könnte.