Textperimente

Buchspaß mit Statistik

In einem anderen Leben habe ich einen großen Bibliotheksraum mit Kamin und Ohrensesseln, einem schweren Holztisch, einer Galerie mit eiserner Wendeltreppe, Buchleiter, raumhohe Fenster mit Blick auf eine Parklandschaft, Lesepult und einer Chaiselongue.
In der Realität bietet das heimische Anwesen einen überschaubaren Platz für Bücher, die sich deswegen auf fast jeden Raum ausdehnen. Das zwingt mich periodisch dazu, Bücher auszusortieren oder neue Nischen zu finden, in denen sie wohlbehalten vom Lesen und Gelesen werden zeugen. Alle meine Buchfreunde sind nach Sachgebiet und Autor sortiert unterteilt. Manchmal ist das auch eine subjektive Interpretation. Ob das mit Ordnungsliebe oder zwanghaften Tendenzen zu tun hat, vermag ich nicht zu sagen. Die Taschentuchschublade ist ebenfalls akribisch sortiert und ausgerichtet, das spricht für Letzteres.

Ich kann auch einfach nur so dasitzen und meine Buchfreunde betrachten. Ein Buch aus dem Regal nehmen, aufschlagen und den Eintrag lesen. Noch so eine Macke. Datum, Ort und Gelegenheit werden auf die Titelseite notiert. Diese Einträge sind wie Baumringe, also „Buchringe“, eine Erinnerung an Ausflüge, Begebenheiten, Lebensphasen und liebe Geschenke.

Beim Betrachten der Buchrücken fielen mir die unterschiedlichen Verlage auf, die diesen Geschichten zu einer physischen Präsenz verholfen haben. Bei einigen Verlagen weiß ich, daß ich dort lesetechnisch gut aufgehoben bin, bei anderen würde ich nur durch Zufall lesend bleiben. Dabei habe ich mich gefragt, wieviele Verlage wohl durch Bücher in meiner kleinen Bibliothek vertreten sind und ich habe angefangen zu zählen. Es ist eine Fleißarbeit geworden. Und dabei habe ich gar nicht so viele Bücher. Also deutlich unter 1000. Also, bei mir beheimatet. Gelesen ist was anderes.
Vom Ergebnis war ich war selbst überrascht. 132 Verlage. Die Zugehörigkeit zu Verlagsgruppen wie z.B. Randomhouse habe ich nicht berücksichtigt. Was meine Lesegewohnheiten angeht – ob Verlage daraus einen Nutzen ziehen könnten, so durch die Marketingbrille analysiert, wage ich zu bezweifeln. Für mich selber habe ich aber festgestellt, wie abweichend meine Wahrnehmung von einem Verlag vom tatsächlichen Verlagsangebot in einigen Fällen ist, was ich nicht erwartet hätte. Piper abgeschlagen hinten, obwohl ich viel vom Verlag halte. Ein Goldmann Buch (Platz 1) steht in der Psychologie und sieht trivial aus, was ich schade finde. Ich lese verlagsorientiert und selektierend. Ein Verlag, der durch mein Raster fällt, hat es also schwer, selbst, wenn er das Buch meines Lebens verlegt hätte.

Andrerseits bin ich auch lesekühn

Paul Hoffmann, „Der Mann, der die Zahlen liebte“ ist so ein Beispiel. Ullstein Verlag, Berlin. Auf Platz 3 meiner Rangliste, was ich nicht wußte, als ich das Buch 1999 kaufte. Also auch kein Kaufkriterium. Die Biographie über den Mathematiker Paul Erdös, der Kinder „Epsilons“ nannte, den lieben Gott „SF“ (Spitzenfaschist) und Mathematikkollegen ihre Beziehung zu ihm in Erdös’schen Zahlen messen. 1 = Jemand, der mit Erdös publiziert hat, 2 = Jemand, der mit jemandem publiziert hat, der mit Erdös publiziert hat. Einstein hat eine 3. Er liebte Prim- und Vollkommene Zahlen und ich glaube, er war jemand, den man lieben mußte, weil er einen um den Verstand brachte. Ich weiß, was Primzahlen sind (nur durch sich selbst und 1 teilbar: 1,3,5,7,11…) und auch Vollkommene Zahlen (Zahlen, die geich der Summe ihrer Teiler außer sie selbst sind: 6= 1+2+3 oder 28= 1+2+4+7+14). Und das war’s auch schon mit mir und der Mathematik.
Ein durchaus mathematischer Spaß war es, meine neu gesammelten Erkenntnisse in Kreisdiagramme umzuwandeln. Ich mußte dabei wenig rechnen, der Diagrammgenerator schon. Und es hat alte Buchfreunde wieder ins Bewusstsein geschoben, wie den lieben Paul Erdös. Und Du? Hast Du Lust, mich bei diesem Spaß zu begleiten? Vielleicht findest Du Dich irgendwo wieder oder schaust selber nach, wie sich Deine Büchersammlung so verlagstechnisch betrachten lässt! Vielleicht hast Du auch einen Lieblingsverlag oder einen ungewöhnliche Buchliebe? Ich freue mich auf Deine/Eure Kommentare!

Die Buchstatistik „little library“
Zuerst habe ich die Bücher nach Sachgebieten sortiert gezählt, wie sie auch im Regal (und überall sonst) stehen.

Hier ist eine Übersicht der Verlagsverteilung bezogen auf alle Bücher. Das ist also mein Leseprofil, was, wie ich finde, durch diverse Hanni&Nanni Bände etwas verfälscht wird:)

Die Verlagsverteilung bezogen auf die Sachgebiete
Die allgemeine Literatur
von Douglas Adams bis Marion Zimmer Bradley. Ja, ich habe „Die Nebel von Avalon gelesen“ und ja, ich glaube, daß es diese Insel wirklich gibt.

Kunst.
Bildbände, Ein Roman über Michelangelo, Lexikon der Baukunst, Italienische Renaissance und ganz viel Rodin und Camille Claudel.

Naturwissenschaften, populärwissenschaftlich
Wie oben beschrieben, das mathemathisch-logische Talent ist rudimentär vorhanden, also mit gutem Willen im Ansatz erkennbar. Was mich nicht davon abhält, Bücher über Astrophysik, Paläoanthropologie und Mathematik zu lesen. Oder Francis Crick. Und – Recht vor Ordnung – eine Biographie über Rosalind Franklin.

Schreiben
Lesen, was andere über das Schreiben schreiben. Inspirierend, lehrreich, famos. Und ein Interessenkonflikt. Die „Kreativitätspsychologie“ von Holm-Hadulla steht hier und nicht in der Psychologie.

Psychologie/Gesundheit/Esoterik
Erziehungspsychologie von Alice Miller, Hochsensibilität von E.Aron, Bachblüten, Space Clearing von Karen Kingston, Psychokinesiologie … angewandte Magie – gibt es eigentlich etwas, für das ich mich nicht interessiere?

Garten
Wunderbare Geschichten von Frauen und ihren Gärten, so historisch betrachtet, Bildbände und natürlich ein ganzes Buch nur über Bux. Die Spezialhefte nach Themen von „Mein schöner Garten“ tauchen hier nicht auf, sind ja keine Bücher. Gartenarchitektur, Gärten … ich habe viel zu wenig Gartenbücher. Und dann träume ich auch von einer Gartenkreuzfahrt. Irgendwann. Und der Chelsea Flower Show. Den passenden Hut habe ich schon!

Philosophie
Ich hatte Philosophie als mündliches Abiturfach – 1873 oder so. Platos Höhlengleichnis passt immer. An der Uni das Seminar über determinierten Determinismus habe ich bis heute nicht … was eigentlich?

Englischsprachige Literatur
Ich habe Francis Crick, What mad pursuit, auch auf Englisch gelesen, der steht trotzdem bei den Naturwissenschaften, dafür stehen hier Robin McKinley, Beauty, Das NSOED (nee, liegt woanders, zu groß, zu schwer, in Canterbury bei W.H. Smith gekauft), Sophie Kinsella, Alexandra Potter (die total nett ist, liegt am Namen!), English Poetry und der wunderbare Bill Bryson, der mir an der südenglischen Küste zu einem Sonnenbrand verholfen hat.

Kinderbücher
Tina und Tini, Dolly und eine Originalausgabe von Pucki, natürlich die Alanna Bücher von Tamora Pierce (Die Schwarze Stadt), positives Rollenvorbild! Die Bücherei stand direkt neben der Schule und ich war jede Pause dort. Jede. Vor ein paar Jahren fiel mir ein Buch ein, welches ich gerne noch mal gelesen hätte. Titel und Autor wußte ich nicht mehr. Ich rief in der Bücherei an und beschrieb, in welchem Raum, in welchem Regal das Buch vor dreißig Jahren gestanden hatte. Stand da auch noch lange, konnte sich die Bibliothekarin erinnern. Unglaublich. Barbara von Bellingen, Tochter des Feuers. (Steht jetzt bei mir bei der normalen Literatur)

Krimi / Fantasy
Stephen King hat mir in der oben beschriebenen Büchereizeit Alpträume beschert. Leonie Swann, Glenkill, ist ein Krimi, las ich ohne Schlafprobleme, steht aber nicht bei Krimi. Tatsächlich stehen dort die ganzen King-Bücher und Hohlbeins des Herzbesten, Neues aus der Tapioka-Bar … (Anonymus, Das Buch ohne Staben u.w.) in vollständiger Reihe, Scott Sidler, Adam Fawer, „Null“ und „Gnosis“, fand ich richtig gut. Das erste gemeinsam gekaufte Buch mit dem Herzbesten war „Das Druidentor“ von Hohlbein, hatten wir verliehen und dann passierte genau das, warum man Bücher nicht verleiht: man bekommt sie nicht wieder. Neulich las ich über Twitter, daß „Das Druidentor“ ein neuer Hohlbein sei, das hat mich sehr irritiert.

Kochen
Wir kochen gerne, zusammen oder für einander, mexikanisch, indisch, westfälisch. Rühren Marinaden an, schnuppern an Kräutern, überraschen uns mit Köstlichkeiten. Isabell Allende hat ein Kochbuch geschrieben, Aphrodite (das steht aber auch nicht in der Kochecke) mit sinnlichen Rezepten und Geschichten. „Verliebtes Hähnchen“ ist so ein Rezept. Geht immer: English Breakfast und wenn der Herzbeste für mich „Chicken Kiew“ macht.

Lyrik / Klassiker
Kristiane Allert-Wybranietz. Eine Lebensphase. In meiner Teenagerzeit ein richtiger Hype. Ich oute mich dann auch, habe schon in der Schule Gedichte geschrieben. Für eins 2012 sogar einen Buchpreis gewonnen, allerdings sehe ich die Anthologien mit gemischten Gefühlen, sieht wichtig aus, is aber nix zum Angeben. Ich wäre auch fast in einer Fantasy-Anthologie mit einer Kurzgeschichte erschienen. Der Verlag machte pleite. Ein Zeichen? Reclamhefte reihen sich auch unter dieser Rubrik. Shakespeare, Macbeth. Zum Brüllen komisch ist ja auch Terry Pratchett, Macbest, gehört hier nicht hin, steht englisch.


Das war sie, die little library Buchstatistik. Und mein Leseleben, was gerade in Etappen und schön nach Sachgebieten sortiert vor meinem inneren Auge abläuft. Ich könnte jedes einzelne Buch nehmen und Geschichten erzählen, die mit ihm verbunden sind. Und das ist das, was Bücher so besonders macht. Die Beziehung, die der Leser, jeder für sich, zu ihnen aufbaut und sie so zu einem Teil seines Lebens werden lässt.