Inspirationen Schreiben

Das Schreibzimmer

In diesem Beitrag geht es mal nicht um die Frage „Wie schreib ich’s?“, sondern wo. „Das Schreibzimmer“ ist Thema der Blogparade von Ricarda von schreibsuechtig.de, die vom 16. Juni bis 31. Juli 2017 läuft.

Wie alles begann

Als Studentin spielte sich mein Leben und Schreiben auf 24 Quadratmetern ab. Das war meine Winzwohnung, die zugleich Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Arbeitszimmer war. Ein Kokon, aus dem ich nicht raus musste. Das gefällt mir. Eine Schreibblase.

Meine ersten offiziellen Texte habe ich in einem kleinen Büro geschrieben, die Tür stand auf und im Hintergrund wuselten Kollegen herum, kamen rein, kramten in Regalen und Ordnern, klingelte das Telefon. Das hat mich nicht weiter gestört. Ich habe auf den Bildschirm gestarrt, war ganz bei mir und meinem Text. Ein Schreibzimmer ist trotzdem etwas anderes.

Später habe ich in einer Agentur gearbeitet, die die Philosophie vertrat, wahre Kreativität käme nur durch Ausblenden aller, also wirklich aller Ablenkungen. Ein weißes Zimmer mit klinischen Möbeln, reduziert auf Tisch und Stuhl. So generell ist der Ansatz gut, denn zu viel Ablenkung lenkt wirklich ab. Das war dann ein Schreibzimmer oder Kreativzimmer. Aber zwischen den Extremen gibt es auch noch Leben.

Im Homeoffice

Das erste eigene Schreibzimmer war ein gemütliches Büro, gemütlich im Sinne von: angenehme Atmosphäre, aufgeräumt, übersichtlich. Ich konnte dort gut arbeiten. Generell kann ich meine Umgebung gut ausblenden. Deswegen schrieb ich Eve auch am Eßtisch mit der Familie, von wegen der Gesellschaft. So ganz im Schreibzimmer isoliert ist auf Dauer auch nicht gut.

Dann haben wir Zimmer getauscht und ich hatte kein Schreibzimmer mehr. Das hat mich jetzt auch nicht wirklich gestört. Ich habe in meiner Lieblingsecke auf dem Sofa geschrieben. Vor zwei Jahren haben wir wieder Zimmer umfunktioniert und ich konnte ein kleines Zimmer mit Dachschräge und Blick auf die Flensburger Förde zum Schreibzimmer umrenovieren. Ein kleiner Rückzugsort von dem ich erwarte, dass er tadellos aufgeräumt ist. Krempel und Kram kann ich weniger gut ausblenden.

Was ich nicht erwartet habe, dass es mir so gut gefällt. Dieser Raum lässt mir eine Wahl und bietet Ruhe. Ich kann die Tür im wahrsten Sinne des Wortes hinter mir zumachen. Der entscheidende Punkt ist, ich habe die Wahl. Der große Eßtisch, die gemütliche Sofaecke oder totaler Rückzug. Und das empfinde ich als Luxus.

Schreiben in Cafés

Natürlich habe ich Natalie Goldberg gelesen und wieder einmal muss ich meiner Seelenschwester Caroline für diese Inspiration danken, denn sie hat mir das Buch geschenkt. Ich habe es versucht, aber der Gedanke, von anderen, fremden Menschen beim Schreiben beobachtet zu werden, macht mich nervös. Der Lärm, die Bewegung, das alles macht mich rappelig und ich kann mich nicht konzentrieren. Ich bin lieber allein. Der Kokon …

Das Schreiben findet im Kopf statt.

Und während ich über diesen Beitrag nachdenke, sitze ich im Garten und schaue auf weiße Hortensien. Es ist abend, die Sonne ist untergegangen, es ist warm und eine leichte Brise weht von der Förde herüber. Ich mag meinen Garten. Außer ein paar Vögeln ist nichts zu hören. Es ist leise. Na gut, die Amseln sind ein renitent lautes Völkchen. Zumindest die, die bei uns leben. Mein Blick stromert von den Hortensien zu den Hainbuchen, ich nehme den Duft der Kletterhortensien wahr, die Rosen, die gezackten Blätter der Fetthenne, das leise Plätschern des Quellsteins. Der Garten ist wie ein eigenes, grünes Zimmer und ich denke, dass man nicht nur und unbedingt Schreibzimmer braucht oder über sie nachdenken kann, sondern über Denkräume.

Mein Garten ist ein Denkraum.

Er ist ruhig und still, unbewegt. Es ist kein lauter Garten, im Gegenteil. Ich empfinde ihn als ablenkungsfrei. Er ist meditativ und bietet mir die Möglichkeit, meine Gedanken zu sortieren, in den Hirnwindungen zu spazieren und neue Ideen zu entwickeln. Ich sitze auf dem Gartensofa unter einem Sonnenschirm und empfinde Glück und meinen Garten als poetisch, als schöpferischen Quell. Das Ich verschmilzt mit dem Grün, der Garten und ich sind eins. Der Denkraum ist überall, in mir, um mich herum, ich bin weit und still und voller Möglichkeiten.

Mit dem Schreibzimmer ist das nicht ganz so. Mein Blick geht in die Ferne, die Förde, die in diesen Minuten in einem gewittrigen Grau verschwindet. Auch die Küste Dänemarks mit dem Wald und der Straße, die sich am Ufer nach Krusau entlang schlängelt, liegt verborgen hinter Nebel und Regen. Die Tropfen fallen pochend auf das Dachfenster. Ich brauche Weite, die Möglichkeit, den Blick wandern zu lassen, damit ich gleichzeitig den Raum in meinen Gedanken betreten kann.

Bei Schreibzimmer und Denkräumen war ich gedanklich schon einmal. Eigentlich hieß die Aufgabe ‚Warum ich lese‘, aber irgendwie wollte es bei mir mehr ein ‚Warum ich schreibe‘ sein. Die Gedanken sind also nicht neu, aber durch die Frage nach dem Schreibzimmer, nach dem Wirken der Frage ‚Warum ich lese‘ verdichtet sich das Wissen darum, was mir wichtig ist, wie ich dazu stehe, wo ich mit dem Schreiben und den Gedanken hin will. Ich muss mir meine Position erarbeiten, den Gedanken schärfen, die Wahrnehmung durch unterschiedliche Perspektiven prüfen.

Denkraum versus Schreibraum

Ohne den Denkraum kann ich nicht schreiben. Der Schreibraum als realer Ort, das Schreibzimmer, ist für mich nicht ganz so entscheidend. Denkräume führen zu inneren Schreibräumen und ohne die gäbe es nicht einen einzigen Gedanken, der auf dem Papier landen könnte.

Krimi

Klein | Stark | Tödlich

An der Mosel begann die Ostersaison bei schönstem Sonnenschein. Dr. Gernot Acker zerrte an seiner Krawatte, trank einen Schluck Wasser. Kein Wunder, dass er sich verkühlt hatte. In Daun regnete es seit Tagen, inklusive Nachtfrost. Er legte einen Arm um die junge Frau, lächelte in das Handy. Klick. Die nächste. Kalter Schweiß lief ihm den Rücken herunter. Gernot Acker setzte sich und begann aus seinem Buch »Kreativ mit Hypnose« zu lesen. Seine Brust schmerzte. Er hustete. Peinlich berührt sah er den blutigen Auswurf, der auf den aufgeschlagenen Seiten klebte. Bevor er den eitrigen Klumpen mit einem Taschentuch entsorgen oder in Erwägung ziehen konnte, die Lesung ganz abzubrechen, wurde ihm schwarz vor Augen.

„Kommst Du mit einen Döner holen? In der Kantine gibt es heute Prummewärmp.“
„Zuckersuppe? Wie sind die denn drauf! Klar komme ich mit.“
Uwe Glanz zog seine Jacke vom Stuhl, als das Telefon klingelte.
Er nahm das Gespräch an und grinste Hauptkommissarin Claudia Werner zu, die bereits an der Tür wartete. Dann grinste er nicht mehr.
»Die von der Seuche – Verdacht auf Lungenpest.«
»So’n Quatsch. Das ist Grippe. Meine Nachbarin ist auch krank, geht gerade im Kindergarten um.“
„Steck mich bloß nicht an, ob Pest oder Grippe, am Wochenende spielt Eintracht Trier.“
»Seh‘ ich aus, als ob ich die Pest … schon gut, ich kümmere mich.«
»Und immer schön Abstand halten!«

Krankenhäuser riechen alle gleich. Kommissarin Werner atmete flach. Sie war mit Dr. Dr. Dörte Messner verabredet, die die eilends eingerichtete Isolierstation betreute.
»Kripo Daun, Werner.« Sie zeigte ihren Dienstausweis.
Die Ärztin trug unter ihrem Kittel ein Batikshirt mit dem Aufdruck ‚Nerd goes viral‘. Neben ihr auf dem Schreibtisch dampfte ein Thermobecher Kaffee mit dem Werbeaufdruck einer lokalen Kaffeerösterei. Kommissarin Werner sog den Geruch frisch gemahlenen Kaffees ein.
»Wie sieht die Lage aus?«
»Ein Toter, elf Infizierte. Mit Yersinia pestis ist nicht zu spaßen. Drei Tage Inkubationszeit und wenn nicht innerhalb von 24 Stunden therapiert wird, war’s das.«
»Der Tote …?«
»Gernot Acker, 53 Jahre, Psychologe. Ist auf einer Lesung kollabiert.«
»Kreativ durch Hypnose.«
»Sie waren dort?«
»Nur kurz … ich hatte Rufbereitschaft … ich wusste nicht …«
Dr. Dr. Messner griff zum Telefon und nach einem Moment betrat ein Mann im Schutzanzug den Raum, der wie ein Astronaut wirkte.
»PCR, Blutbild und Thorax. Und ich brauche mehr Streptomycin.«
»Ich sterbe?«
»Frau Werner, versuchen Sie ruhig zu bleiben. Wir testen Sie jetzt und in 15 Minuten haben wir das Ergebnis. Mit dem Antibiotikum können wir das Virus gut therapieren.«
»Ich bin doch nur zu der Lesung gegangen, weil meine Nachbarin Grippe hat und mir die Karte geschenkt hat.«
»Wir haben hier soweit alles unter Kontrolle. Und Sie bleiben erst einmal auf der Quarantänestation unter Beobachtung.«

Kommissarin Werner fühlte Übelkeit in sich aufsteigen. Lungenpest. Sie sah die Masken aus düsteren Mittelalterfilmen vor sich, Ratten, Dreck und der Gestank nach Kot und Pisse. Ihr Mund war trocken. Sie dachte an den Vortrag. Dieser Gernot Acker hätte bei den Guldenburgs mitspielen können. Wie Sigmar Solbach, in den sie als kleines Mädchen unsterblich verliebt gewesen war. Dr. Acker hatte auch so schlanke Hände. Bestimmt war sie nicht die einzige, der das aufgefallen war. Wo hätte sich ein Mann, der offensichtlich zur Maniküre ging, mit dem schwarzen Tod anstecken sollen? Sie rieb sich die Hände an der Jeans.

In dem kleinen Aufenthaltsraum, der zur Quarantänestation dazu gehörte, gab es Kaffee, der in einer Thermoskanne zusammen mit trockenen Keksen auf einem Servierwagen stand.
»Haben Sie nicht gestern neben mir gesessen?«, fragte Kommissarin Werner eine junge Frau.
»Ich weiß nicht … ich fühle mich wie in einem Alptraum. Wer kriegt denn heute noch die Pest?«
»Wird schon. Die Ärztin sah aus, als wenn sie alles im Griff hätte.«
»Und was, wenn das Antibiotikum nicht wirkt. Das hört man doch immer, dass die resistent sind und so.«
»Waren Sie eigentlich vorher schon mal auf einer Lesung von Dr. Acker?«
»Ja, ich habe auch ein Coaching gebucht. Erst dachte ich, Hypnose, das klappt doch eh nicht, aber dann war ich ganz tief weg. Das war unglaublich. Gernot hatte total recht mit dem Zustand der schöpferischen Fülle.“
„Sie haben sich geduzt?“
»Gernot ist sehr einfühlsam. Für ihn ist ein enger Kontakt zu seinen Patientinnen ganz wichtig, um den Zustand der schöpferischen Fülle zu erreichen.«

Das Robert-Koch-Institut hatte ein Team aus Frankfurt losgeschickt. Der lokale Seuchenschutz war alarmiert, die Kollegen unterstützten vor Ort. Kommissarin Werner trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. Ihr war übel, aber herum zu sitzen machte die Sache nur noch schlimmer. Und außerdem war Karfreitag. Sie war doch mit ihrer Schwester verabredet. Sie rieb sich die Stirn. Wie zur Hölle war Dr. Acker an die Pest gekommen? Und wieso hatte es überhaupt nicht nach Pest ausgesehen? Die hatten doch immer diese Eiterbeulen oder war das Lepra?

Sie stand auf und wanderte durch das kleine Krankenzimmer der Isolierstation. Madagaskar kämpfte mit Pestepidemien, der Kongo. Aber mitten in Deutschland? Da musste doch mehr dahinter stecken. Kommissarin Werner schaffte es, unbemerkt die Station zu verlassen und schlich weiter zum Labor. Auf dem Tisch standen Plastikröhrchen mit Blutproben in einer quadratischen Halterung. Daneben lagen mehrere Listen mit Namen. Das mussten die Teilnehmer der Lesung sein. Sie überflog die Daten, blieb bei ihrem Namen hängen, las weiter, stutzte, überlegte kurz und nahm einen Schutzanzug aus Plastik, Einmalhandschuhe und einen Mundschutz, stopfte die Sachen in ihre Tasche. Auf dem Weg zum Parkplatz tippte sie eine Nachricht in ihr Handy, dann erbrach sie sich in einen Busch.

Kommissarin Werner parkte in einiger Entfernung des Bungalows von Dr. Acker, zog sich den weißen Overall und die Handschuhe an und stülpte sich den Mundschutz über.
»Kripo Gerolstein«, nuschelte sie auf den fragenden Blick eines Beamten hin und hielt den Dienstausweis so, dass er weder ihren Namen, noch ihr Foto richtig erkennen konnte und betrat den Bungalow. Das Haus war modern und teuer eingerichtet. Mit Hypnose ließ sich offensichtlich Geld verdienen. Sie öffnete eine Zimmertür und schaute sich überrascht um. Traumfänger, Zimmerbrunnen, eine Liege mit Kissen, Buddhastatuen. Nach so esoterischem Zeug hatte Dr. Acker gar nicht ausgesehen. Sie blätterte durch ein paar Bücher. Medizinische Fachliteratur. Dazwischen ein speckiger Lederfoliant. Beiläufig schlug sie den Deckel auf. »Sch…, das darf nicht wahr sein!“ Kommissarin Werner starrte auf eine Tube Gleitcreme und K.O.-Tropfen, die in dem ausgehöhlten Buch versteckt lagen. Schöpferische Fülle … er war so einfühlsam, die Worte der jungen Frau klangen in ihr nach.

»Was kann ich für Sie tun?“
Dr. Dr. Dörte Messner saß an ihrem Schreibtisch. Hinter ihr hing ein Diplom des Friedrich Loeffler-Instituts an der Wand.
»Ich wollte mehr über das Bakterium erfahren. Mmmh, das riecht aber gut.“
»Mein Lieblingskaffee. Möchten Sie eine Tasse?“
»Gerne. Der Krankenhauskaffee ist ungenießbar.« Kommissarin Werners Blick fiel auf eine Aquarellzeichnung auf dem Schreibtisch. »Sie malen?“
»Kreativer Ausgleich zur Arbeit.«
»Ist es richtig, dass die Pest via Tröpfcheninfektion übertragen wird?«
»Das kommt auf den Wirt an, meistens sind es Flöhe. In Amerika sind Fälle durch Hauskatzen dokumentiert.«
»Ich habe gelesen, dass es trotz Impfung zur Erkrankung kommen kann. Bei der abrasiven Pest ist das aber anders?«
Dr. Dr. Messner zog die Augenbrauen hoch und korrigierte den falschen Begriff: »Die abortive Pest … verläuft von den Symptomen ähnlich einer Grippe und hinterlässt durch Bildung von Antikörpern eine lebenslange Immunität.«
»Sie waren auch erst kürzlich wegen eines grippalen Infektes krank gemeldet, Frau Dr. Messner?«, Claudia nippte einen Schluck Kaffee, »Wow, der ist ja stark. Wie heißt noch mal die Sorte?«
Dr. Dr. Dörte Messner sah auf einmal müde aus.
»Schwarzer Tod.«


Wer keine Angst vor dem „Schwarzen Tod“ hat und auf den Geschmack kommen möchte, dem empfehle ich die Dauner Kaffeerösterei. Ich habe den Kaffee dort während mehrerer privater Besuche kennengelernt. Zwischen der Kaffeerösterei und mir besteht keine kommerzielle Verbindung.

Autoren

Die Autorenstimme

little edition

Meine Autorenstimme, wortwörtlich. Wie finde ich sie und warum sollte ich sie suchen?

Im letzten Sommer habe ich eine Leseprobe zu „Eve“ veröffentlicht und da war der Gedanke: Ich könnte die Geschichte als Hörbuch anbieten. Selbstgelesen. Ein befreundeter Musiker attestierte mir eine jodelnde Stimme mit vielen Kieksern. Da war sie hin, meine zart keimende Podcasthoffnung. Mit der Stimme kann ich mich unmöglich unters Volk wagen. Vielleicht sollte ich generell über ein Stimmdouble nachdenken? Singen kann ich nämlich auch nicht.

Als ich – noch durchaus optimistisch – bei den Podcasthelden mit Gordon Schönwälder recherchiert habe, der außerordentlich profunde und unterhaltsame Informationen zum Thema zur Verfügung stellt, muss mich der Weihnachtsmann beobachtet haben. Denn unter meinen Geschenken war … ein Mikrofon.

Passend dazu schrieb Marcus Johanus von Lern- , Komfort- und Panikzonen. Fühlte ich mich vor einem Jahr noch kurz vor einer aufregenden Lernzone, so fully equipped ist das eindeutig die Panikzone. Ich? Reden? Laut? Vor Leuten?
Dazu eine kleine Anekdote:

Es war von der ersten Stunde Grundschuluntericht klar, dass Deutsch mein Ding ist. Und weil mein Lehrer so begeistert von meiner Vortragskunst war, fiel die Wahl auf mich, um bei einem Spendenkonzert von Ivan Rebroff die Blumen und ein paar Dankesworte zu überreichen.
Das Konzert war grandios. Ich werde Ivan Rebroff immer als Tevje (Anatevka) in Erinnerung behalten. Ich war aufgeregt. Erklomm die Stufen zur Bühne und stand vor einem Schrank von Menschen in einem pelzbesetzten Mantel. Ein Hühne mit Rauschbart und ich dachte, „Text … Text … lass Dir was einfallen … improvisiere … sag was!“
Ich habe improvisiert, den riesigen, mich kleine Person überragenden Blumenstrauß überreicht und wurde von Ivan Rebroff geknuddelt, bis ich keine Luft mehr bekam. Geschafft.
„Das war so toll, dass sagst Du noch mal ins Mikrofon, damit die 3000 Gäste das auch alle hören können.“
Ich wurde an den vorderen Rand der Bühne geschoben, stand vor einem Mikrofon. 3000 Menschen blickten mich erwartungsvoll an.
Ich starrte zurück.
„Fiep!“

Nach einer weiteren hörbaren Rückkoppelung des Mikrofons habe ich mich diskret von der Bühne entfernt.
Am nächsten Tag besuchte meine Klasse Herrn Rebroff in seinem Hotelzimmer.Er saß auf einem samtbezogenen Stuhl und unser Chor, mit mir in der zweiten Reihe, sang ihm zu Ehren „Ein Jäger aus Kurpfalz“. Wieso war ich eigentlich im Chor? („Du hast so eine schöne, klare Stimme“). Egal. Ivan Rebroff war sehr tapfer und hat die Gesangseinlage geduldig ertragen. Ich saß anschließend auf seinem Schoß, bekam ein Autogramm mit Herzen und einer persönlichen Widmung und ich habe mich geschämt. Für mein Versagen, für den Jäger aus Kurpfalz.
Seitdem kriege ich Schnappatmung, wenn ich vor mehr als drei Leuten reden muß.

Dieses Reden-Dings ist für mich eine große Sache.

Im Sinne des Navigierens (wo fließt das Leben, wo geht es leicht, wo öffnen sich Türen) startete im Januar ein exklusiver Podcastworkshop mit wöchentlichen Beiträgen von Gordon. Check: angemeldet. Unsere Flensburger VHS hatte einen Platz im Kurs „Finde Deinen Ton“ von der Stimmtherapeutin Tanja Rossis frei. Check: angemeldet.

Ich habe mich als Toni vorgestellt. Method writing … ich will ja herausfinden, wer diese Toni ist, wie sie schreibt, welche Autorenstimme sie hat. Ich will meine Stimme wiederfinden.

Ich will mich auf dieses Stimmabenteuer einlassen.

Aber von vorne. Unsere Sprache ist an unsere Anatomie und Physionomie gekoppelt. Ohne Atem, ohne Stimmbänder, Kehlkopf, Lippen, Zunge, Zähne, Zwerchfell geht gar nichts.

Linguisten untersuchen Sprache als System in unterschiedlichen Fachdiszplinen, die der Sprachwissenschaft untergeordnet sind. Spracherkennung (Siri, Cortana …) ist zum Beispiel so ein Anwendungsgebiet. Tolkien war Sprachwissenschaftler und so wundert es auch in keinster Weise, dass er nicht nur Sprachen erforschte, sondern auch eigene Sprachen entwickelte. Wobei ihn die Faszination für Sprache zur Wissenschaft führte, nicht anders herum.
Die Disziplin dahinter ist die Phonetik.

Sprache besteht aus Lauten – kleinen Lauteinheiten – die Phon/Phone genannt werden. In dem Moment, wo das Phon eine Lautbedeutung bekommt, wird es zum Phonem. Innerhalb einer Sprache sind die kleinsten Sinneinheiten wiederum Morphe, Morpheme mit eindeutiger grammatikalischer Bedeutung. Geschrieben und damit visualisiert werden diese Einheiten zu Graph und Graphem.

Wieder zurück zur Anatomie. Phone werden an unterschiedlicher Stellen gebildet. Es gibt Labiale, also Laute, die mit den Lippen gebildet werden, wie zum Beispiel der bilabiale Laut ‚b‘, aber auch Gutturale, die hinten in der Kehle gebildet werden, wie das ‚r‘ und ganz viele Laute dazwischen. Ich nutze meine Gesichtsmuskulatur, um die Luft so auströmen zu lassen, dass sie einen von mir gewollten Ton erzeugt.

In dem kleinen Schnupperkurs von Tanja Rossis habe ich mich mit meinem eigenen Klang auseinander gesetzt.

Erst einmal den eigenen Atemrhythmus, das Einatmen und Ausatmen bewusst spüren. Hebt sich der Brustkorb, dehnen sich die Rippen, kann ich meinen Atem bis in den Bauch spüren? Danach wurden „F’s“ geatmet. Das „F“ ist ein dentaler Laut, wird mit den Zähnen gebildet. Sanfte, zarte fffffffffs und schnippische, zackige FFFFs. Meine FFFs hörten sich trotz intensiver Bemühungen etwas schlapp auf der Brust an. Soll ja auch aus dem Bauch kommen:) Ich habe über das „F“ „Ws“ gleiten lassen, die auf dem Atemstrom schwammen, bin zum „O“ übergegangen, habe sauber artikuliert, unterschiedliche Stimmhöhen und -tiefen ausprobiert, habe die Atmung mit Bewegungen kombiniert und die Unterschiede wahrgenommen.

Je sauberer ich artikuliere, je präziser ich meine Phone bilde, je exakter ich meine Stimmwerkzeuge gebrauche, umso besser versteht man mich.

Meine Stimme wird als deutlich und klar wahrgenommen. Das hat als Nebeneffekt auch Bedeutung für meine Gesamtwahrnehmung als Mensch. Die Artikulation ist die Sprachverpackung. Es macht einen Unterschied, ob ich nuschele oder deutlich spreche. Und dieser Nebeneffekt wird Hauptthema, wenn ich mich über Sprache verkaufen muß. Wenn meine Stimme das Marketinginstrument ist.

Ein sehr schöner Satz von Tanja war: „Wir können nur das aussprechen, was wir vorher inspiriert, also eingeatmet haben.“

In dieses Sprechen kann ich nicht nur Sprachbedeutung als reine Information legen. Durch die Art, wie ich spreche, kann ich von meinem Gefühlszustand, von der Situation, von meinem Gegenüber erzählen, ich kann Kontext vermitteln und durch Emotionen anreichern.

Wenn Rufus Beck Harry Potter liest, dann leiert er die Sätze nicht einfach runter. Er gibt in Dialogen jeder Figur ein eigenes Sprachprofil, er betont Satzteile oder Wörter, macht Pausen und „zaubert“ dadurch ein Hörerlebnis, welches uns die Geschichte erleben und mitfühlen lässt.

Ich erinnere mich, auf youtube ein Video gesehen zu haben, in dem Meryl Streep gebeten wurde, total langweilige Informationstexte mit einem anderen Sprachkontext zu lesen … es war die Ellen De Generes Show. Was habe ich gelacht!

Als Autor komme ich vielleicht in die Verlegenheit, eine Lesung zu halten, vor Publikum zu sprechen oder ein Hörbuch einzusprechen. Und da will ich mich gut verkaufen. Mein Verkaufswerkzeug ist meine Stimme und die kann man wie alles andere auch trainieren.

Ich möchte mich weiter mit dem Thema Stimme auseinander setzen. Auf youtube stoße ich auf Vorträge von Dr. Monika Hein, die ausgebildete Specherin und promovierte Phonetikerin ist. Und ich verfolge Dr. Monika Matschnig, Psychologin und Expertin für Körpersprache. Beide halten nicht nur Vorträge, Coachings und Seminare, sondern haben auch Bücher geschrieben, in denen sie ihr Wissen vermitteln. Natürlich gibt es noch unendlich viele Videos zum Thema, männliche Stimmtrainer, die genannten Damen sind (m)eine spontane und willkürliche Auswahl.

Meine Atmung, meine Körperhaltung, meine Stimme greifen wie Zahnräder ineinander. Ich kann nicht gekrümmt wie ein Schluck Wasser in der Rechtskurve auf dem Stuhl hängen und dabei euphorisch „Ja, ich will!“ brüllen. Klappt nicht. Ich kann eine Haltung einnehmen wie ein angriffslustiger Stier vor dem Torero mit den Hufen scharrend, die Nüstern schnaubend in den Sand gesenkt und dabei zum Beispiel sagen: „Wie lieblich die Nachtigall mir will scheinen.“ Was löst allein das Bild beim Lesen aus?

Mit ein bisschen „Mi-Mi-Miiii“ ist es nicht getan.

Die Mischung aus Atmung, Körper-/Haltung und Sprachintention macht es. Dafür habe ich mir das Buch „Die Macht der Stimme“ von Ingrid Amon besorgt. Die Österreichische Sprecherin und Stimmtrainerin verbindet die einzelnem Zahnräder zu einem komplexen Übungsbuch und ich erfahre sehr viel über die Stimme an sich, über das Training der Stimm- und Atemmuskulatur, wie ich meine Stimmwerkzeuge nutze, worauf ich achten muss, aber auch, wie ich meine Stimme pflege und wie ich sie gezielt nutzen kann. Dazu enthält das Buch eine Audio-CD mit Sprechübungen. Monika Hein bietet, ergänzend zu ihrem Buch „Sprechen wie der Profi“, eine App für das Iphone mit Übungen. Gibt es etwas, was es nicht gibt? Ich werde fündig und sehe, es gibt sogar Sprechtraining-Apps.

Ich werde damit kein professioneller Sprecher, dafür gibt es Ausbildungen. Aber die folgenden Punkte beeinflussen alle meine Stimme und wie ich sie nutzen kann. Und so werde ich mit den Materialien, die ich zusammen getragen habe, an meiner Autorenstimme arbeiten und die einzelnen Elemente genauer anschauen.

  • Körperhaltung
  • Atmung
  • Artikulation
  • Sprechrhythmus (Betonung, Pausen, Geschwindigkeit)
  • Sprechsituation (Vortrag, Lesung, Dialog)Sprechmedium (Mikrofon, Studio)
  • Sprechabsicht (Verkaufsgespräch, Vorstellung, Erläuterung, Lesung)
    Stimmpflege (Stimme aufwärmen, vorbereiten, trainieren, pflegen)
  • Psychologische Komponente, meine eigene Stimme als Ausdruck meiner Persönlichkeit
  • Stimmspaß, Singen, Artikulieren, mit Sprache spielen

Ich glaube, meine Taktik hat sich bewährt. Bei youtube reinschnuppern, Literatur vergleichen, lokale Angebote (VHS) nutzen und dann da vertiefen und gegebenfalls mit Apps ergänzen, wo man mehr lernen möchte. Ich habe jetzt schon mehr gelernt, als ich zu Beginn vermutet hatte. Meine Stimme finde ich nach wie vor so naja. Ich habe auch noch keinen Extremtest vor Menschen gemacht. Ich geh‘ die Sache langsam an.

Mein nächster Schritt ist eine individuelle Trainingsstunde mit einer Gestalttherapeutin, die sich auf Stimmgestaltung spezialisiert hat. Und natürlich werde ich weiter mit dem Buch arbeiten.
Stimm- und Sprechtraining, die eigene Autorenstimme finden ist ein Prozess, der unbewusste Konflikte an die Oberfläche bringen kann, der im besten Sinne eine Abenteuerreise zum eigenen Ich ist, der am Ende nicht nur Stimmbildung, sondern auch Persönlichkeitsentwicklung ist.
Wenn man den Mut hat, der eigenen Autorenstimme zu folgen.


Dr. Monika Hein: www.monikahein.de

Dr. Monika Matschnig: www.matschnig.com

Ingrid Amon: www.iamon.at

Michael Rossiè: www.sprechertraining.de

Die Podcasthelden: www.podcast-helden.de

Inspirationen Textperimente

Wissenschaft ist Magie

»22. August 1893
Ich hab’s geschafft. Er funktioniert. Nachdem ich den Buchstabenbeschleuniger nochmal von den Dampfrohren isoliert habe, die eine Störung des Teilchenmagnetismus bewirkt haben, läuft der Literatur-Teleportations-Generator …«

Der Literaur-Teleportations-Generator, Fanfiction von Toni A. Scott

So beginnt meine kleine Steampunk-Geschichte. Ich schreibe. Über reale Dinge, Werbetexte, Artikel und eben Geschichten. Wir Geschichtenschreiber und Erzähler nutzen das Wissen, wie unsere Welt funktioniert, welchen Gesetzen sie unterliegt, um unsere Geschichten zu erzählen. Um Fragen aufzuwerfen und Antworten zu finden. Und wir finden die Magie, die Geschichten lebendig macht.

Wissenschaftliche Forschung entspringt der Philosophie und der Frage nach dem »Warum«.

Warum sind die Dinge so, wie sie sind? Und warum sind wir auf der Welt, so wie wir sind? Sind wir überhaupt so? Und was zur Hölle ist »so«?
Mit diesen Frage haben sich Menschen gequält, seitdem der Frontallappen mehr Raum als das Stammhirn beanspruchte. Ganz pfiffig die »ollen« Griechen: Pythagoras, Sokrates, Aristoteles… sie alle suchten Antworten auf philosophische Fragen in den Naturwissenschaften. Und entdeckten erstaunliche Dinge. Nicht immer zur Freude religiöser Obrigkeiten. Ein paar Jahre später (also schlappe 1800 Jahre später, um das Ganze in Relation zu setzen) erdreisteten sich erst ein Pole (nach heutigem Länderverständnis) und dann ein Italiener – sehr zum Verdruss ebendieser Kirche – das bestehende Weltbild als Scheibe ad absurdum zu führen. Die Erde ist ab jetzt rund. Kopernikus machte sich keine Freunde mit der Idee und Galileo Galilei hat sich mit dem mehr zum Reich der Mythen und Legenden zählenden Spruch »Und sie dreht sich doch« ähnlich wie Caesars »Auch Du, Brutus!« werbewirksam in die Unsterblichkeit gebeamt. Mal abgesehen davon, bin ich bin sehr dankbar für die wissenschaftliche Erkenntnis, denn wenn ich mit einem Autorenkollegen in Melbourne twittere, muß ich keine Angst haben, daß er aus einer globalen Nachlässigkeit heraus samt seinem Kontinent über den Rand kippen könnte.

Leonardo da Vinci als Synonym für den Renaissance-Menschen.

Der Bildungs- und Ausbildungsgedanke, der umfassendes, fast schon absolutes Wissen als Idee beinhaltete, wurde durch die sich immer weiter entwickelnden Fachdisziplinen mit immer detaillierterem Fachwissen konsequenterweise durch die interdisziplinäre Forschung der modernen Wissenschaft abgelöst. Der Vorteil liegt auf der Hand, ein breites Wissen ermöglicht neue Denkwege durch Übertragung von Erkenntnissen aus dem eine Fachgebiet in das andere. Auch das macht Kreativität aus. Ohne Kreativität, ohne experimentelles Denken sind keine neuen Erkenntnisse, keine Hypothesen, keine neue Ideen möglich.

Kreativität entsteht also durch das Verknüpfen neuronaler Strukturen zu neuen Verbindungen im Gehirn.

Ich muß die graue Masse aber schon herausfordern. In unserer modernen Zeit beschäftigt sich sowohl die Kreativitätspsychologie als auch der breite Komplex der Neurowissenschaften mit diesem Thema. Was liegt da näher, als interdisziplinär zu forschen, zu arbeiten, zu denken? Auf die Literatur übertragen entspricht die Intertextualität am ehesten diesem Prinzip. Inhalte werden nicht isoliert, sondern in ihrer kulturhistorischen Gesamtheit betrachtet, was sich eigentlich nach der Konzeptionsgeschichte aus der Kunstgeschichte anhört. (Das mal so salopp dahin geworfen und ich fürchte, ich werde mächtig Kloppe von Literaturwissenschaftlern, als auch Kunsthistorikern bekommen, weil das zu ungenau und voll nicht korrekt ist.) Auf einer trivialen Ebene kann man sich das so vorstellen: Wer die Bond-Parodie »Johnny English« mit Roan Atkinson sieht, aber noch nie von James Bond gehört hat, dem wird sich der eigentliche Witz (der intertextuelle Zusammenhang) verschließen. Ohne James Bond hätte »Johnny English« als solches nie entstehen können.

Und wo liegt der nun alltagstaugliche Nutzen interdisziplinärer Forschung? Zum Beispiel in der Verknüpfung von Biologen und Ingenieuren. Spinnenfäden, Seerosenblätteroberflächen – Mechanismen, Strukturen oder chemische Prozesse erkennen und diese künstlich nachahmen, um einen Mehrwert zu schaffen. Mehrwert durch effizientere Nutzung von Ressourcen, Erhaltung und Schutz unserer Umwelt, Entwicklung innovativer Produkte. Dass jede Medaille zwei Seiten hat, natürlich. Von der Natur abgeguckter Mehrwert bedeutet eine bessere Anpassung an die Umwelt. Je angepasster, desto größer die Überlebenschance. Das ist Evolution. Das ist Darwin. Forschung und Wissenschaft sucht Antworten auf die Frage, wie wir als Menschen am besten überleben. Und wie wir das vielleicht so hinkriegen, dass die Welt um uns herum dabei auch überlebt.

Wissenschaft wird von Menschen betrieben.

Menschen, wie Du und ich. Mit der Ausnahme, daß deren Synapsen an einigen Stellen effektiver schnackseln als es meine tun. Wenn es um Quantentheorien geht. Dafür kann ich Socken stricken, was bei unseren Breitengraden auch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil hat. Aber es sind diese Menschen, die ihr Potential nutzen, um Antworten auf Fragen zu finden, die wir uns alle stellen. Und warum sollen wir als Normalsterbliche nicht daran teilhaben? Es würde sicherlich jeden Rahmen sprengen, wenn ein Stephen Hawking jedes mal wieder bei Adam und Eva anfangen müsste um einem Nicht-Quantenphysiker die Gravitationstheorie näher zu bringen. Aber das tut er auch gar nicht. Er verpackt sein Wissen in Gedanken, die man auch ohne Albert Einstein zu sein, verstehen oder zumindest nachvollziehen kann.

Die populärwissenschaftliche Literatur geht zurück bis in das 18. Jahrhundert: Bücher von klugen Menschen über ihre wissenschaftlichen Disziplinen, die auch der Otto-Normalverbraucher lesen kann, ohne Knoten in den Dendriten zu bekommen. Auch hier verknüpfen sich die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, denn mit prosperierendem Buchhandelstransfer erblühte ebenfalls das Interesse an wissenschaftlichen Publikationen und der internationale Austausch, der sonst nur einer kleinen Gruppe Gelehrter vorbehalten war. Wissenschaft für alle. Zumindest im Bildungsbürgertum. Der Gedanke, Wissenschaft populär zu machen, Wissenschaftler in Science-Challenges herauszufordern, über ihr Fachgebiet zu schreiben, sich generell mit Wissenschaften auseinanderzusetzen, war eine schöne Rückbesinnung auf die Renaissance.

»What mad pursuit.« Ohne Tee geht nix.

Eines der ersten populärwissenschaftlichen Bücher in meiner Lesehistorie war von James D. Watson über die Entdeckung der Doppelhelix-Struktur. Es las sich ein wenig wie: renitenter Amerikaner wirbelt das beschauliche Cambridge durcheinander, trinkt Tee, ärgert ein paar Kollegen, wandert in der Schweiz rum und peng! Da isse. Eine Leiter mit Aminosäuresprossen. Sein britischer Kollege Fancis Crick schrieb ebenfalls: »What mad pursuit«, nahm sich der Sache eher diskursanalytisch an und hielt sich vermehrt mit den vier Aminosäuren auf. Ob Crick jetzt mehr durch wissenschaftliche oder britische Humorlosigkeit gezeichnet ist, mag ich nicht beurteilen. In seiner späteren Publikation »Was die Seele wirklich ist« verbittet er sich ermüdende Leserbriefe, die ihn vom Forschen abhalten würden. Das kann man mal so stehen lassen. Ich möchte noch die Biografie über Rosalind Franklin  erwähnen, deren Forschung über die Beugung von Röntgenstrahlen eminent am Erfolg von Watson, Crick und am Ende auch Maurice Wilkins beteiligt war, jedoch bei der Verteilung des Nobelpreises 1963 unberücksichtigt blieb.

Stephen Hawking habe ich bereits erwähnt. Sein Science-Buddy Kip Thorne schrieb – soweit ich das verstanden habe – über die Konsequenzen der Quantenmechanik auf die Relativitätstheorie. Ich musste nach drei Kapiteln pausieren – die Synapsen waren bei mir heiß gelaufen – und eine Biografie über Albert Einstein lesen. Netter Typ, der Albert! Das mit der Relativität verlief bei mir relativ unspektakulär, also erkenntnistheoretisch in Variablen und damit nicht messbar. Ich habe mir die Verfilmung von Hawkings Leben angeschaut. Als er sich den Playboy an c/o Kip Thorne hat schicken lassen, habe ich immerhin gewusst, daß das eben der Science-Buddy ist, für den Stephen Hawking das Vorwort in dem Buch geschrieben hat, welches ich visuell erfasst hatte. Was ich aber von Kip Thorne gelernt habe: falls es mich mal ins Universum verschlägt und ich in der Nähe des Horizontes einer Singularität rumkurve, dann sollte ich beten, daß ich noch genug Sprit im Tank habe, bevor ich den Point-of-no-return erreiche. Denn dann bin ich für kurze Zeit groß genug, um als Model über den Laufsteg zu stolzieren. Dieser Moment ist aber wirklich so unerfreulich kurz und schnell vorbei, dass ich bereits einen Augenblick später Ähnlichkeit mit dem Käsefaden auf einer Pizza haben werde. Und dann ist es das auch mit mir gewesen.

Esst mehr Grapefruits, dann klappt‹s auch mit der Mathematik!

Ein herrliches Lesevergnügen war die Biografie über den ungarischen Mathematiker Paul Erdös. Primzahlen, vollkommene Zahlen, nichts, was man mit einem herkömmlichen Gehirn nicht bewältigen könnte. Viel spannender aber war sein Leben. Etwas, was ich begreifen kann. Paul Erdös, sprichwörtlich wie er leibt und lebt. Mit Bedürfnissen, mit Wünschen, getrieben von seiner Leidenschaft für die Mathematik. Er nannte den lieben Gott einen »SF« (Spitzenfaschisten) und Kinder Epsilons. Noch faszinierender finde ich das Bestehen von Erdös‹schen Zahlen, die angeben, wie direkt jemand mit Erdös publiziert hat. Also mit ihm direkt, mit jemand, der mit ihm pulbiziert hat, mit jemand, der mit jemand, der mit jemand… Er war ein Zahlennomade, ein echter Mathenerd und zog von Freund zu Kollege und reizte nicht selten die Gastfreundschaft der jeweiligen Familie aus. In Teilen mag das der Zeit und den politischen Gegebenheiten geschuldet sein, aber Erdös existierte ganz sicher in seiner eigenen mathematischen Realitätsblase. Und er liebte Grapefruits, die er sich von Paul Hoffman aufschneiden ließ. Um Paul Erdös als Mensch zu verstehen, um Mitgefühl, Achtung und Respekt und Sympathie für diesen Menschen zu empfinden, muß ich nicht Fermats letzten Satz widerlegen können. Aber ich kann beim Lesen mitfiebern, mitleiden, mitlachen, wie Paul Erdös stellvertretend für viele andere Wissenschaftler sein Leben der Suche nach Antworten gewidmet hat.

Lucy – der Schrecken der Straße

Diese Wissenschaftler sind sowieso und überhaupt ein komisches Völkchen. Bei aller elitären Konzentration von Fachwissen so herrlich menschlich. Voller skurriler Eigenheiten, nicht selten Egomanen und aufmerksamkeitssüchtig, tapsig, verschroben und in kindische Zänkereien verstrickt. Ein Forschungsfeld, was mich dazu bewegte, fachfremd eine Vorlesung über Paläontologe zu infiltrieren, ist der Bereich der Paläoanthropologie. Wo ich wieder bei meinem Frontallappen wäre, der in der Konsequenz des aufrechten Ganges ganz gut zupass kommt. Ich reise gedanklich nach Äthiopien und pinsele zu den Klängen der Beatles Wüstenstaub von Knochen, im Geiste Louis Leakey zuprostend. Wie immer hat die Wissenschaft auch einen real messbaren Nutzen im trivialen Leben. Es ergibt sich, daß Flirtversuche von Geologen mit der Erwähnung des Wissens um die Radiokarbonmethode im Keim erstickt werden können. Dazu brauche ich nicht einmal den keulenschwingenden Ehegatten, ich verteidige die Höhle höchst selbst.

Einstein und der Mückenstich

Das Glanzstück an historischer Abhandlung, gepaart mit neckischen nice-to-know-Geschichten bildet das geradezu epochale »Eine kurze Geschichte von fast allem« von Bill Bryson. Meiner Meinung nach piesackt ihn die gleich Neugier und das Verlangen, einfach ein wenig dabei zu sein. Die Entdeckung der Welt mit all ihren Kapriolen, historischen Herausforderungen, den Anekdoten rund um Tatsachen, die in Geschichtsbüchern seltsam leblos und distanziert als Faktum notiert sind. Nun ist es der Gravitation und auch Einsteins fachlichen Erben ziemlich schnuppe, ob Einstein von einer Mücke gestochen wurde, bevor ihm der entscheidende Gedanke kam (Und das habe ich hier völlig frei erfunden. Ich habe keine Ahnung, wie die Beziehung von Einstein zu Mücken, Bremsen und sonstigen Insekten war.). Es macht die Sache einfach lebendig und unterhaltsam.

Und wir wollen doch lebendige Geschichte. Wir wollen Teil davon sein. Warum sonst landen Bücher wie »Der Medicus«, »Sakrileg« oder »Der Schwarm« auf Bestsellerlisten? Wie sonst könnten Filme wie »Der Marsianer«, »Tron«,«Die Liga der außergewöhnlichen Gentleman«, Serien wie »The Big Bang Theorie«, »Alphas« oder »Zoo« geschaffen werden, wenn wir die Wissenschaft nicht als Teil von uns selbst begreifen würden? Aus welchem anderen Grund nutzen Menschen alle verfügbaren Medien, um sich über wissenschaftliche Themen zu informieren, gibt es barcamps und Science-Slams, Conventions, Fernsehproduktionen und Dokumentationen, in denen wissenschaftliche Projekte und Erkenntnisse vorgestellt und erklärt werden?

»Ich seh‹ den Sternenhimmel…«

Es ist drei Uhr morgens. Ich fahre in einem durch Brennstoff betriebenen Metallvehikel der Sorte Dolce Vita über die Autobahn. Um halb vier bildet sich ein heller Streifen am Horizont. Die Luft strömt als diese unwirkliche Mischung aus Nachtkühle und Sommerversprechen des neuen Tages durch das offene Fenster. Selten überholt mich ein anderes Auto. Ich bin allein in dieser schlafenden Welt. Über mir, wenn ich den Kopf etwas drehe, blinken Sterne. Über den USB-Stick höre ich den podcast eines Astronomen, der mir erklärt, in welchem Winkel das Licht der Sonne – gestrahlt, nicht gewellt… – auf die molekulare Struktur von Wasser treffen muß, damit ich einen Regenbogen sehe. Und was das damit zu tun hat, daß ich niemals den Topf voller Goldmünzen am Ende des Regenbogen finden werde. Vielleicht auch ein Grund, warum Douglas Adams sich im besonderen Maße für das Mitführen von Handtüchern aussprach?

Wissenschaft ist überall. In Exponaten und Mit-Mach-Ausstellungen, wie die Phänomenta in Flensburg. Sie umgibt uns wie Staubpartikel in einem Kosmos aus Informationsteilchen, die ich je nach Sichtweise wahrnehme oder ausblende. Ich für meinen Teil gucke gerne hin. Ich schreibe Geschichten. Und Wissenschaft ist die Magie, die meine Geschichten zum Leben erweckt.


  • [Stützer, Herbert, Alexander: Die italienische Renaissance. DuMont. Köln. 1977]
  • [Braitenberg, Valentin; Hosp,Inga(Hg.):Evolution. Entwicklung und Organisation in der Natur. Rowohlt. Hamburg.1994
    Calvin, William H.: Der Strom, der bergauf fließt. Eine Reise durch die Evolution. 3.Auflg. dtv. München. 1997]
  • [Hawking, Stephen: Eine kurze Geschichte der Zeit. Die Suche nach der Urkraft des Universums. Rowohlt. Hamburg. 1991]
  • [Willenberg, Jennifer: Distribution und Übersetzung englischen Schrifttums im Deutschland des 18. Jahrhunderts (Archiv für Geschichte des Buchwesens – Studien, Band 6). De Gruyter. Berlin. 2008][Watson, James D.: Die Doppelhelix. Neuausgabe. Rowohlt. Hamburg. 1993]
  • [Crick, Francis: What mad pursuit. A Personal View of Scientific Discovery. Penguin Books. 1990]
  • [Crick, Francis: Was die Seele wirklich ist. Die naturwissenschaftliche Erforschung des Bewußtseins. Rowohlt. Hamburg. 1997]
  • [Maddox, Brenda: Rosalind Franklin. The Dark Lady of DNA. HarperCollinsPublishers. London. 2002]
  • [Thorne, Kip S.: Gekrümmter Raum und verbornene Zeit. Einsteins Vermächtnis. Mit einem Vorwort von Stephen Hawking. Droemersche Verlagsanstallt Th. Knaur Nachf. München. 1996]
  • [Einstein, Albert: Mein Weltbild. Hrsg. von Carl Seelig. 26. Auflg. Ullstein. Berlin. 1997
    Fölsing, Albrecht: Albert Einstein. Biographie.Suhrkamp. Frankfurt 1999.
    Hermann, Armin: Einstein. Der Weltweise und sein Jahrhundert. Eine Biographie. Piper Serie. München. 1996
    Hoffmann, Banesh: Einsteins Ideen. Das Relativitätsprinzip und seine historuschen Wurzeln.Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg. 1997]
  • [Hoffman, Paul: Der Mann, der die Zahlen liebte. Die erstaunliche Geschichte des Paul Erdös und die Suche nach der Schönheit in der Mathematik. Ullstein Buchverlage GmbH & Co. KG, Berlin. 1997]
  • [Johanson, Donald; Edey, Maitland: Lucy. Die Anfänger der Menschheit. 5. Auflg. Srie piper. München. 1992
    Johanson, Donald;Shreeve, James: Lucys Kind. Auf der Suche nach dem ersten Menschen. 2. Auflg. Serie Piper. München. 1992]
  • [Bryson, Bill: Eine kurze Geschichte von fast allem. 4. Auflg. Goldmann. München.2004]
  • [Gordon, Noah: Der Medicus. Vollständige Sonderausgabe. Knaur. München 1994]
  • [Brown, Dan: Sakrileg. The Da Vinci Code. Bastei Lübbe. 2006]
  • [Schätzing, Frank: Der Schwarm. Kiepenheuer & Witsch. Köln. 2004]
  • [Kah, Hubert: Sternenhimmel, 1982 (Neue Deutsche Welle)]
  • [Adams, Douglas: Per Anhalter durch die Galaxis. 23. Auflg. Ullstein. Berlin. 1997]
Fanfiction Textperimente

Der Literatur-Teleportations-Generator

Toni A. Scott

Eine kleine Fanfiction-Geschichte zum
Steampunkkrimi „Ersticktes Matt“ von Nina C. Hasse

Toni A. Scott

August 1893

Ich hab’s geschafft. Er funktioniert. Nachdem ich den Buchstabenbeschleuniger nochmal von den Dampfrohren isoliert habe, die eine Störung des Teilchenmagnetismus bewirkt haben, läuft der LTG (Literatur-Teleportations-Generator).

Ich habe das erste Buch aus der Zukunft auf dem Wort-Kommunikator sichtbar gemacht. Es ist eine historische Abhandlung über Kriminalfälle in den Floodlands: Ersticktes Matt. Der Wissenschaftler, der das Buch geschrieben hat, ist eine Frau, Nina C. Hasse, der offensichtlich Unterlagen zu genau den Fällen vorliegen, die gerade unsere Stadt auf den Kopf stellen und für Angst, Chaos und Schrecken sorgen. In der Zukunft schreibt man Fachbücher ganz anders und es liest sich weitaus spannender als die langatmigen Vorträge von Professor Amadeus Windebank über luzide Teilchentransformation.

Wie sie wohl ist? Nina. Schöner und seltsamer Name. Arbeitet sie für das Police Department? Ist sie vielleicht eine Spionin im Auftrag der Königin?

Ich frage mich, ob sie noch mehr Informationen in dem Buch gesammelt hat, die dem Police Department hier weiterhelfen könnten. Der Dampfdruck ist nach wie vor nicht stabil und sorgt für Interferenzen im Buchstabenbeschleuniger, die die Teleportation beeinträchtigen. Manchmal kann ich nur ein paar Zeilen lesen, bevor der Wort-Kommunikator schwarz wird.

Es dürfte überdies schwierig werden, den Besitz des Wort-Kommunikators zu erklären. Ich habe ihn bei einer mehr als fragwürdigen Mission unter der Brücke am Ufer gefunden. Für die Beschaffung der Forschungsberichte kann sich Professor Windebank für den Rest seines Lebens bei mir bedanken.

Ich habe lange gebraucht, um den Wort-Kommunikator zum Laufen zu bringen. Das Metall des Gehäuses habe ich so noch nie gesehen. Die Verarbeitung, unglaublich, keine Räder, keine Knöpfe oder Haken, kein Antrieb. Man gleitet mit dem Finger wie über die spiegelnde Wasseroberfläche des East River.

Es muß aus der Zukunft sein. Vielleicht hat es ein Zeitreisender verloren? Vielleicht hatte er auch keine Zeit mehr es zu suchen. Oder keine Möglichkeit … aus den Floodlands kommt man als Fremder selten lebend heraus.

Könnte es aber auch sein, dass der Zeitreisende die Wissenschaftlerin selbst ist? War Nina hier … in den Floodlands? Dann würde sie noch leben und wenn es mir gelänge, einen Text in ihre Zeit zu teleportieren…

Toni A. Scott


Dies ist mein Gruß an Nina und Beitrag für ihr Gewinnspiel zu ihrem ersten Roman und Steampunk-Krimi „Ersticktes Matt“, den ich Euch wärmstens ans Herz legen möchte!

Liebe Nina, ich hoffe, Du freust Dich und hast Spaß an dieser Mini-Fanfiction von mir. Ich wünsche Dir noch mehr begeisterte Leser und so tolles Feedback wie bisher. Toni

Alles über die Autorin, die Floodlands und die mysteriösen Morde findet Ihr im Floodlands Department

Ninas Blog: Nina C. Hasse – Schreiben ist tanzen mit Worten

Textperimente

Buchspaß mit Statistik

In einem anderen Leben habe ich einen großen Bibliotheksraum mit Kamin und Ohrensesseln, einem schweren Holztisch, einer Galerie mit eiserner Wendeltreppe, Buchleiter, raumhohe Fenster mit Blick auf eine Parklandschaft, Lesepult und einer Chaiselongue.
In der Realität bietet das heimische Anwesen einen überschaubaren Platz für Bücher, die sich deswegen auf fast jeden Raum ausdehnen. Das zwingt mich periodisch dazu, Bücher auszusortieren oder neue Nischen zu finden, in denen sie wohlbehalten vom Lesen und Gelesen werden zeugen. Alle meine Buchfreunde sind nach Sachgebiet und Autor sortiert unterteilt. Manchmal ist das auch eine subjektive Interpretation. Ob das mit Ordnungsliebe oder zwanghaften Tendenzen zu tun hat, vermag ich nicht zu sagen. Die Taschentuchschublade ist ebenfalls akribisch sortiert und ausgerichtet, das spricht für Letzteres.

Ich kann auch einfach nur so dasitzen und meine Buchfreunde betrachten. Ein Buch aus dem Regal nehmen, aufschlagen und den Eintrag lesen. Noch so eine Macke. Datum, Ort und Gelegenheit werden auf die Titelseite notiert. Diese Einträge sind wie Baumringe, also „Buchringe“, eine Erinnerung an Ausflüge, Begebenheiten, Lebensphasen und liebe Geschenke.

Beim Betrachten der Buchrücken fielen mir die unterschiedlichen Verlage auf, die diesen Geschichten zu einer physischen Präsenz verholfen haben. Bei einigen Verlagen weiß ich, daß ich dort lesetechnisch gut aufgehoben bin, bei anderen würde ich nur durch Zufall lesend bleiben. Dabei habe ich mich gefragt, wieviele Verlage wohl durch Bücher in meiner kleinen Bibliothek vertreten sind und ich habe angefangen zu zählen. Es ist eine Fleißarbeit geworden. Und dabei habe ich gar nicht so viele Bücher. Also deutlich unter 1000. Also, bei mir beheimatet. Gelesen ist was anderes.
Vom Ergebnis war ich war selbst überrascht. 132 Verlage. Die Zugehörigkeit zu Verlagsgruppen wie z.B. Randomhouse habe ich nicht berücksichtigt. Was meine Lesegewohnheiten angeht – ob Verlage daraus einen Nutzen ziehen könnten, so durch die Marketingbrille analysiert, wage ich zu bezweifeln. Für mich selber habe ich aber festgestellt, wie abweichend meine Wahrnehmung von einem Verlag vom tatsächlichen Verlagsangebot in einigen Fällen ist, was ich nicht erwartet hätte. Piper abgeschlagen hinten, obwohl ich viel vom Verlag halte. Ein Goldmann Buch (Platz 1) steht in der Psychologie und sieht trivial aus, was ich schade finde. Ich lese verlagsorientiert und selektierend. Ein Verlag, der durch mein Raster fällt, hat es also schwer, selbst, wenn er das Buch meines Lebens verlegt hätte.

Andrerseits bin ich auch lesekühn

Paul Hoffmann, „Der Mann, der die Zahlen liebte“ ist so ein Beispiel. Ullstein Verlag, Berlin. Auf Platz 3 meiner Rangliste, was ich nicht wußte, als ich das Buch 1999 kaufte. Also auch kein Kaufkriterium. Die Biographie über den Mathematiker Paul Erdös, der Kinder „Epsilons“ nannte, den lieben Gott „SF“ (Spitzenfaschist) und Mathematikkollegen ihre Beziehung zu ihm in Erdös’schen Zahlen messen. 1 = Jemand, der mit Erdös publiziert hat, 2 = Jemand, der mit jemandem publiziert hat, der mit Erdös publiziert hat. Einstein hat eine 3. Er liebte Prim- und Vollkommene Zahlen und ich glaube, er war jemand, den man lieben mußte, weil er einen um den Verstand brachte. Ich weiß, was Primzahlen sind (nur durch sich selbst und 1 teilbar: 1,3,5,7,11…) und auch Vollkommene Zahlen (Zahlen, die geich der Summe ihrer Teiler außer sie selbst sind: 6= 1+2+3 oder 28= 1+2+4+7+14). Und das war’s auch schon mit mir und der Mathematik.
Ein durchaus mathematischer Spaß war es, meine neu gesammelten Erkenntnisse in Kreisdiagramme umzuwandeln. Ich mußte dabei wenig rechnen, der Diagrammgenerator schon. Und es hat alte Buchfreunde wieder ins Bewusstsein geschoben, wie den lieben Paul Erdös. Und Du? Hast Du Lust, mich bei diesem Spaß zu begleiten? Vielleicht findest Du Dich irgendwo wieder oder schaust selber nach, wie sich Deine Büchersammlung so verlagstechnisch betrachten lässt! Vielleicht hast Du auch einen Lieblingsverlag oder einen ungewöhnliche Buchliebe? Ich freue mich auf Deine/Eure Kommentare!

Die Buchstatistik „little library“
Zuerst habe ich die Bücher nach Sachgebieten sortiert gezählt, wie sie auch im Regal (und überall sonst) stehen.

Hier ist eine Übersicht der Verlagsverteilung bezogen auf alle Bücher. Das ist also mein Leseprofil, was, wie ich finde, durch diverse Hanni&Nanni Bände etwas verfälscht wird:)

Die Verlagsverteilung bezogen auf die Sachgebiete
Die allgemeine Literatur
von Douglas Adams bis Marion Zimmer Bradley. Ja, ich habe „Die Nebel von Avalon gelesen“ und ja, ich glaube, daß es diese Insel wirklich gibt.

Kunst.
Bildbände, Ein Roman über Michelangelo, Lexikon der Baukunst, Italienische Renaissance und ganz viel Rodin und Camille Claudel.

Naturwissenschaften, populärwissenschaftlich
Wie oben beschrieben, das mathemathisch-logische Talent ist rudimentär vorhanden, also mit gutem Willen im Ansatz erkennbar. Was mich nicht davon abhält, Bücher über Astrophysik, Paläoanthropologie und Mathematik zu lesen. Oder Francis Crick. Und – Recht vor Ordnung – eine Biographie über Rosalind Franklin.

Schreiben
Lesen, was andere über das Schreiben schreiben. Inspirierend, lehrreich, famos. Und ein Interessenkonflikt. Die „Kreativitätspsychologie“ von Holm-Hadulla steht hier und nicht in der Psychologie.

Psychologie/Gesundheit/Esoterik
Erziehungspsychologie von Alice Miller, Hochsensibilität von E.Aron, Bachblüten, Space Clearing von Karen Kingston, Psychokinesiologie … angewandte Magie – gibt es eigentlich etwas, für das ich mich nicht interessiere?

Garten
Wunderbare Geschichten von Frauen und ihren Gärten, so historisch betrachtet, Bildbände und natürlich ein ganzes Buch nur über Bux. Die Spezialhefte nach Themen von „Mein schöner Garten“ tauchen hier nicht auf, sind ja keine Bücher. Gartenarchitektur, Gärten … ich habe viel zu wenig Gartenbücher. Und dann träume ich auch von einer Gartenkreuzfahrt. Irgendwann. Und der Chelsea Flower Show. Den passenden Hut habe ich schon!

Philosophie
Ich hatte Philosophie als mündliches Abiturfach – 1873 oder so. Platos Höhlengleichnis passt immer. An der Uni das Seminar über determinierten Determinismus habe ich bis heute nicht … was eigentlich?

Englischsprachige Literatur
Ich habe Francis Crick, What mad pursuit, auch auf Englisch gelesen, der steht trotzdem bei den Naturwissenschaften, dafür stehen hier Robin McKinley, Beauty, Das NSOED (nee, liegt woanders, zu groß, zu schwer, in Canterbury bei W.H. Smith gekauft), Sophie Kinsella, Alexandra Potter (die total nett ist, liegt am Namen!), English Poetry und der wunderbare Bill Bryson, der mir an der südenglischen Küste zu einem Sonnenbrand verholfen hat.

Kinderbücher
Tina und Tini, Dolly und eine Originalausgabe von Pucki, natürlich die Alanna Bücher von Tamora Pierce (Die Schwarze Stadt), positives Rollenvorbild! Die Bücherei stand direkt neben der Schule und ich war jede Pause dort. Jede. Vor ein paar Jahren fiel mir ein Buch ein, welches ich gerne noch mal gelesen hätte. Titel und Autor wußte ich nicht mehr. Ich rief in der Bücherei an und beschrieb, in welchem Raum, in welchem Regal das Buch vor dreißig Jahren gestanden hatte. Stand da auch noch lange, konnte sich die Bibliothekarin erinnern. Unglaublich. Barbara von Bellingen, Tochter des Feuers. (Steht jetzt bei mir bei der normalen Literatur)

Krimi / Fantasy
Stephen King hat mir in der oben beschriebenen Büchereizeit Alpträume beschert. Leonie Swann, Glenkill, ist ein Krimi, las ich ohne Schlafprobleme, steht aber nicht bei Krimi. Tatsächlich stehen dort die ganzen King-Bücher und Hohlbeins des Herzbesten, Neues aus der Tapioka-Bar … (Anonymus, Das Buch ohne Staben u.w.) in vollständiger Reihe, Scott Sidler, Adam Fawer, „Null“ und „Gnosis“, fand ich richtig gut. Das erste gemeinsam gekaufte Buch mit dem Herzbesten war „Das Druidentor“ von Hohlbein, hatten wir verliehen und dann passierte genau das, warum man Bücher nicht verleiht: man bekommt sie nicht wieder. Neulich las ich über Twitter, daß „Das Druidentor“ ein neuer Hohlbein sei, das hat mich sehr irritiert.

Kochen
Wir kochen gerne, zusammen oder für einander, mexikanisch, indisch, westfälisch. Rühren Marinaden an, schnuppern an Kräutern, überraschen uns mit Köstlichkeiten. Isabell Allende hat ein Kochbuch geschrieben, Aphrodite (das steht aber auch nicht in der Kochecke) mit sinnlichen Rezepten und Geschichten. „Verliebtes Hähnchen“ ist so ein Rezept. Geht immer: English Breakfast und wenn der Herzbeste für mich „Chicken Kiew“ macht.

Lyrik / Klassiker
Kristiane Allert-Wybranietz. Eine Lebensphase. In meiner Teenagerzeit ein richtiger Hype. Ich oute mich dann auch, habe schon in der Schule Gedichte geschrieben. Für eins 2012 sogar einen Buchpreis gewonnen, allerdings sehe ich die Anthologien mit gemischten Gefühlen, sieht wichtig aus, is aber nix zum Angeben. Ich wäre auch fast in einer Fantasy-Anthologie mit einer Kurzgeschichte erschienen. Der Verlag machte pleite. Ein Zeichen? Reclamhefte reihen sich auch unter dieser Rubrik. Shakespeare, Macbeth. Zum Brüllen komisch ist ja auch Terry Pratchett, Macbest, gehört hier nicht hin, steht englisch.


Das war sie, die little library Buchstatistik. Und mein Leseleben, was gerade in Etappen und schön nach Sachgebieten sortiert vor meinem inneren Auge abläuft. Ich könnte jedes einzelne Buch nehmen und Geschichten erzählen, die mit ihm verbunden sind. Und das ist das, was Bücher so besonders macht. Die Beziehung, die der Leser, jeder für sich, zu ihnen aufbaut und sie so zu einem Teil seines Lebens werden lässt.

Fantasy

Eve – Das Tattoo

Leseprobe

Ich dachte, dass dies der verrückteste Tag in meinem Leben war. Und ich dachte eine Menge über diesen Tag. Aber von der Wahrheit war ich damals so weit entfernt, wie ich jetzt von meinem alten Ich entfernt bin. Ich bin ich, und ich bin es wiederum nicht. Mein altes Ich war … ja, was war ich eigentlich? Wer war ich überhaupt? Ich hatte studiert, einen mies bezahlten Job in einem Steuerbüro, und zuhause wartete nur mein Taschenrechner auf mich. Als ich an jenem Dienstag auf dem Weg in meine kleine Wohnung war, sah ich mein Spiegelbild in den Schaufenstern von Boutiquen, deren Kleider ich nie gewagt hätte zu tragen. Ich sah meine braunen Haare, die streng zu einem Knoten gebunden waren und den grauen Hosenanzug, den ich immer dann trug, wenn der Blaue in der Reinigung war. Ich sah meine Hände, die die schwarze Handtasche umklammerten und die flachen Schuhe, die nicht mal ein Geräusch auf dem Pflaster verursachten. Ich fühlte mich selbst derart unscheinbar, dass es mich nicht wunderte, dass kaum jemand Notiz von mir nahm, geschweige denn etwas über mich zu erzählen gewusst hätte. Selbst mein Chef schien sich nur dann an mich zu erinnern, wenn ich mir Urlaub nahm. Ich beschloss, dass sich auf der Stelle etwas ändern musste. Zwei Straßen weiter war ein Coffee Shop. Einer dieser Filialen, deren Auswahl an Kaffeespezialitäten komplizierter als meine Einkommenssteuererklärung ist. Ich entschied mich für einen Café Latte und stellte mich mit dem Pappbecher an einen Tresen am Fenster. Draußen war es dunkel geworden. Nicht einmal der Mond leuchtete über den Dächern. Mein Blick zog gelangweilt über die grelle Neonreklame der Einkaufsstraße. Auf dem Nachhauseweg einen Kaffee zu trinken, war nicht unbedingt eine radikale Maßnahme mein Leben zu verändern. Ich spülte den letzten Schluck runter, warf den leeren Becher in den Mülleimer und stieß die Ladentür auf. Mein Blick glitt über die bunten Lichter und blieb an einem Schild hängen, das mir in blassem Blau aus einem kleinen Fenster auf der anderen Straßenseite entgegen schimmerte. Ohne mir darüber bewusst zu sein, überquerte ich die vierspurige Fahrbahn. Ein paar Schritte weiter, in einem kleinen Innenhof, lockte ein kleiner Tattoo Shop mit einem illuminierten Schriftzug. Im Schaufenster entdeckte ich einen Altar, auf dem Blüten und mit Räucherwerk gefüllte Messingschalen standen. Ich versuchte, die Blütenblätter zu fokussieren, aber irgendwie blieb mein Blick verschwommen. Ich streckte meine Hand aus und berührte zögernd den Griff, der kalt und glatt in meiner Hand lag. Seit jenem Abend erinnere ich mich an jedes Detail meines Lebens, als ob ich es wie in einem Buch wieder und wieder anschauen könnte.
»Na, was darf’s denn sein? Eine hübsche Rose auf die Schulter oder ein Schriftzeichen am Knöchel?«
Im schummerigen Licht einer Lampe erkannte ich einen Asiaten mit langen, weißen Haaren
»Ich – ich weiß es nicht. Ich bin eigentlich mehr per Zufall hereingekommen.«
»Zufälle sind die Momente, in denen sich das Leben selbst in die Hand nimmt. Setzen Sie sich und trinken Sie einen Tee mit dem alten Ming Shu.«
Der alte Mann schlurfte in den hinteren Bereich und kam nach kurzer Zeit mit zwei dampfenden Porzellanschalen wieder, von denen er mir eine reichte. Inzwischen hatten sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Die Räucherstäbchen, die einen entspannenden Duft verbreiteten, vermischten sich mit dem herben Geruch des Tees.
»Fürchte nicht die Dämonen – fürchte den Schatten ohne Seele.«
»Bitte? Was für Dämonen? Ich glaube nicht an so was.«
Der alte Mann kicherte leise.
»Ich denke, ich möchte etwas Einmaliges haben. Etwas, das nur ich besitze.“
„Das Motiv ist die Seele, die dich findet, wenn Du sie lässt.«
Ich hatte keine Ahnung, was der alte Mann meinte. Aber durch den heißen Tee und den süßrauchigen Duft wurde ich müde, wie benommen. Ich stellte die Teeschale auf einen Tisch.
»Der Tee schmeckt sehr gut, danke.«
Der alte Chinese legte seine Hände über meinen Kopf, ohne mein Haar zu berühren. Mir wurde warm und schwindelig.
»Verlassen Sie Ihre Gedanken. Ja, das ist gut.
Ich hörte das leise Klingen eines Windspiels, obwohl es draußen windstill war. Der süße, schwere Duft in dem kleinen Raum hüllte mich ein. Ich lehnte mich zurück und schloss für einen Moment die Augen. Es war, als hätte ich mich selbst vergessen, das Spiegelbild, das mich hoffnungslos aus den Fenstern angeblickt hatte. Ich hörte das gleichmäßige Brummen der Tätowiernadeln und fühlte ein leichtes Prickeln am Hals, das sich bis hinter mein linkes Ohr zog. Das Windspiel wurde immer lauter, und der aufgekommene Nebel verzog sich so plötzlich, wie er gekommen war und machte einem lautlosen Regen Platz. Irgendwie passte das alles nicht zusammen. Solange mein Blick in dem kleinen Raum verweilte, sah ich die Dinge trotz der Dunkelheit seltsam klar und scharf konturiert. Aber draußen schien alles zu verschwimmen. Und gleichzeitig konnte ich die Regentropfen klar voneinander unterscheiden, als wenn mein Gehirn ganz neue Informationen filterte und zu einem neuen Bild verband. Ich war so angenehm müde, und trotzdem konnte ich jeden Gedanken präzise auf den Punkt bringen. Im Grunde war es mir in dem Moment egal, warum die Welt plötzlich so war, wie sie war. Oder ob sie schon immer so gewesen war und ich es nur erst jetzt bemerkt hatte. Das Geräusch der surrenden Nadeln verschwand aus meinem Bewusstsein und ich fühlte mich seltsam schwerelos.
»Sie sind fertig«, hörte ich den alten Chinesen schließlich sagen.
Ich murmelte ein schläfriges danke, stand auf und streckte meinen Hals.
Der Chinese verbeugte sich mit einem eigenartigen Lächeln und sagte: »Der Dämon ist ein Teil Ihrer Seele. Finden Sie ihn!«
Verwirrt trat ich hinaus. Der Regen hatte aufgehört und das Klangspiel bewegte sich leise tönend, obwohl ich draußen keinen Luftzug wahrnehmen konnte. Immer noch benommen ging ich nach Hause und schlief sofort ein.

Am nächsten Tag meldete ich mich krank. Ich hatte morgens müde und zerschlagen, als o ich einen Kater hätte, im Badezimmer vor dem Spiegel gestanden und meinen Augen nicht getraut. Ungläubig tastete ich nach der Kruste während meine andere Hand sich um den Rand des Waschbeckens krallten. Auf meinem Hals war außer dem getrockneten Blut nichts zu sehen. Ich griff hilflos nach Erinnerungsfetzen, die keinen Sinn ergaben. Nur der Chinese und seine Stimme klangen wie ein unheimliches Echo in mir nach. Entschlossen, den alten Mann zur Rede zu stellen, stieg ich in ein Taxi, das mich zu der Hofeinfahrt brachte. Obwohl ich direkt davor stand, hatte ich das beklemmende Gefühl, dass die Dinge nicht so waren, wie sie hätten sein sollen. Erst als die Türklinke nicht einen Zentimeter nachgab und nur ein rostiges Scharren ertönen ließ, begriff ich. Das Fensterglas war blind und schon seit Jahren nicht mehr geputzt worden. Ich konnte die Spinnweben und die dicke Staubschicht erkennen, unter welcher der kleine Raum begraben lag. Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Wenigstens auf Coffee&More war Verlass. Der Laden stand tatsächlich noch da, wo er am Abend zuvor gestanden hatte, und ich bestellte einen Espresso.
»Sagen Sie, was ist eigentlich aus dem Tattoo Shop und dem alten Chinesen geworden?«
Ich versuchte, möglichst unverfänglich zu klingen.
»Tattoo Shop? Wo soll denn der gewesen sein?«
Der Besitzer hinter dem Tresen hörte sich gelangweilt an.
»Na, der kleine Laden im Hinterhof gegenüber.«
»Ach, der… Keine Ahnung, der stand schon immer leer. Jedenfalls seitdem ich hier arbeite.«
»Oh, dann habe ich das wohl verwechselt.«
Ich bekam eine Gänsehaut und fragte mich, ob das vielleicht alles ein Traum war. Menschen eilten hektisch am Schaufenster vorbei, ein Auto hupte. Das erschien so normal, so unspektakulär, aber ich empfand es als unnatürlich und beklemmend.

Wieder in meiner Wohnung sah ich, dass mein Anrufbeantworter blinkte, aber ich ignorierte ihn. Ich blieb einfach zuhause, schlief, grübelte nach und tastete nach der verschwundenen Tätowierung, deren Borke hartnäckig von ihrer Existenz zeugte. Ich hatte mir Pizza kommen lassen und eine Flasche Rotwein. Als der Bote klingelte, schlang ich mir einen dicken Schal um den Hals, der die Borke verdeckte.
»Einmal die dreiundvierzig, wie immer ohne Anchovis und einen Chianti mit Grüßen vom Chef.«
»Danke, Emilio, Ihr seid die besten«, krächzte ich und kramte in meinem Portemonnaie.
»Sommergrippe, hm? Gute Besserung, Evelyn.«
»Danke.«
»Tschau, Bella.«
Emilio zwinkerte mir zu. Er zwinkerte mir immer zu, allerdings übersah ich das geflissentlich. Ich zerteilte die Pizza sorgfältig in acht Tortenstücke, spülte den Pizzaschneider ab und entkorkte den Wein. Der Chianti aus der Trattoria kam von Alfredos Cousin aus Lucca, das wusste ich von Alfredos Sohn Emilio. Den bekam nicht jeder. Ich prostete Alfredo innerlich zu und trank das Glas in einem Zug leer. Mitten in der Nacht wachte ich auf. Ein helles Licht blendete mich und ich musste blinzeln. Der Mond stand als gelbe runde Kugel zum Greifen nah vor meinem Fenster. Mein Mund war trocken und ich ging in die Küche, um ein Glas Wasser zu trinken. Wieder tastete ich nach der Tätowierung, und zu meiner Überraschung war die Kruste verschwunden. Die Haut fühlte sich glatt und weich an. Ich stellte das Glas in die Spüle und schaute in den Spiegel. Der Blutschorf war komplett abgeheilt, dafür konnte ich nun eindeutig ein Motiv erkennen. Das konnte unmöglich sein!

Ornamentale Ranken, verwoben mit Schriftzeichen, schienen an meinem Hals entlang zu wachsen. Ich hatte das Gefühl, so langsam doch den Verstand zu verlieren und floh aus der beklemmenden Enge meiner Wohnung hinaus. Ziellos und doch wie gehetzt irrte ich durch die Stadt. In der äußeren Welt wehte eine alte Zeitung über die Straße und eine Fahne flatterte wild in einem Wind, den es nicht gab. Mein Blick war seltsam gestört. Die Konturen der Häuser verschwammen und gleichzeitig sah ich alles mit beißender Intensität. Ich blinzelte mehrmals, aber es änderte sich nichts. An einer Ecke entdeckte ich einen ungewöhnlichen Friseursalon, der offenbar auch nachts geöffnet hatte, denn er war hell beleuchtet. Der Laden hatte zwei breite Türen mit langen Messinggriffen, wie ich sie schon mal an einem alten Tabakladen gesehen hatte. Das Tabakgeschäft müsste eigentlich auch ganz in der Nähe sein. Ich kannte es, weil es der einzige Laden war, der Aromablätter für losen Tabak verkaufte. Und ab und zu kaufte ich mir ein Päckchen Halfzware und dazu Kirscharoma und drehte mir etwas verkrüppelt aussehende Zigaretten. Mein Kollege Dietmar zog mich gerne damit auf, daß ich meine Zigaretten nicht drehen, sondern falten würde. Eigentlich hätte mir der Salon auffallen müssen. Ich drückte beide Türen nach innen auf und ging auf eine nierenförmige Theke mit türkis gemusterten Fliesen zu. Eine seltsam alterslos wirkende Frau mit toupierten Locken und grellem Make-up saß hinter der Theke.
»Na, Süße, was kann ich für dich tun?«
Ihre Stimme klang rau und verbraucht.
»Ich hasse meine Haarfarbe!«
Hatte ich das gerade wirklich gesagt? Ich hatte mich noch nie für Frisuren oder Haarfarben interessiert.
»Kein Problem, Schätzchen. Was hätt’ste denn gerne?«
»Rot. Ein dunkles Rot, bitte.«
»Auch noch’n bisschen Farbe für’s Gesicht, Süße?«
»Warum nicht? Wenn wir schon dabei sind!«
Die Frau stellte sich als Giselle vor, vermutlich ein Name, den sie sich für ihren Job zugelegt hatte. Sehr französisch wirkte sie trotzdem nicht. Als ich fertig geschminkt und frisiert in den Spiegel schaute, starrte eine fremde Frau mysteriös lächelnd zurück. Meine Haare fielen weich auf meine Schultern und leuchteten wie dunkles Blut. Überhaupt hatte ich mein altes, unscheinbares Ich wie eine Schlangenhaut abgestreift, und mein Verstand focht einen erbitterten Kampf gegen den Sog, der mich in dieses neue Ich zu ziehen schien. Meine Augen erzählten von einem Leben, das ich nicht kannte und das mir Angst machte. Die Blütenranken waren über mein Schlüsselbein gekrochen, während ein paar lange Triebe sich meine Hals entlang schlängelten. Das Tattoo wuchs von selber. So was gab es nicht. Ich schluckte und versuchte, mich auf irgendwas Reales zu konzentrieren. Giselle hatte kein Wort über meine ungewöhnliche Tätowierung verloren. Aber dann fiel mir ein, in welcher Umgebung der Laden stand, und dass Tätowierungen, welcher Art auch immer, hier vermutlich normal waren. Vielleicht konnte ich sie nach dem alten Chinesen fragen. Giselle stand hinter mir und starrte mich ebenfalls an. Offensichtlich hatte auch sie die enorme Veränderung meines Aussehens überrascht. Spontan drehte ich mich um.
»Das klingt vielleicht etwas blöd, aber ich habe mich tätowieren lassen und das war irgendwie seltsam. Vielleicht kennst Du den Laden ja.«
»Tattoo-Shops gibt es viele. Wo warste denn?«
»Ein kleiner Laden mit einem alten Chinesen. Der Mann hat sehr merkwürdige Dinge zu mir gesagt, die ich nicht verstanden habe. Etwas von Dämonen und Seelen.«
»Nee, Schätzchen, tut mir leid, aber von dem alten Mann habe ich noch nie gehört.«
Giselle klang unbeteiligt, aber etwas in ihrer Stimme störte mich. Bemüht gleichgültig sortierte sie die Bürsten in ihrem Friseurwagen.
»Er nannte sich Ming Shu.« Ich ließ den Klang des Namens mit der Erinnerung verschmelzen.
»Gibt es hier auch Jobs?«
»Klar, horizontal geht immer, aber leg‘ dich nicht mit den Mädchen hier an.«
»Nein, ich dachte eher an einen Thekenjob, oder so.«
»So, ja, dann frag‘ mal Jimmy im Dark Angels drüben und richte ihm Grüße von mir aus.«
»Ja, danke, das werde ich tun.«

Schon von weitem sah ich den blauen Schriftzug über dem Gebäude. Ich schlängelte mich unter den musternden Blicken der beiden Türsteher in den nur von diffusem Licht beleuchteten Innenraum und fragte an der Theke nach dem Besitzer.
»Jimmy ist hinten. Willst Du was trinken?«
Die Frau schaute mich mit unverhohlener Neugier an.
»Danke, nein, im Moment nicht.«
Auch sie wirkte seltsam alterslos und gleichzeitig unglaublich schön. Ich sah mich um. Der Raum war größer, als es mir im ersten Moment vorgekommen war. Und auch wenn das Licht so gedimmt war, dass man kaum Gesichter erkennen konnte, bemerkte ich, dass alle Menschen hier seltsam zeitlos und schön aussahen, wie es mir schon bei Giselle aufgefallen war. Aus dem Dunkel tauchte eine hohe Gestalt auf, die direkt auf mich zu kam. Ein Mann mit kurzen, weißen Haaren und schwarzen Augen, die mich durchdringend ansahen. Er wirkte nicht viel älter als ich und gleichzeitig erzählte sein ruhiger Blick von vielen gelebten Jahren.
»Eve, solltest Du nicht…«
Er guckte genauso irritiert, wie ich es bei Giselle bemerkt hatte. Und beide versuchten dieses heimliche Taxieren vor mir zu verbergen.
»Hallo. Ich bin Jimmy. Was kann ich für dich tun?« Er streckte mir die Hand entgegen.
»Oh, hallo, ich bin – Sandy. Ich soll dir Grüße von Giselle ausrichten. Ich suche einen Job.«
Mittlerweile war ich mir nicht mehr sicher, ob das so eine gute Idee gewesen war.
»Giselle, ja? Hm… ich könnte noch eine Tresenkraft gebrauchen.«
Ich konnte mich kaum auf seine Stimme konzentrieren, vielmehr zog mich eine hypnotische Musik in ihren Bann.
»Was passiert da?«, fragte ich zum hinteren Bereich schauend, wo sich eine Bühne mit einer Metallstange befand.
»Da, meine Liebe, tanzen unsere Engel zu den Rufen der Dämonen.«
Schon wieder. So langsam schien das Überhand zu nehmen.
»Ich glaube, ich scheine ein Problem mit Dämonen zu haben.«
»Haben wir das nicht alle?«
»Ich hatte eigentlich keins. Bisher jedenfalls.«
Jimmy hatte sich auf einen Barhocker neben mich gesetzt und schob mir ein Glas mit einer klaren Flüssigkeit hin. Ich mochte weder Whisky noch andere harten Sachen, aber dieser Drink schmeckte angenehm mild und gar nicht nach Alkohol. Den er aber ganz offensichtlich hatte, denn mir wurde leicht schwindelig.
»Was ist das?«
»Elderschnaps, nie probiert?«
»Hm, schmeckt gut.«
Ich nahm noch einen tiefen Schluck und erzählte von dem Tattoo-Shop und dem alten Mann und seinen kryptischen Bemerkungen.
»Als ob ich unter Drogen gestanden hätte und gleichzeitig so klar wie noch nie denken konnte.«
Jimmy schaute mich lange ohne ein Wort zu sagen an. Er erinnerte mich an einen jungen David Bowie, vielleicht etwas durchtrainierter.
»Und Giselle hat dich zu mir geschickt?«
»Ja, sie meinte, dass Du mir vielleicht weiterhelfen könntest.«
»Von dem Chinesen habe ich noch nie gehört, aber wenn Du willst, kannst Du den Job haben.«
Jimmy hörte sich so beiläufig an, als ob wir über das Wetter geplaudert hätten. Ich hatte inzwischen die neugierigen Blicke und das eigenartige Verhalten satt. So ungewöhnlich sah ich nun auch nicht aus. Ich ging jede Begebenheit im Kopf durch. Die Leute hatten mich angeschaut, als wenn sie mich kennen würden und dann gemerkt hätten, dass etwas nicht stimmte. Mit mir nicht stimmte. Was war mit mir? War es doch die Tätowierung? Ich fühlte mich erschöpft und müde und wollte nur noch ins Bett und schlafen.
»Okay, morgen um gleiche Zeit?«
»Ja – und sag mal, trägst Du immer Anzüge oder hast Du noch was anderes?«
Ich schaute an mir herunter. Ich trug tatsächlich meinen Büroanzug, was mit den roten Haaren und den Dunkel geschminkten Augen total unpassend aussah. Das war es. Die Kombination war echt peinlich. Kein Wunder also.
»Ich guck mal, ja? Bis morgen dann.«
Ich nickte Jimmy und dem Mädchen hinter der Theke zu und machte mich auf den Weg nach Hause. Ich hätte mir gern ein Taxi genommen, aber die schienen in dieser Nacht meine Strecke zu ignorieren. Zu allem Überfluss begann es auch noch zu regnen. Weiche Regentropfen, die lautlos zu Boden fielen.

Am Montag wachte ich morgens so entspannt auf, wie schon lange nicht mehr. Das Tattoo war verschwunden und ich war mir auch nicht mehr sicher, ob es überhaupt jemals existiert hatte. Meine roten Haare hatte ich zu einer unauffälligen Frisur zusammengebunden. Hatte ich mir ernsthaft betrunken die Haare gefärbt? Ich konnte mich nicht mehr so richtig erinnern und schob das auf die leere Weinflasche. So viel zum Thema Langeweile. Im Büro nuschelte ich was von einer Magenverstimmung, aber da ich wieder zur Arbeit gekommen war, interessierte das niemanden so richtig. Hauptsache, ich funktionierte. Keiner erwähnte meine neue Haarfarbe. Auf meinem Schreibtisch stapelten sich Ordner und Hefter. Die unbearbeiteten bildeten Türme auf der linken Seite des Schreibtisches und auf der rechten Seite wuchs quälend langsam ein Stapel mit fertig bearbeiteten Ordnern. Ich verließ erst spät und nach allen anderen das Büro und nach den ganzen Steuerparagraphen und endlosen Berechnungen hatte ich das Gefühl, daß alles davor nur ein verrückter Traum gewesen war. Aber dass der Chianti so reingehauen hatte, hätte ich nicht gedacht. Vielleicht hatte Alfredos Cousin noch was anderes außer Trauben zu Wein verarbeitet.

Ich funktionierte wieder so präzise wie ein Uhrwerk. Steuerbescheide von Neun bis Sieben, danach Pizza, eine Telenovela – kein Wein. Dann endlich Wochenende. Es war ein milder Sommertag und ich musste ganz einfach mal raus. Die Sonne tauchte die Welt in warmes, beruhigendes Licht. Der Lärm der Stadt drang gedämpft durch die Bäume des Stadtparks. Alles war so friedlich. Mütter schoben ihre Kinderwagen durch den Park und ein altes Ehepaar fütterte Enten. Ich saß auf einer Holzbank und genoss den Duft des frisch gemähten Rasens, als die Erinnerung an Jimmy und das Dark Angels wie ein Messerstich in meinem Kopf schmerzte. Meine Finger wanderten am Hals entlang. Der fühlte sich wie immer an. Und außerdem hatte ich Kopf- und keine Halsschmerzen. Also doch kein gepantschter Wein. Ich war einfach nur in einer schrägen Bar versackt – nachdem ich eine ganze Flasche Wein gelehrt hatte. Kein Wunder, dass ich solche Aussetzer und Erinnerungslücken hatte. Seit jenem Abend war ich nicht mehr dort gewesen. Ob ich mich dort überhaupt blicken lassen konnte? Ich beschloss hinzugehen, um mich wenigstens zu entschuldigen. Allerdings hatte ich auch nicht mehr die Absicht, dort zu arbeiten, und ich kam mir selbst komisch vor, wie ich auf diese absurde Idee hatte kommen können. Jimmy würde das hoffentlich verstehen.

Obwohl ich mir sicher war, in welcher Straße sich die Bar und der Friseursalon von Giselle befanden, konnte ich sie nicht mehr finden. Jede Straße sah gleich aus mit ihren sandsteinfarbenen Häusern ohne Nummern. Schließlich stand ich wieder auf der Hauptstraße, die zum Zentrum führte und sich direkt vor mir gabelte. Eine spitze Häuserschlucht ragte wie der gewaltige Bug eines Schiffes in der Mitte hervor. In dem Eckhaus war der Tabakladen, den ich von früher kannte. Das Geschäft war geschlossen. Ein Schild hing hinter der Tür, auf dem die Öffnungszeiten vermerkt waren. Ich bekam eine Gänsehaut. Das Haus war absolut identisch mit dem Friseursalon, als ob jemand zwei Bilder übereinander gelegt hätte. Selbst der Tresen stand an der gleichen Stelle. Nur dass er hier aus dunklem Holz gearbeitet war. Ich starrte die Häuserfront hoch. Die Sonne warf nur kurze Schatten, hier in den Straßenschluchten staute sich staubige Hitze. Außer mir war niemand zu sehen. Die feinen Härchen in meinem Nacken stellten sich auf. Die Erinnerung an den Abend in Jimmys Bar weckte eine schmerzhafte Sehnsucht in mir, die ich nicht greifen konnte.

Die Tage vergingen, und mein altes Leben kam mir noch langweiliger und unbefriedigender vor. Tagsüber prüfte ich Steuerbescheide, und abends lag ich bis in die späte Nacht wach und dachte nach. Es war ein Freitag, etwa vier Wochen später. Ich hatte mich müde aus dem Büro geschleppt und mich zuhause unter die Dusche gestellt. Das warme Wasser rann warm über mein Gesicht und an meinem Körper herunter. Ich griff nach dem Shampoo, als ein brennender Schmerz mich aus der wohligen Entspannung riss. Dort, wo das geheimnisvolle Tattoo gewesen war, konnte ich eine wulstige Erhebung ertasten. Ich schob vorsichtig meine Haare zur Seite. An meinem Hals, hinter dem linken Ohr, pulsierte die Farbe in meiner Haut. Nur dass es diesmal keine Ranken und Schriftzeichen waren, sondern ein Drache, der sich zu bewegen schien, je länger ich ihn anschaute. Was zur Hölle war das? Um mich herum begann sich alles zu drehen und mir wurde schwarz vor Augen.
Ich erwachte erst wieder, als ich durch ein helles Licht geweckt wurde. Wieder war es der Vollmond, der mir ins Gesicht schien und ich glaubte eine Stimme zu hören, die meinen Namen rief. Es war, als würde das mysteriöse, neue Ich mich hinaus in die Nacht ziehen. Das Erscheinen der Tätowierung schien keine Bedeutung mehr zu haben. Auf dem Weg zum Dark Angels hörte ich ein Rauschen wie von heftigem Wind und die Blätter der Bäume bewegten sich, obwohl kein Lufthauch zu spüren war. Nebel stieg aus den Gullydeckeln empor. Ich wollte Antworten in dieser seltsamen, zeitstillen Welt finden. Ich fühlte eine innere Ruhe und gleichzeitig eine raubtierhafte Wachsamkeit. Hinter meiner Stirn pochte es, kein Schmerz, nur ein Druck. Und diesmal fand ich die Bar ohne Probleme. Von weitem sah ich den Eingang, schummerig, irgendwie verschwommen. Das war der Ort, an dem ich jetzt sein sollte. Mein altes Leben blieb blass und leise hinter mir zurück.

Jimmy stand hinter der Theke und begrüßte mich mit einem Stirnrunzeln.
»Wo bist Du gewesen?«
»Tut mir leid, Jimmy, ich habe die Bar nicht mehr gefunden.«
Falls ich die Absicht gehabt hatte, mich nur kurz zu entschuldigen, um dann zu meinem normalen Leben zurückzukehren, war von dem Gedanken nichts mehr übrig. Ich fühlte mich so wohl, wie noch nie zuvor. Ich kannte hier niemanden, es gab keinen logischen Grund für dieses Gefühl, aber das war mir egal. Ich wollte hier sein. Und ich wollte hier nicht mehr weg. Etwas hilflos blickte ich in seine dunklen Augen.
»Ich habe mich noch nie verlaufen.«
»Ja, so was kann schon mal passieren«, meinte Jimmy und schaute mich nachdenklich an.
Ich drehte den Kopf und betrachtete die anderen Gäste, die im Dämmerlicht zu namenlosen Schatten wurden. Auf der Bühne sah ich eine Frau, die mir bekannt vorkam. Ich ging ein paar Schritte in ihre Richtung. Sie tanzte zu berauschender Musik, deren hypnotische Melodie ihren Körper zu modellieren schien. Ich konnte den Blick nicht mehr abwenden. Sie sah so wunderschön aus, dass es wehtat. Das Tattoo an meinem Hals brannte wie Feuer. Je näher ich der Bar gekommen war, umso stärker war auch der Schmerz an meinem Hals geworden. Jetzt brachte mich das Brennen – nicht mehr nur am Hals und hinter dem linken Ohr, sondern auch noch bis weit unter das Schlüsselbein – fast um den Verstand, während meine Blicke wie magisch von der Frau auf der Bühne angezogen wurden. Sie riss den Kopf nach oben und ihre Haare schleuderten wie blutige Flammen um ihren Körper. Obwohl ich etwas weiter von der Bühne entfernt stand, halb verborgen von dem wenigen Licht, hatte sie mich entdeckt und zwinkerte mir zu. Ich erstarrte. Die Frau auf der Bühne war – ich selbst! Ich stand zitternd an die Wand gelehnt und sah sie, mich selbst, auf mich zukommen.
»Hallo. Wie schön, dass Du mich besuchen kommst. Ich bin Eve.«
Ihre Stimme klang weich, hell und so ganz anders als meine etwas spröde Stimme.
»Aber …«
Vorsichtig streckte ich meine Hand nach ihr aus und berührte warme, weiche Haut.
»Wir haben dich schon erwartet.«
Ich ließ ich mich an einen Tisch führen, an dem bereits Jimmy und Giselle saßen.
»Ich verstehe nicht…, wer seid Ihr?«
»Bevor wir dir Antworten geben können, musst Du uns bitte noch mal genau erzählen, was Du erlebt hast, bevor Du hierher gekommen bist. Von Anfang an.«
Ich nahm einen tiefen Schluck von einem bitter schmeckenden Getränk, das Jimmy vor mich hingestellt hatte. Dann beschrieb ich, was von dem Augenblick an, an dem ich den Tattoo-Shop betreten hatte, bis zu dem Moment, wo ich mich selbst auf einer Bühne tanzen sah, passiert war.
»Das ist sehr ungewöhnlich.«
Jimmy, Giselle und Eve schauten sich schweigend an.
Dann begann Jimmy zu erzählen.
»Seit Generationen erzählen Eltern ihren Kindern von einer Legende, in der die Alte Welt auseinanderbrach. Zuerst gab es Hass und Kriege, und einige wenige Menschen wurden sehr mächtig und fingen an, alle anderen zu kontrollieren. Die Menschen waren sehr unglücklich und mussten ihre wahren Gefühle und Wünsche immer mehr unterdrücken. Bis sie schließlich so verzweifelt waren, dass sie anfingen sich gegenseitig zu quälen und zu töten. Es gab jedoch eine Gruppe von Mönchen, die versuchten, diese Entwicklung aufzuhalten. Sie waren mächtig genug Dinge zu verändern. Aber sie waren trotzdem nicht imstande, jenes Übel an der Wurzel auszurotten. Sie sprachen zu den Menschen und auch zu den wenigen Mächtigen der Welt. Doch sie wurden nur ausgelacht und verhöhnt und schließlich jagte man sie und brachte sie um. Drei der Mönche konnten jedoch fliehen und versteckten sich in einem Kloster in den Bergen von Ming Rui Shan. Der Älteste hieß Liu Bai Rui, der Weise Fang Ming Shu, und der Mächtigste der Mönche war eine Frau: Lu Ang Li. Obwohl viele sich auf die Suche nach dem Kloster machten, wurde es nie gefunden. Und auch die drei Mönche blieben verschollen. Der Legende nach missbrauchten sie am Ende ihre Macht, um den Tod ihrer Brüder zu rächen. Ihr Bannspruch teilte die Welt, und es entstand eine Parallelebene, in der die göttlichen Seelen der Menschen Gestalt annahmen.«
Jimmy machte eine Pause.
»Das heißt… Du behauptest, ihr seid die Seelen der Menschen? Und das hier«, ich zeigte um mich herum, »ist alles nicht real?«
»Ja und nein. Der Legende nach sind wir aus den Seelen der Menschen, aus deiner Welt entstanden. Aber wir sind genau so real, wie es deine Welt ist.«
Ich dachte an mein Leben in der Welt, die ich kannte und die ich bisher für die Einzige hielt. Ich fühlte mich noch nicht bereit, die Geschichte zu glauben oder zu begreifen.
»Wir hielten das auch für nichts weiter als eine Geschichte. Wir haben noch nie jemanden aus Deiner Welt gesehen oder davon gehört, dass es Deine Welt tatsächlich gibt, geschweige denn, dass man die andere Welt betreten könnte.«
»Du musst ein besonderer Mensch sein.«
Eve lächelte mich an, und ihr Blick war wie eine Umarmung, die ich mein ganzes Leben lang vermisst hatte ohne es zu wissen.
»Aber wie konnte ich dann überhaupt hierher gelangen? Und warum?«
»Das haben wir uns auch schon gefragt. Wir glauben, dass der alte Mann einer der überlebenden Mönche ist. Das würde erklären, wie der Name des Mönchs in deine Welt gelangen konnte oder wie Du in unsere Welt gekommen bist.«
»Aber dann müsste dieser Ming Shu ja schon mehrere hundert Jahre alt sein.«
»Ja, so abwegig ist das nicht.«
»Ihr seid unsterblich?«
Ich schnappte nach Luft.
»Nicht ganz, aber das ist kompliziert. Wir denken jedenfalls, dass der Mönch von dir gefunden werden wollte. Wir wissen nicht, was ihn dazu bewogen haben könnte, aber er scheint dir einen Schlüssel gegeben zu haben.«
»Das Tattoo!«
Meine Finger berührten mein Schlüsselbein. Eve schüttelte den Kopf.
»Dein Drache hat es sich an Deiner Schläfe bequem gemacht. Seine Schwanzspitze pendelt gemütlich unter Deinem Ohrläppchen.«
»Das ist nicht mein Drache!«
Ich fingerte entsetzt an meinem Haaransatz herum. Reflexartig zog ich die Hand wieder weg, als meine Fingerkuppen anfingen zu brennen.
»Er schnappt nach Dir. Vielleicht lässt Du ihn einfach in Ruhe?« Eve beobachtete den Drachen interessiert.
»In Ruhe lassen? Wie würdest Du Dich fühlen, wenn ein Tattoo als Blume oder Drache erscheint, wie es lustig ist und dann auch noch auf Deinem Körper auf Wanderschaft geht?«
»Das Tattoo ist der Schlüssel. Wir müssen herausfinden, wie genau es funktioniert und was das mit Dir zu tun hat.«
»Genau. Zwischen den Monden ist es scheinbar unbrauchbar, denn sonst hättest Du uns bei deinem Spaziergang ja gleich gefunden.«
Giselle malte mit ihrem Finger unsichtbare Zeichen auf die Tischplatte.
Eve, mein Seelen-Ich, schaute mich fragend an.
»Sandy ist nicht dein wirklicher Name, oder?«
Wortlos schüttelte ich den Kopf.
»Ich heiße Evelyn«, antwortete ich leise.
Bei diesen Worten zwirbelte Giselle nachdenklich ihre Locken um einen Finger.
»Wenn es wirklich Ming Shu war, dann hat er dir nicht ohne Grund den Weg in unsere Welt gezeigt.«
Ich schaute Eve an. Es war so, als wenn ich in meine eigenen Augen, in meine eigene Seele, die ich soeben verloren hatte, blicken würde. War sie es wirklich, und war ich bisher seelenlos gewesen? Denn dann war ich nicht mehr als ein trüber Abklatsch ihrer selbst und nicht umgekehrt. Dieser Gedanke überforderte mein Gehirn. Ich war nie religiös gewesen. Wenn Eve und ich auf diese wie auch immer entstandene Magie verbunden waren, was waren wir dann ohne den anderen? Was blieb von mir übrig? Hier und jetzt, in ihrer Nähe fühlte ich mich sicher. Verwirrt, aber sicher.
»Wenn Du willst, helfen wir dir herauszufinden, was der Mönch gemeint hat.«
»Und wie ich den Drachen wieder loswerde!«
Ich schielte mit den Augen nach rechts und links, obwohl mir klar war, dass ich ihn nicht sehen konnte. Als ob der Drache das gemerkt hätte, zwickte es kurz an meinem Ohrläppchen.
Eve schaute mich an.
»Auch das, falls das überhaupt möglich ist.«
»Na, dann los. Und Du hörst auf, auf mir rumzuwandern«, sagte ich in Richtung des Drachen.
Ich hatte eine Grenze überschritten, von der es kein Zurück mehr gab. Ich wollte das Geheimnis entschlüsseln.


Eve – Das Tattoo ist derzeit noch ein WIP (work in progress) …

Autoren

Das Erdbeer-Interview mit Ricarda Howe (Autorin)

Essen ist ein Grundbedürfnis. Bei Autoren kann man dasselbe über das Schreiben sagen. Schreiben und Essen. Das läßt sich nicht trennen, beides ist Lebensgrundlage und sinnliches Vergnügen zugleich. Je nachdem, was man so isst oder schreibt. Und was hat das jetzt mit Erdbeeren zu tun?

Die Früchte meines Schreibens fanden – als spontane Assoziationskette – ihren Ursprung in einem flüchtigen Tweet, der durch meine Timeline huschte und zu einer entzückenden Bekanntschaft mit seiner Autorin führte.

Toni A. Scott

Essen als Überbegriff für Nahrungsmittel, Getränke und deren Konsum taucht in Filmen, Romanen, Biografien und Bildern auf. Essen ist die romantische Beilage in einer Geschichte, der roten Faden, der entscheidende Hinweis, die Inspiration, ein Lebensgefühl, der Lifestyle, ein Event. Schreiben über das Essen kann alles sein. Nur, daß man sich dabei nicht Überschreiben kann. Oder doch? Orgiastische Schreibanfälle, Schreibsucht, Schreibwahn, künstlerisch dosiertes Schreiben in appetitlichen Häppchen, das Schreiben ist voller Ess-Bilder.

Die Muse ersäuft im Weinglas

Hemingway ist vielleicht das Synonym, wenn es um Schreiben im Alkoholrausch geht. Paris in den frühen Zwanzigern – Hemingway schrieb, feierte, liebte und lebte das savoir-vivre. Jedenfalls assoziere ich das mit ihm. Paris – a moveable feast ist seine Bestandsaufnahme dieser Lebensphase. Buena Vista Social Club, das kubanische Lebensgefühl – dörrende Mittagshitze, Zikaden, heiße Rhythmen in Nachtclubs. Ich stelle mir vor, wie Hemingway in seiner späteren Wahlheimat an einem Tisch sitzt, über das Meer schaut und gleichmäßig die Tasten seiner Schreibmaschine auf das Papier schnellen läßt. Ob sein Anschlag gefühlvoll und zärtlich war oder zackig und kurz wie seine Sätze? Er schreibt. Ich sehe, wie er seinen Schreibdämonen im Rausch zu entkommen sucht, wie er mit einer leeren Flasche Rum durch lehmige Straßen torkelt. Das ist romantisch verklärt und hilft vielleicht, ein Bild zu entwerfen, eine Stimmung zu erzeugen. Die Realität ist nüchtern.

Ratatouille – eine kleine französische Ratte mit Geschmacksknospen, die jeden Paul Bocuse alt aussehen läßt. Formidable. Kochen als Kunst. Kreativität gegen Kritik. Für diesen kleinen Chef ist Kochen kein Beruf sondern Berufung. Das Schreiben stellt einen vor die gleiche Wahl. Es gibt Worthandwerker und Textprostitution. Das kann man von mehreren Seiten betrachten, ich sehe das wertfrei, aber es irritiert so schön, also das mit der Texthurerei. Schreiben ist Brotjob und im selben Maße, wenn nicht noch mehr, von innen heraus drängende Leidenschaft.

Isabell Allende hat das vor Jahren erkannt und in Aphrodite, Fest der Sinne Anekdoten und Rezepte mit erweiterter (lies: aphrodisischer) Wirkung vorgestellt. Kleine Geschichten gewürzt mit Anleitungen zu lukullischen Genüssen und Allendes aus tiefstem Herzen kommende Bejahung der (Schreib-)Lust, um dem Leben trotz seiner faden und toten Momente jeden Tropfen Lebenssaft abzutrotzen. Mehr „Ja“ zum Leben kann man nicht schreiben.

Slainthe math – Stößchen – Prösterchen – ein Toast muß her!

Was wäre James Bond ohne seinen Martini, geschüttelt, nicht gerührt? Miss Marple hätte ohne ihren unverzichtbaren Tee und den noch unverzichtbareren Mr. Stringer sicherlich keinen einzigen Kriminalfall gelöst. Selbst Harry Potter erholte sich von Zeit zu Zeit bei einem Butterbeer und die überraschenden Geschmacksnuancen in Bertie Bott’s Bohnen gehören einfach zur Geschichte dazu. Für die ganz Hartgesottenen empfiehlt sich ein Pangalatischer Donnergurgler, beim dem man sicherlich über den Verlust seines Handtuches hinwegkommt. Wenn man diese Tatsache dann nicht schon längst in einem selig verborgenen Teil seines Unbewußten verstaut hat.

Essen als roter Faden, als Handlungskonflikt oder charakterisierendes Merkmal ist keine neumodische Erscheinung. In den Nibelungen gab es ein Festmahl zur Verlobung Kriemhilds mit uns Siggi (kam bei Brünhild jetzt nicht so gut an), Shakespeare nutze Feten, Feste und üppige Mahle als Bühne für alle Eventualitäten (Mord und Geister bei Macbeth, Verlobung in Viel Lärm um Nichts), die Grimmschen Märchen behandelten Essen als zentralen Konflikt (den Gegebenheiten der Zeit geschuldet): Hänsel und Gretel, Rapunzel, Schneewitchen, Der süße Brei. In der Feuerzangenbowle ist selbige Katalysator für Erinnerungen. Leben Erinnerungen in Geschichten weiter? Sind Geschichten gelebte Erinnerung oder wird die Geschichte zur Erinnerung. Dieser philosophische Ansatz erfreute sich während meiner Studienzeit am Nikolaustag allergrößter Beliebtheit. Im Audi Max konnte man sich den Film anschauen und später dann in kleinerem Rahmen so eine Bowle auf ihre literarische Wirkung hin untersuchen. Natürlich aus rein wissenschaftlichem Interesse!

The same procedure as last year? Natürlich, dusselige Kuh!

Unvergessen und ein Dauerbrenner an Silvester sind Dinner for One und Der Silvesterpunsch mit Ekel Alfred (Ein Herz und eine Seele). Das passende Getränk in der passenden Situation stellt den einen oder anderen Hausherren/-diener schon mal vor Herausforderungen. Und so ganz praktisch und auch im Hinblick auf die Foodbloggerszene gedacht, hat sich mit Jamie Oliver, Tim Mälzer, Stefan Hennsler, Enie backt und Cynthia Barcomi eine Koch-/Backkultur etabliert, die auch den normalsterblichen Herdakrobaten in den Kochhimmel befördert. Mich übrigens eingeschlossen, denn der Herzbeste grillt und kocht, wie es nur ein echter Mann tut. Kochen ist sexy. Schreiben auch. Egal, aus welcher Perspektive, Motivation oder Eingebung heraus man sich dem Essen und dem Schreiben nähert, es mangelt nicht an Beispielen, Inspirationen und Informationen.

Und wie sieht nun die praktische Umsetzung im Autorenleben aus?

Dazu habe ich Ricarda Howe befragt, die mich mit ihren Frühstückserdbeeren zu diesem Artikel inspirierte. Ricarda war sofort von der Idee begeistert und hat meinen Fragen ganz spontan literarisches und kulinarisches Leben eingehaucht:

Du hast ja schon einige fremde Eß- und Schreibkulturen kennengelernt. Was hast Du dabei gelernt, was ist Dir aufgefallen?

Ich liebe Neuseeland, aber nicht wegen des Essens. Das ist sehr britisch. Ganz anders ist es mit Thailand – ich liebe thailändisches Essen: immer frisch, gesund und lecker. Mmh, das Curry – da läuft mir das Wasser im Mund zusammen.
Auf meinen Reisen habe ich gelernt, wie wichtig gutes Essen ist. Das kennt wohl jeder aus dem Urlaub – schlechtes Essen vermiest die Laune. Ich habe aber auch gelernt, dass man das Leben leichter nehmen kann und alles nicht so ernst nehmen muss.

Inwieweit haben diese Erfahrungen Deine Arbeit, Dein Schreiben und natürlich auch Deine Geschmacksnerven beeinflusst?

In Neuseeland freundete ich mich mit einem Neuseeländer an. Er zeigte mir, dass die deutsche Pumpkin Soup (Kürbissuppe) ein Witz ist. Der Löffel muss in der Suppe stehen können und der Cayenne-Pfeffer von innen schön wärmen – dann sei es richtig.
Auf einer Autofahrt fragte er mich irgendwann verwundert, warum ich erst mit 60 Jahren meinen Traum vom eigenen Roman verwirklichen will. Warum nicht jetzt? Er nahm meinen Traum vom Schreiben ernst. Das kannte ich nicht. Die Idee, es mit dem Schreiben zu versuchen, musste aber noch acht Jahre wachsen, bis ich mich traute. Seit letztem Jahr absolviere ich eine Autorenausbildung im Schreibhain Berlin und arbeite nun an meinem ersten Roman. Die Chancen stehen also gut, den Roman noch vor dem 60. Geburtstag zu schaffen.

Würdest Du Dich als Gourmet bezeichnen? Womit verwöhnst Du Deinen Gaumen?

Nee, ich bin kein Gourmet, sondern ein mäkliger Vegetarier (lacht). Ich koche auch nicht gern. Muss ich aber auch nicht, weil Berlin so viele gute Restaurants, Bistros, Cafés usw. hat. Diese Essensvielfalt mit hoher Qualität und zum günstigen Preis ist wahrscheinlich einmalig.

Hast Du einen Tipp, was man in Berlin unbedingt ausprobieren sollte?

Sich vormittags ohne Smartphone oder Laptop in ein Café setzen und einfach mal beobachten – die lauten Touristen, die Coffee-to-Go-Junkies, die Laptop-Leute, die hippen Kellner und Kellnerinnen … Und dann seine Figuren im Roman besetzen.

Wie sieht es mit Arbeiten und Essen aus? Nimmst Du Dir Zeit für Pausen? Wie wichtig ist für Dich das Essen beim Schreiben?

Hungrig kann ich nicht arbeiten. Ich frühstücke daher immer ausgiebig – auch an Wochentagen. Die Mittagspause ist ebenfalls obligatorisch. Am liebsten verabrede ich mich dann in einem Café oder Restaurant mit Mittagstisch. Aber ich gehe auch allein essen. Mir tut es gut, die Pausen nicht vorm Rechner zu verbringen. Die räumliche Entfernung vom Schreibtisch und die Bewegung an der frischen Luft bringen neuen Schwung – und helfen auch bei Schreibblockaden.

Hast Du schon mal über Essen geschrieben?

Essen war bisher nie ein zentrales Thema, spielt aber durchaus eine Rolle in meinen Texten. Es gibt eine Kurzgeschichte mit dem Titel „Der Geschmack von Hagebuttentee“ – die wartet in der Schublade auf die nächste Überarbeitung.

Du beschreibst Dich als Plotter. Machst Du Dir Gedanken, was das Lieblingsessen Deiner Figuren ist, was sie trinken? Welche Rolle spielt Essen für Deine Geschichte?

Nein, bis zur unserem Gespräch auf Twitter hatte ich mir diese Frage nicht gestellt. Ich kenne die Vergangenheit, Schwächen und Träume meiner Figuren, aber nicht ihr Lieblingsessen. Bestellt die Figur eine Currywurst, einen Tofu-Burger oder Austern? Ich glaube, das Essen ist eine schöne Möglichkeit, den Lesern die Figur näher zu bringen. Ich werde das jetzt mal bewusst ausprobieren. Was mich allerdings beim Lesen nervt, ist das Namedropping, z.B. von Wein- und Whiskeymarken oder irgendwelchen Mode- und Luxusmarken – davon habe ich meist gar keine Ahnung. Das sagt mir dann auch nichts über die Figur.

Gibt es Getränke, Snacks oder Gerichte, die Du beim Schreiben bevorzugst? Oder einen bestimmten Tee oder Wein, der Dich in Schreibstimmung bringt?

Nein, eigentlich nicht. Wichtig ist nur, dass ich nicht hungrig und durstig bin. Wenn ich unterzuckere, kann ich nicht denken. Daher esse ich zwischendurch viele Nüsse – am liebsten Cashewnüsse.

Kompensierst Du Schreibblockaden mit Süßigkeiten?

Funktioniert bei mir leider nicht. Ein Spaziergang hilft mir da schon eher. Manchmal wünsche ich mir einen Hund, mit dem ich raus muss. Aber dann könnte ich nicht mehr so viel reisen.
Im Nachmittagstief gönne ich mir gern Schokolade, aber nur die mit 75% und mehr Kakao-Anteil. Davon kann man zum Glück ja nicht so viel essen. Ich jedenfalls nicht. Oder gibt es jemanden, der eine Tafel 80%-Bitterschokolade verschlingt?

Wo schreibst Du? Gehst Du auch mal in ein Café?

Meistens schreibe ich zu Hause im Arbeitszimmer – wenn es warm ist, auch gern auf dem Balkon. Aber die Highlights der Woche sind meine Schreibgruppen. „Gruppe“ ist dabei übertrieben: Wir treffen uns jeweils zu zweit im Café und schreiben gemeinsam drei bis vier Stunden – jeder an seinem Projekt. Wir diskutieren die Texte nicht (das mache ich in der Autorenausbildung). Es geht nur ums schreiben. Aus irgendeinem geheimnisvollen Grund scheinen wir in der Gemeinschaft disziplinierter zu arbeiten. Allerdings habe ich festgestellt, dass dies bei mir nur für die Rohversion von Texten gilt. Für Überarbeitungen brauche ich absolute Ruhe. Da darf noch nicht mal mein Freund mit im Arbeitszimmer sitzen, was ich ihm schwer erklären kann. Ist einfach so.

Fragequiz:

  • Ein Schriftsteller: Mmh, spontan fällt mir Wolfgang Herrndorf ein, weil ich „tschick“ am Wochenende endlich gelesen habe. Die beiden Jungs nehmen vier Tiefkühlpizzen mit auf ihre Autofahrt. Das sagt so viel über die Figuren aus – wirklich super.
  • Ein Buch: Kochbücher. Davon habe ich etliche im Regal – die meisten ungenutzt.
  • Ein Getränk: Einfach Wasser. Auf meinen Reisen habe ich gelernt, dass es nicht besseres gibt, als sauberes, frisches Trinkwasser. Das trinke ich auch zu Hause am liebsten.
  • Ein Film: „Delicatessen“ von Jean-Pierre Jeunet und Marc Caro. Oh ja, das ist jetzt eklig – da werden die Hausmeister verspeist. Ist mir aber als erstes eingefallen, daher lasse ich die Antwort einfach stehen. 🙂
  • Ein Koch: Keine Ahnung. Ich sage daher „Kochhaus“. Hier kauft man die Rezepte mit den Zutaten. Die Arbeitsschritte sind bebildert – so kann selbst ich super lecker kochen 🙂
  • Ein Gewürz: Ingwer. Ich liebe Ingwer – auch als Tee.
  • Geheimzutat: Liebe. Mit Liebe gemacht, schmecken auch einfachste Dinge.
  • Schlimmstes Esserlebnis: Flugumleitung wegen Schneefall in Madrid. Wir fuhren mit dem Bus durch halb Spanien. Auf den Rasthöfen gab es nur Fast-Food mit Fleisch – nichts für Vegetarier. Ich war am Verhungern als ich ein dreieckiges Käse-Sandwich in einer Plastikverpackung erstand. Ich kaute darauf rum, schluckte, würgte. Mehr als einen Bissen bekam ich nicht runter. Das ist schon acht Jahre her und ich erinnere immer noch an dieses Gefühl von altem Gummi im Mund.
  • Sinnlichstes Esserlebnis: Auf einer Insel in Vietnam. Eine lange gedeckte Tafel unter Lichterketten. Warmer Wind auf der Haut. Sternenhimmel. Neben mir mein Freund, um uns herum fremde Menschen aus der ganzen Welt. Der Inhaber des Guesthouses kocht ein Viergänge-Menü. Ein Genuss für Augen, Nase, Mund und Seele. Damals dachte ich, Frieden und Harmonie sind so einfach: Gemeinsam gut essen macht glücklich.
  • Dein ultimativer Schreibgenusstipp: Eine Schale frischer Erdbeeren und der Blick aufs Meer. Ach, ich vermisse in Berlin so sehr das Meer!
  • Dein Schreibmotto: Träume leben!
Ricarda Howe (Bildrechte mit freundlicher Genehmigung)

Ricarda Howe, Autorin und Projektmanagerin, lebt und schreibt in Berlin, liebt Erdbeeren und die Ostsee und arbeitet aktuell an ihrem ersten Roman. Wer Ricarda auf ihrem Weg zum ersten Buch und den Tücken des Mansukriptes begleiten möchte, besucht sie doch einfach auf ihrem Autorenblog schreibsüchtig!

Schreibworkshop

Schreibworkshop | little blogshop

Von September 2012 bis August 2013 habe ich hier auf little edition einen Schreibworkshop angeboten, der sich primär an Blogger richtete. Mir war aufgefallen, dass viele Blogger ganz tolle Blogs anboten, dass das Schreibhandwerk aber stiefmütterlich behandelt wurde oder auch eine Attitüde des „Hauptsache, die Bilder sind schön“ mitschwang.

Schreiben kann man lernen, genauso, wie man Photographieren lernen kann und Websiten aufsetzen. Nicht jeder hat Lust dazu oder auch die Einsicht, dass der eigene Text noch Entwicklungspotential hat. Aber die, die damals mitgemacht haben oder auch nur passiv mitgelesen, haben mir über ihr Feedback gezeigt, dass Schreiben lernen keine Quälerei sein muss, sondern spannend, lustig, unterhaltsam und auch einen persönlichen Entwicklungsprozess anstoßen kann.

Seit 2012 ist nun viel Zeit vergangen und Blogs und Blogger haben sich verändert, weiterentwickelt, umstrukturiert. Trotzdem denke ich, dass dieser Workshop nach wie vor seine Daseinsberechtigung hat und Neueinsteigern, wie auch alten Bloggerhasen als Anregung dienen kann. Denn zu allererst sollte Schreiben Spaß machen und das möchte ich vermitteln!

Die elf Kapitel des Schreibworkshop möchte ich hier auch weiterhin zum Lesen und Ausprobieren anbieten. Und natürlich freue ich mich sehr über Feedback! Schreibt mir unter hello@toni-scott.de.

Eine Übersicht der Kapitel:

Schreibworkshop

little blogshop | Blogartikel schreiben, wie fange ich an?

Jeder kann Geschichten erzählen, lustige Anekdoten zum besten geben oder über einen Sachverhalt berichten. Deswegen gibt es Blogs. Weil Menschen ihre Geschichten erzählen wollen, ihre Erfahrungen teilen und sich über dieses Medium mit anderen, Gleichgesinnten, austauschen möchten. Insofern ist die Motivation, ein Blog zu starten, eigentlich bei allen dieselbe. Je nach Schwerpunkt der eigenen Interessen gibt es rein informative und sehr sachlich gehaltene Blogs, geradezu professionell gestaltete Magazine, interaktive Blogs…
Egal, unter welcher Sorte Dein Blog eingeordnet werden könnte, wir wollen uns ausschließlich mit dem Text beschäftigen. Ein schickes Layout ist der Rahmen, in dem wir unsere Inhalte präsentieren. Photos und Zeichnungen ergänzen und vervollständigen das, was wir erzählen, beschreiben und berichten. Sie sind schmückendes Beiwerk. Das Topping oder Icing, also der Schlag Sahne obendrauf. Denn das Blog begann einmal als online Tagebuch, bestehend aus: Text. Wenn wir nun einen Artikel schreiben, dann wollen wir eine Geschichte erzählen.
Wir wollen dem Leser Informationen anbieten, wir nehmen ihn mit auf eine emotionale Reise und wir unterhalten den Leser. Fassen wir diese Kernpunkte noch einmal zusammen: Information, Gefühl, Unterhaltung. Diese drei Faktoren finden sich in absolut jedem Text, allerdings mit unterschiedlicher Gewichtung. Dieser Analyseansatz findet sich auch der von Hans-Peter Förster entwickelten Methode der „4-Farben-Sprache“ aus dem Konzept Corporate Wording® wieder*. Dort geht es allerdings um professionelle Werbe-/Texte, und wir unterscheiden vier Kategorien: Information, Garantie, Gefühl, Erlebnis, auf die wir Texte hin analysieren können. Sein Konzept ist aufschlussreich und hilfreich, auch wenn es eigentlich auf ganz basalen Interpretationsansätzen fußt. Er hat dem Kind nur einen Namen gegeben und es als Marke schützen lassen. Manchmal brauchen wir jemanden, der das Offensichtliche offensichtlich macht. Obwohl ich zugebe, daß ich den Titel „Texten wie ein Profi“ etwas unglücklich finde. Er erinnert mich doch sehr an Zeitungsannoncen mit Weiterbildungen wie „Schreiben Sie einen Bestseller in vier Wochen“. Ansonsten spreche ich hier ganz offen (und unbezahlt) eine Empfehlung für H.-P. Förster und das Corporate Wording® aus.
Machen wir aber mit unserem Text weiter. Wir haben etwas erlebt, entwickelt, gebaut, genäht, gekocht, herausgefunden, und wir möchten dies dem Leser mitteilen.
Phase 1: Das Thema steht. Und der Leser soll das dann ja auch mit Genuss lesen. Als Autor stelle ich mir also im Laufe der Artikelentwicklung ein paar Fragen:

  1. Was will ich mit meinem Artikel erreichen?
    Das kann man in 2 Sekunden beantworten oder in zwei Stunden. Nimm Dir zu Beginn etwas Zeit.
    Phase 2: Nun kann ich in Stichpunkten sammeln: Gab es einen besonderen Anlass, der mich zum Schreiben dieses Themas gebracht hat. In welcher Stimmung war ich dabei, welche Gefühle möchte ich mit dem Leser teilen? Welche Fakten muß ich in dem Artikel unterbringen. Rezepte, Zutaten, Angaben von Orten, Personen, Materialien, Gedanken, Gefühle, die mit dem Thema zusammenhängen, Links, Bilder, Verweise, Angaben zu Urhebern,…
    Nun schnaufen wir einmal durch, trinken eine Tasse Tee und dann beginnt…
    Phase 3: Wir schreiben den Artikel.
    Dabei müssen wir unsere Stichpunkte nicht chronologisch abarbeiten, sondern erst einmal frei Schnauze los tippen oder (das soll es auch geben) mit dem Stift in der Hand auf Papier. Wenn ich denke, ich habe den Text fertig, kommt…
    Phase 4: ich lese meinen „Rohtext“ für mich selber einmal durch und habe dabei die nächsten beiden Fragen im Hinterkopf:
  2. Enthält mein Text alle relevanten Informationen?
    Jetzt können wir doch mal einen Blick auf unsere Stichpunktliste werfen.
  3. Wo steht der Leser gefühlsmäßig am Ende meines Artikels?
    (Dies ist eine Überprüfung von Frage 1.) Will er das, was ich gemacht habe, nachmachen; kann er das mit Hilfe meines Artikels auch, hatte er einen schönen Zeitvertreib beim Lesen, hat er die für ihn wichtigen Informationen bekommen, die ihm weiterhelfen?

Manchmal sind die Grenzen fließend, manchmal lassen sie sich klar voneinander abgrenzen. Eigentlich hört sich das alles schon sehr nach fortgeschrittener Textarbeit an. Und dabei ist das doch unsere erste „Stunde“. Das macht gar nichts. Denn es geht heute darum, zu überlegen, was ich als Autor mit meinem Text überhaupt erreichen will, wo ich den Leser hinführen möchte und (sehr werberelevant!!!) welchen Nutzen er davon hat. Wir erinnern uns: Information, Unterhaltung, Gefühl. Je höher meine Textqualität, umso höher und wahrscheinlicher ist das erfolgreiche Beantworten der Fragen, die wir uns eben gestellt haben.

Und wenn unserem Leser der eine Artikel gefallen hat, dann gefällt ihm vermutlich auch ein nächster und er kommt wieder. Das sind die Weichen für unseren generellen Anspruch an unser Blog: Leser finden und auch halten! Der ein oder andere möchte mit seinem Blog vielleicht sogar Geld verdienen oder wäre dieser Idee grundsätzlich nicht abgeneigt. Es wäre aber sehr naiv zu glauben, daß wir mit einem Blog über das aufregende und spannende Leben einer Mittelschichtsfamilie in einer Neubausiedlung, mit dem Hamster Ferdinand als Höhepunkt, demnächst Prada als Sponsor anlocken. Das mag herablassend klingen, aber für den Erfolg eines Blogs, wie auch immer wir diesen Erfolg definieren (Leser haben, Preise gewinnen, in einer Zeitschrift erscheinen, Geld verdienen) ist die Basis eine realistische Einschätzung unserer Fähigkeiten, die sich natürlich weiter entwickeln und verbessern. Und so wächst und gedeiht ein Blog und Ziele und Möglichkeiten können angepasst werden.

In dem Moment aber, wo wir Sponsoren als „Kunden“ haben und deren Werbebanner schalten, möchten unsere Kunden natürlich gerne, präzise und vorher wissen, welchen Nutzen sie davon haben, uns ihr Geld zu geben. Und der Nutzen besteht nun einmal ganz schlicht in vielen Lesern, die sich dauernd auf dem Blog tummeln und dann natürlich Zeit haben, Werbebanner anzuklicken und Produkte des Sponsors zu kaufen. Aber Werbebanner für Nagellack auf einem Angelsportblog??? Funktioniert nicht. Werbebanner für einen Floristen, falls das Angeln mal wieder länger gedauert hat – ja, das klappt schon eher. Sponsoring und hauptberufliches Bloggen ist ein Thema für sich, aber nicht hier und jetzt und heute. Wir möchten erst einmal, und für den Anfang reicht das auch völlig, lernen, wie wir unsere Leser durch den Text ansprechen, neue Leser durch ansprechende Texte auf uns aufmerksam machen und sie dermaßen von uns, unserem Blog und den darin enthaltenen Texten begeistern, daß sie alle gerne und regelmäßig wiederkommen.

Es lohnt sich also, sich als Blogger mit der eigenen Textqualität zu beschäftigen!

Unser Rohtext ist bisher noch so jungfräulich wie feuchte Tinte auf dem Papier oder wie ein Whisky, ein Champagner oder auch ein Käse. Er muß erst zu vollem Aroma reifen. Das braucht Zeit. Abhängig davon, um welches Thema es geht und wie zeitkritisch gebloggt werden soll, können das ein paar Tage sein (auch Wochen) oder auch nur eine Nacht. Letztere sollte aber grundsätzlich obligat sein. Indem ich meinem Rohtext Zeit gebe und zum Beispiel am nächsten Morgen mit einem frischen Kaffee erneut drauf schaue – upps,schon Phase 5! – sehe ich den Text mit mehr Abstand. Ich kann noch einmal die drei Fragen durchgehen und eine Qualitätsprüfung ausführen. Ist die Anekdote auch heute Morgen noch lustig, will ich einen Gedanken oder ein Gefühl immer noch mit dem Leser teilen, habe ich alle relevanten Informationen zusammen getragen, habe ich vielleicht etwas vergessen…

Dann erst wird offiziell gepostet und der Text dem WorldWideWeb ausgesetzt. Und damit unseren Lesern. Und die Rückmeldung gibt es prompt, Besucherzahlen und Kommentare, geteilte Links und Likes sind Anerkennung und Bestätigung, daß das, was wir da geschrieben haben, für jemanden wertvoll ist. So wertvoll, daß er uns seine Zeit schenkt. Daraus wird im Umkehrschluss auch eine Verpflichtung: als Blogger habe ich meine Leser gefälligst nicht zu langweilen, sondern zu verführen, inspirieren, motivieren, unterhalten, unterstützen, zum Lachen zu bringen, zu Tränen zu rühren, in Aufregung zu versetzen, neugierig zu machen, zu entspannen, zum Träumen zu verleiten, hungrig zu machen, zum Staunen zu bringen, durch den Tag zu begleiten, mit Liebe zu verwöhnen, zu überraschen, zum Innehalten zu bewegen, wertzuschätzen, anzulocken, zu begeistern, auf meine Reise mitzunehmen, wie einen Freund zu behandeln…

Wir haben nun ein kleines Gerüst, an dem wir unseren Text entwickeln können. Mit den fünf Phasen und den drei Fragen läßt sich arbeiten, damit wir am Ende eines sehr genau wissen: was wir da eigentlich geschrieben haben und warum! Und jetzt wird es für Euch spannend.

Jetzt sollt Ihr nämlich loslegen. Die Übung für diesen Monat sieht so aus: Schreibe zu einem der drei Themen „Whisky“, „Champagner“, „Käse“ einen Text. Keine Photos, Bilder, kein Tüddelü oder Chi-chi…!


Eine Übersicht über alle Kapitel des little blogshop findest Du HIER.

Schreibworkshop

little blogshop | Das Blogger-ICH

Ich besitze ein Blogger-Ich. Du auch. Ach, das wußtest Du noch nicht? Gut, dann darf ich Euch vorstellen. „Blogger-Ich“ – Du, Du – „Blogger-Ich“. Aber wer oder was ist denn nun dieses Blogger-Ich? (Ich schreibe hier vom Blogger-ICH, weil sich der Workshop zuerst an Blogger richtete. Ich selbst habe mich nie als Blogger gesehen und habe an anderer Stelle über das Schreib-ICH oder Autoren-ICH im Bereich Selbstvermarktung für Autoren geschrieben. Der Gedanke dahinter ist derselbe.)

Es ist – wie fast immer im Leben – eigentlich ganz einfach. Du, ich, die Menschen sind individuelle Persönlichkeiten mit Charaktereigenschaften. Und unser Leben besteht aus verschiedenen, unterschiedlichen Bereichen, die sich mal mehr, mal weniger überschneiden. Beruf, Familie, privates Umfeld … und so haben wir eine unglaubliche Anzahl an Persönlichkeitsanteilen, die an den jeweiligen Bereich angepasst sind. Wir sind also Frauen und Männer, Mütter, Väter, Töchter, Söhne, Enkel, Nichten, Onkel, Schwester, Schwager, Nachbar, Kollegin, Freundin, Kumpel, Chef, Mitarbeiter, Angestellter, Patient, Gast, Kunde, die nette Frau hinter der Theke, das ernste Gesicht hinter dem Schreibtisch, der Flirt vom Flughafen, der verständnisvolle Therapeut, das Gesicht aus der Werbung, der Komiker, der Typ auf dem Nebensitz im Kino, die Frau aus dem Workshop … (ich weiß, Du hast es begriffen, es hat nur so Spaß gemacht!)

Jeden Tag bewegen wir uns in unzähligen Situationen, in denen wir uns anpassen. Dabei hilft uns die gute Erziehung, ein paar Manieren und kulturgesellschaftliche Normen und Konformitäten. Bei dem einen mehr und besser, bei dem anderen – naja. Und was hat das jetzt mit dem Blogger-dings zu tun? Nun, in dem Moment, wo wir überlegen, ein Blog zu schreiben, in dem Moment erschaffen wir automatisch eine neue Identität. Nämlich das Blogger-Ich. Ich denke, wir waren alle gleich aufgeregt, als es endlich mit dem eigenen Blog losging, als wir geplant und geträumt haben. Und wir alle haben vermutlich eine ganze Weile darauf rumgedacht, welches Layout uns gefällt, was wir posten wollen, wie schick das dann hinterher aussieht, wie man das Blog noch ein bißchen netter, persönlicher, professioneller gestalten könnte. Wir nutzen Apps und Plugins und Widgets und Photoshop … um alles so schön wie möglich aussehen zu lassen. Wir, genau: Lieschen Meier, Jutta Müller, Horst-Günther Striebeck. Wir denken uns ganz tolle Namen für das Blog aus, wenn wir nicht selber schon mit Hollywood-reifen Namen gesegnet wurden. Und wozu der ganze Aufstand? Weil wir uns nett und ansprechend und einladend präsentieren wollen. Jeder macht das. Und dazu gehört eben auch das Blogger-Ich, unsere Autorenidentität.

Wenden wir uns nun einmal kurz der anderen Seite des Blogs zu, dem Leser. Was wäre ein Blog ohne Leser?

Vielleicht ein bißchen einsam und total sinnlos. Also gilt es, mit dem Blog Leser zu gewinnen und zu halten. Das sind am Anfang noch Mutti und Onkel Dieter und die beste Freundin und unsere Nachbarin. Aber auf magische Weise zieht das Blog immer größere Kreise und es lesen nicht mehr nur Leute aus unserer Straße, aus unserer Stadt, da klickt plötzlich jemand aus Timbuktu, aus Island und Amerika. Wenn wir nicht schon persönlich da waren, dann wissen wir zwar, daß es Amerika und Island grundsätzlich und ersteres laut Kolumbus ganz konkret geben muß, der Beweis folgt aber erst als Kommentar unter einem Artikel, als Like bei Pinterest. Casey McIntosh aus Minnesota hat uns besucht. WOW und – upps. Wir teilen, was auch immer wir geschrieben und gepostet haben, mit wildfremden Menschen, die sich aufgrund unserer Beiträge ein Bild von uns machen. Nun, vielleicht ist es mir schnurzpiepsegal, was Casey aus Minnesota von mir hält, aber unser Blogger-Ich ist eine öffentliche Person und je nach Blog sogar ein Blogger-VIP. Wir haben so viel Zeit, Energie und Kreativität in unser Blog gesteckt, warum sollten wir dann bei uns selber halt machen?

Wir sind also wieder bei unserem Blogger-Ich gelandet. Wer wollen wir sein, wie wollen wir uns präsentieren? Nun mag bei manchem der Gedanke aufkommen, daß das dann vielleicht nicht echt ist? Nein, es ist schon echt. Es ist nur reflektiert und selektiv: Stellen wir uns eine Weihnachtsfeier, einen Empfang, einen Kongress vor. Ihr seid dort als Kollege, als Redner oder Gast und werdet fremden Leuten, Geschäftskollegen, der Frau vom Betriebsrat, dem Harvardprofessor vorgestellt. Wie zeigt Ihr Euch? „Boah, ey, krass Alter, Harvard, sachste??!!“ Wenn ihr damit extrem authentisch bleibt, ja, ansonsten…?

Es geht darum, daß wir nicht jedem unsere ungeschminkte Montagmorgenpersönlichkeit offenbaren, sondern in den Fällen doch eher auf ein Sonntagssein zurückgreifen. Da unsere Leser nicht direkt von Auge zu Nase vor uns sitzen, sind sie ein (ziemliches) Stück weit anonym. Und so anonym läßt sich manches leichter aussprechen, verleitet aber auch dazu, intime Grenzen zu überschreiten, derer man sich vielleicht gar nicht bewußt ist. In modernen Fantasyfilmen zum Beispiel wird gerne mit diesem Klischee gespielt: ein extrem adipöser, leicht perverser Kerl schlüpft über Computer in die Rolle einer supersexy Blondine … ( Bilder, die wir jetzt nicht in unserem Kopf behalten wollen).

Mit unserem Blog haben wir eine Blogger-Identität geschaffen. Wir sind das Gesicht dahinter. Und unsere Leser sind neugierig. Neugierig auf das, was wir schreiben, vorstellen, posten, aber auch auf den Privatmensch dahinter. Habe ich einen sehr privaten Blog … Reihenaus, Meerschweinchen, die Geburtstagsparty von Onkel Dieter … dann mag man sich die eine oder andere Freiheit erlauben. Aber die meisten bloggen für eine sehr große Anzahl von Lesern. Das Ding mit den Sponsoren ist uns ja im letzten Kapitel schon über den Weg gelaufen. Und auch, wenn das nicht zwangsläufig hauptberuflich stattfindet, bedeutet das, wir sind öffentlich. Und das bringt uns zu den „Über mich“-Seiten. Bei Bloggern ein gefürchtetes Gespenst. Was soll ich über mich erzählen? Öhhh, ähhh, jaaaa – kicher.

Eigentlich erfährt der Leser ja eine große Menge über Euch (und auch mich) über die Texte, die Bilder, das Layout. Aber weil das ja die Sonntagspersönlichkeit ist, möchte unser Leser auch noch ein Paparazzi-Photo von uns, ungeschminkt, mit Bad-Hair-Day, im Supermarkt haben. So mal in Bildern gesprochen. Er möchte wissen, wie es hinter der kreativen Blogfassade aussieht. Das schafft Nähe und Identifikationsmöglichkeiten für den Leser, der Euch als Blogger, als etwas Besonderes, als Persönlichkeit, als Blogger-VIP, als Blogger-Prominenz wahrnimmt. Ich sage dazu ja gerne: „Wenn Prinz Charles pupst, stinkt das auch nicht besser!“ Also gönnen wir ihm (dem Leser, nicht Prinz Charles) den Spaß und plaudern aus dem Nähkästchen. Aber mit Bedacht! Man kann so eine “Über-mich”-Seite ganz individuell und so episch gestalten, wie man mag. Ich habe beim Stöbern viele nette Ideen gesehen. Ob eher anonym oder die ganze Lebensgeschichte und Photos im Schlafanzug.

Wo setzt Ihr Eure Grenze, welches Bild wollt Ihr vermitteln?

Der Leser vermutet nämlich, wenn er mehr Privates oder Motivation und Beweggründe des Autors (des Blogger-Ichs) erfahren würde, würde er das Blog anders wahrnehmen, könnte er noch mehr aus dem Inhalt herausziehen. In der Literaturwissenschaft spricht man von Konzeptionsgeschichte. Was war rund um den Autor los: kulturhistorische und politische Situationen, persönliche Situation, Freunde, Familie, Vorbilder, Konflikte, Entwicklung, Einflüsse … (all das hat Konsequenzen auf das künstlerische Werk und ich frage mich, was da bei Christo schief gelaufen ist, daß er alles und jeden einwickelt …).

Als Autor vertrete ich persönlich die Ansicht, daß meine Texte für sich sprechen und ich darin und über sie mit dem Leser kommuniziere. Das setzt allerdings voraus, daß sich der Leser auch etwas intensiver mit meinem Text beschäftigt. Was wiederum von der Qualität des Textes abhängt.
Anders gesagt: je besser die Texte, umso weniger brauche ich ein „Über-mich“, um das Blog mit Leben zu füllen. Auf der anderen Seite, je besser das Blog, umso mehr möchten meine Leser sich mit mir identifizieren, mich genauer kennenlernen. Denn dann gehört mein Blogger-Ich zu ihrem Leben, so wie ein Charakter aus einem Buch oder einer Soap.

Es ist also sehr wichtig für uns, zu wissen, wie wir uns präsentieren wollen, und was wir mit unseren Lesern teilen wollen. Damit unsere Leser genau das erfahren, was sie wissen müssen, um unsere Inhalte (weitestgehend) in unserem Sinne zu verstehen.

Nehmt Euch doch einmal etwas Zeit und überlegt, wie Ihr von Euren Lesern gesehen und wahrgenommen werden wollt. Vielleicht wollt Ihr das auch aufschreiben? Ganz zwanglos und wie ein Brainstorming. Schmeißt mal ein paar Eigenschaften in den Raum: kreativ, lustig, chaotisch, modebewußt, kompetent, niedlich, vorbildlich …

In dem Ihr Euch mit Eurer Blogger-Identität auseinandersetzt und der Frage nach Selbst- und Fremdwahrnehmung über das Blog, schärft Ihr Eure Sinne für Inhalte und Intention.

Was ist meine Aussage, was vermitteln meine Inhalte. Aber auch als Leser seht Ihr Blogs anders. Nicht zwangsläufig im negativen Sinne kritisch, sondern vielmehr bewußter und unter eben diesen Gesichtspunkten.
„Über-mich“-Seiten oder „About“-Seiten sind nur ein kleines Puzzlestück in unserem Gesamtkonzept Blog. Aber auch dieser Teil sollte bedacht werden. Wir sollten uns (schon wieder) bewußt machen, wie wir wahrgenommen werden wollen, welche Wahrnehmungserwartung wir also an unsere Umwelt stellen. Und wir sollten auch ebenso bewußt überlegen, wer unsere Leser sind, was sie von uns erwarten und wissen wollen. Und danach richten wir die „About“-Seite ein.

Wir teilen persönliche Informationen, die wir bereit sind, mit jedem unserer Leser zu teilen und die unser Blogger-Ich widerspiegeln und repräsentieren. In der Werbung haut man dem Kunden das Wort „Corporate Identity“ um die Ohren. Gesamtauftritt aus einem Guss. So erst werden und bleiben wir authentisch und ehrlich. Und das ist ja das, was Blogs so erfolgreich macht.


Damit Ihr aber nun nicht in multiple Blogger-Persönlichkeiten verfallt, habe ich mir eine, wie ich finde, ganz prima Übung für diesen Monat ausgedacht, von der ich denke, daß sie Euch ganz besonders viel Spaß machen wird.

Und hier kommt die neue Übung für diesen Monat: Schreibe eine About-Seite („Über-mich“-Seite) für das fiktive Blog „ Süße Träume“ von (der ebenfalls fiktiven) Marlene oder „Schnapp-Schuss“ von Bernhard. Alles ist möglich!


Eine Übersicht über alle Kapitel des little blogshop findest Du HIER.

Schreibworkshop

little blog-shop | Adverbien, Freund oder Feind?

Die Adverbien … früher oder später kriegen sie Dich. Das heißt, wir kriegen es mit ihnen zu tun und müssen uns überlegen, auf welcher Seite wir stehen. Adverbien werden als Umstandswörter bezeichnet, die den Inhalt eines Satzes ergänzen, in dem sie Geschehnisse, Verhältnisse, Ereignisse näher beschreiben, also die Fragen Wo/Wann/Warum/Wie beantworten.
Adverbien lassen sich in
• Lokaladverbien (Wo/Wohin/Woher): hier, draußen, rechts, dort, vorn, irgendwo, neben, über, unter, hinter, diesseits, längsseits, jenseits …
• Temporaladverbien (Wann): damals, nachher, später, morgen, übermorgen, gestern, bald, bisher, sofort, oft, manchmal, endlich, täglich, inzwischen, neulich…
• Kausaladverbien (Wieso/Weshalb/Warum): nämlich, sonst, dennoch, deshalb, also, darum, trotzdem, sicherheitshalber, folglich, somit, weil…
• Modaladverbien (Wie/Wie sehr/ Wie viel): vielleicht, gerne, leider, äußerst, hoffentlich, kaum, so, wirklich, anders, möglicherweise, ebenfalls, kaum …
einteilen. Sie sind nicht flektierbar und einige wenige lassen sich steigern.

Im Zusammenhang mit Adverbien muß man auch Adjektive betrachten. Ich habe noch „Adjektive = Wie-Wörter“ gelernt. Adjektive beschreiben, wie etwas ist. Man kann sie steigern (schön, schöner, am schönsten) und sie sind flektierbar (also passen sich dem Kasus an: Nominativ = Wer/Was, Genitiv = Wessen, Dativ = Wem, Akkusativ = Wer/Was → die schöne Welt, der schönen Welt, der schönen Welt, die schöne Welt).
Schön, weit, lang, einfach, schnell, grob, lustig, grün …
Feierlich, schmutzig, traumhaft, mühsam, blumig … – aus Substantiven gebildet.
Lösbar, schweigsam, fragend, ersehnend … – aus Verben gebildet.

Eine Abgrenzungsregel zu Adverbien ist folgende:
Adverbien stehen beim Verb, Adjektive beim Substantiv.
Leider haut das nicht immer hin und in dem unten aufgeführten Artikel* gibt es dafür auch ein schönes Beispiel. Hier kommt meins:

  1. Das gute Bügeleisen gefiel.
  2. Das Bügeleisen bügelt gut.
  3. Das Bügeleisen ist gut.

Adjektive können als attributive Adjektive ganz stinknormal benutzt werden (Satz 1). ABER eben auch als adverbiales Adjektiv (Satz 2) und da klappt es nicht mehr mit der Regel, weil das Adjektiv wie ein Adverb nun beim Verb steht. Die dritte Möglichkeit ist das prädikative Adjektiv (mit „sein“ als Hilfsverb, Satz 3).

Soviel und auch nicht mehr zu den technischen Details und Tücken!
In der Literatur und im Kreativen Schreiben ist es nun so, daß Adverbien ganz, ganz böse sind. Umstandswort = umständlich. Sie dehnen den Satz und die Aussage wie Kaugummi. Und das führt dazu, daß die Spannung flöten geht, die Aufmerksamkeit des Lesers ermüdet und der rote Faden, der Handlungsstrang, der Spannungsbogen unter der Last der Adverbien zusammenbricht.

In der Literatur, in einer Geschichte führt der Autor den Leser vom Beginn zum Ende. Der Leser soll natürlich bei der Stange bleiben und sich deswegen mit den Charakteren identifizieren, sie ablehnen, sie mögen, sich interessieren und in jedem Fall eine Beziehung zu ihnen aufbauen. Das hat immer dann besonders gut geklappt, wenn wir auf der letzten Seite ganz traurig sind, weil die Geschichte (das Buch) nun zu Ende ist. Adverbien und Adjektive können uns helfen, eine Situation näher zu erklären, die Handlung plastischer zu gestalten und die Umstände (!) zu erläutern. Sie können aber auch Offensichtliches wiedergeben und damit die Phantasie des Lesers im Keim ersticken und ihn langweilen.

Beispiel: Heißer Dampf trat stoßweise aus dem Bügeleisen, als sie entschlossen den zerknitterten Hemdkragen auf dem Bügelbrett ausbreitete.
Wenn aus einem Bügeleisen Dampf austritt, ist anzunehmen, daß er heiß ist. Merke: „heiß“ ist böse – streichen! Bei normalen Bügeleisen tritt der Dampf stoßweise aus. Aber ist das für die Geschichte von Bedeutung?? Und wenn ja, warum??? Keine Antwort? Weg damit!

Bei dem „zerknitterten Hemdkragen“ sieht es schon anders aus. Der Hemdkragen sagt uns, daß es einem Träger, Komma männlich, gehört. Das könnte wichtig sein. Ist der Träger Teil der Geschichte? Ist es ein Hinweis auf die emotionale Verfassung der bügelnden Frau? Erzählt es uns etwas über die Beziehung zwischen den beiden? Das „zerknittert“ muß hinterfragt werden. Ist es für die Geschichte wichtig, daß es zerknittert ist? Ist es eine Metapher und steht in engem Zusammenhang mit der Geschichte? Oder ist es nur ein überflüssiges Detail, denn warum sonst sollte jemand einen Hemdkragen bügeln, wenn er nicht eben „zerknittert“ ist?

Viel spannender wäre doch die Tatsache, einen tadellosen Kragen zu bügeln, weil wie uns dann fragen, WARUM?! Und was ist mit „entschlossen“? Geht diese Handlungsdynamik bereits aus der Situation hervor, dann kann man es getrost streichen. Ist es wichtig für den Spannungsbogen, für die Geschichte? Brauchen wir wirklich Entschlossenheit an dieser Stelle?

Merke: Der Gebrauch von Adverbien/Adjektiven will wohl überlegt sein.

Infodumping und Show, don’t tell.

Wir bekommen jedes Detail beschrieben, ob wir nun wollen oder nicht. Das ist Infodumping. Oft passiert das zu Beginn einer Geschichte und der Leser kriegt ein Backgroundbriefing anstelle von spannender Handlung, durch das er sich erst mühsam durchlesen muss. Ganz wunderbare Beispiele habe ich in dem Buch von Susan Elisabeth Phillips, Küss mich, wenn Du kannst (ja, es war ein Geschenk) gefunden. Und die eigentliche Dramatik liegt darin, daß ich das Buch an willkürlichen Stellen aufgeschlagen habe und immer und sofort einen Satz gefunden habe, der als Beispiel taugt. „Er trug ein langärmeliges gelblich graues Seidenhemd und eine passende Hose aus diesen Mikrofasern, die sich bei jeder Bewegung an seine Beine schmiegten.“(S. 192) „… ein preiselbeerfarbenes Baumwoll-Twinset und Bermudas“ (S. 210), „…mit dem gelben Band ihrer Gänseblümchen-Swatch-Uhr.“(S. 212 ) „Die Baseballkappe saß so tief über den Ohren, dass nur die lockigen Enden der blonden Haare hervorlugten.“ (S.234)
Dabei stolperte ich über ein anderes Problem, mit dem sich Autoren rumschlagen müssen: Show, don’t tell. „Sobald Ray seine dünnen, über den Oberkopf gekämmten Haare losgeworden war, hatte er auch sein Verhalten geändert und sich als wirklich netter Typ entpuppt.“ (S. 346).
Mal abgesehen davon, daß hier in epischer Breite über die Haare und ihre Kämmrichtung philosophiert wird, wird uns seine Charakterentwicklung auf dem Silbertablett serviert. Offensichtlich war er mal doof, jetzt ist er nett.

Entweder ist dies die Zusammenfassung seiner Entwicklung in der Geschichte, dann wissen wir das bereits, denn als Leser waren wir ja dabei. Also total überflüssig, weil gähnend langweilig. Wenn wir aber nicht dabei waren, wenn wir das einfach so gesagt bekommen, dann frage ich mich, warum hat er sich geändert und wieso sind wir nicht dabei gewesen???

Hatte die Autorin keine Lust, diese Entwicklung in der Geschichte zu erzählen, war es nicht wichtig, warum dann überhaupt darüber schreiben oder hält sie uns, die Leser, für so blöd, daß uns so eine Entwicklung nicht aufgefallen wäre und wir sie nicht erkannt hätten?

Die Idee dahinter ist jedoch gut: Mit dem Wegfall der scheußlichen Haare verliert auch der Protagonist seine unsympathischen Charakterzüge. Show, don’t tell bedeutet aber, dies zu zeigen. Also seine Wandlung in Handlung zu transferieren. Durch die Dinge, die er in der Geschichte tut, die er sagt, Dialoge, Interaktion mit anderen Personen, Gegenständen. Das ist natürlich etwas mühsamer als: „Er war ja mal doof, jetzt isser prima“.

Show, don’t tell produziert aber auch in gewisser Weise ein Dilemma. Zeigen bedeutet, konkret und im Detail zu schreiben, Stimmungen und Gefühle zu transportieren, den Moment auszuschmücken, einen inhaltlichen Schwerpunkt setzen, damit er für den Leser greifbar, bildlich und persönlich wird. Und das ermöglichen wiederum Adverbien und Adjektive:
Sie trug eine gelbe Jacke.
Penelope trug ausgerechnet die sonnenblumenfarbene Chanel-Jacke aus der Vorjahreskollektion.
Ausgerechnet Penelope trug die sonnenblumenfarbene Chanel-Jacke aus der Vorjahreskollektion.
Penelope trug die sonnenblumenfarbene Chanel-Jacke, ausgerechnet aus der Vorjahreskollektion.

Das richtige Adverb/Adjektiv zum richtigen Zeitpunkt zu schreiben, erfordert vom Autor Gespür für die Situation. Wo setze ich ein inhaltliches Ausrufezeichen? Wass will ich betonen, herausstellen? Dieses Gespür zu entwickeln erfordert Übung. Übung entsteht durch … Lesen … und Schreiben. Und dem Schreiben muß der Autor Zeit widmen. Deswegen lohnt sich auch das Liegenlassen und ein neuer, frischer Blick auf den Text.

Wir knüpfen an dieser Stelle nahtlos an das vorletzte Kapitel an.

Langweilige und langatmige Sätze entstehen durch zu viel AA. Interessante, spannende Sätze brauchen a) kein AA, weil es aus dem Kontext bereits hervorgeht oder b) bekommen ein wirklich gewolltes AA zur Inhaltsverstärkung.

Bloggernutzen: sparsame und effiziente Nutzung von Adverbien macht den Text schlanker, erhöht die Leseaufmerksamkeit, regt die Phantasie des Lesers an und verhindert langatmiges Schwafeln.

Deine Aufgabe:
Wähle ein paar Fremdtexte aus (Werbeanzeige, Zeitschriftenartikel, Romanseite … was fällt Dir noch ein?) und unterstreiche alle Adverbien/Adjektive (z.B. Rot für Adverbien und Grün für Adjektive). Was fällt Dir auf, was gefällt Dir oder gefällt Dir nicht?
Beschreibe kurz Deinen Eindruck.
Nimm Deinen ersten Übungstext (Champagner, Whiskey, Käse) und markiere alle Adverbien/Adjektive. Welche würdest/könntest Du löschen? Speicher den bearbeiteten Text neu ab, damit die alte Version erhalten bleibt!
Was fällt Dir auf? Beschreibe kurz Deinen Eindruck. Wenn Du magst, poste die alte und neue Version zusammen.


  • Duden. Grammatik. (Hier werden Adverbien und Adjektive und deren Bildung aus anderen Wörten dezidiert beschrieben)
  • Pahlow, Heike. Deutsche Grammatik. Einfach, kompetent und übersichtlich. Engelsdorfer Verlag. Leipzig 2010. (Basiswissen Grammatik, eigentlich für Schüler gedacht. Sehr schön übersichtlich und einfach erklärt!)
  • Phillips, Susan Elisabeth. Küss mich, wenn Du kannst. Blanvalet Verlag 2005.

Eine Übersicht über alle Kapitel vom little blogshop findest Du HIER:

Schreibworkshop

little blogshop | Themenhänger und Schreibblockade oder Wie entsteht Kreativität?

Unsere Leser sind hungrig. Was also tun, wenn uns partout nichts einfallen will? Keine Idee, kein Photo als Aufhänger, kein DIY. Oder die Idee ist da, aber gähnende Leere auf dem Bildschirm. Die Wörter wollen nicht zusammen finden, sich keine Sätze bilden. Alles hört sich doof an, nichts erscheint so richtig passig. Nicht immer tritt uns die Muse ins Kreuz, nicht immer sind wir voll von Inspirationen und Visionen. Aber wer mag sich schon durch einen Artikel quälen, wer will sich schon mühsam ein paar Gedanken abringen, die sich dann auch genauso bemüht lesen lassen. Nein, wir wollen unseren Lesern doch was bieten!

Kreativität hat viele Gesichter und so wagen wir einen Ausflug in die Welt der magischen Buchstaben und verzauberten Worte. Die entstehen nämlich im Kopf. Gucken wir uns das mal genauer an. Das Sprachzentrum ist ein wenig auf das Gehirn verteilt. Gleich vorne hinter der Stirn finden wir das Broca-Areal. Hier werden Laute und Worte gebildet. Das Sprachverständnis hingegen, das Wernicke- Areal liegt am Hinterkopf (nach neuesten Forschungen jedoch VOR dem auditiven Areal, also Hinterkopf hier als grobe Richtung). So weit, so gut.

Aber was nutzt uns das, wenn wir Worte nicht mit unseren Gefühlen koppeln können, die wiederum mit unserem Gedächtnis eng verbunden sind. Diese beiden liegen im limbischen System hinter (im Sinne von innen) den Ohren. Wir brauchen also verschiedene Stellen im Gehirn, die ihre Informationen austauschen, damit wir dann einen mehr oder weniger bedeutsamen Satz bilden können.

Ich stelle mir das als großes Unternehmen mit ganz vielen kleinen Büros vor. Diese Büros verwalten Lager, in dem Fall Schubladen-Lager (Vintage –Design). Hinter der Stirn sitzt der Antrieb und beschließt, einen Satz über einen Baum zu schreiben. Er schickt ein Memo an die verschiedenen Büros, wo dann emsige kleine Zwerge wie bei Gringotts (die Bank bei Harry Potter) losflitzten, um nach passenden Schubladen zu suchen. Zuerst prüft der Zwerg in der Erinnerung, welche Bäume gespeichert sind, dann schickt er diese an das Gefühl und der vergleicht jeden Baum mit dem dazu abgelegten Gefühl, daraus wird dann eine Zusammenfassung an den Antrieb geschickt. Der Antrieb überlegt, in welchem Zusammenhang der Baum überhaupt geschrieben werden soll und dann geht die Vorauswahl zurück, es werden nochmal nach mehreren passenden Gefühlen gesucht, dann nach Worten, die zu den Gefühlen passen, Zwischenbericht an alle Abteilungen … plötzlich drückt die Blase oder das Riechzentrum meldet Kaffeeduft.

Und in Wahrheit sind es natürlich keine Zwerge, sondern Neuronen, die elektrische Impulse geben. Sehr (sehr) vereinfacht und funktional (extrem) runtergebrochen sieht es so aus: Diese Neuronen (Nervenzellen) bestehen aus zwei ganz wichtigen Stellen, einem Axon (Verlängerungskabel) und Dendriten (Gegenstücke für die Antenne am eigentlichen Nervenzellkörper). Das Ende eines Axons dockt dementsprechend an einem Dendriten einer anderen Nervenzelle an. Die Weiterleitung findet elektrisch statt, was man mittels EEG (Elektro-Enzephalo-Gramm) messen kann.² In den meisten Fällen wird der elektrische Impuls am synaptischen Spalt (der Übergang zwischen Dendrit und Axon) kurz in einen chemischen Impuls umgewandelt, der Spalt überquert, zack, zurück in den elektrischen Impulsmodus und weiter geht’s. Und das alles rasend schnell.

Neurophysiologen kriegen jetzt kleine Hörnchen, weil das halt alles sehr vereinfacht ist. Aber wie wollen hier ja keine Gehirnforschung betreiben, sondern nur anschaulich verstehen, worum es überhaupt geht.
Beim Denken zugucken klappt nicht, schreibt Euch das hinter die Ohren! Und das war jetzt gar nicht frech, sondern Feldforschung von Redewendungen: Ohren, Temporallappen, Limbisches System – Gedächtnis. Na, klingelt‘s? Seit der Bildung des Gehirns aus dem äußeren Keimblatt während der Schwangerschaft bilden Nervenzellen Verknüpfungen. Je direkter die Verknüpfung, umso schneller. Aber das mit den Zwergen und den Schubladen gefällt mir viel besser.

Diese Verknüpfungen wären nun so ein bißchen wie ein post-it an der Schublade. Ohne post-it müßte der kleine Zwerg mit der Schublade erst zu seinem Schreibtisch und in einer Liste nach dem passenden Büro gucken, dann eine Nachricht fertig machen und – vielleicht haben die ja auch so eine Rohrpost? – losschicken. Wir haben Massen, unendliche Massen von Verknüpfungen im Gehirn. Für’s Zähne putzen, für das „Danke schön“, wenn wir ein Geschenk bekommen, für das Gefühl, wenn wir plötzlich vor Brad Pitt stehen würden … Jede Situation, jeder Gedanke, jeder Bewegungsplan, jedes Gefühl, wird daraufhin kontrolliert, ob und wie es verschaltet ist. Und wenn wir vor einer neuen Situation stehen, dann muß neu verschaltet werden. Und das Gehirn vergleicht mit bereits Vorhandenem und leitet daraus die neue Verknüpfung ab. Das nennt man Lernen.

Kreativität setzt da an, wo metaphorisch und wortwörtlich ausgelatschte Pfade verlassen werden.

Neue, ungewöhnliche – kreative – Verschaltungen. Verknüpfungen, die bisher nicht notwendig, relevant oder Sinn machend erschienen. So wie Mayonnaise auf Schokotorte. Wir schreiben also kleine post-its und kleben sie an unsere Schubladen, um solche Schubladen zu verbinden, die vorher entweder gar nicht oder nur über diverse Umwege zusammen benutzt wurden. Und da ist es nur logisch, daß es besser ist, wenn wir möglichst viele Schubladen haben, aus denen wir auswählen können.

Mit anderen Worten, wir brauchen Erinnerungen, Erfahrungen, viele abgespeicherte Gefühle, einen großen Wortschatz, aber auch Bewegungen. Ein Bildhauer zum Beispiel braucht Kraft und das sogenannte Fingerspitzengefühl, um ein Detail präzise herauszuarbeiten. Wenn wir kreativ sein wollen, müssen wir also zwei Voraussetzungen erfüllen. 1. Wir müssen für gefüllte Schubladen sorgen. 2. Wir müssen neue post-its schreiben.

Konkret bedeutet das, daß wir leben müssen, Erfahrungen sammeln, Dinge ausprobieren, kennen lernen, machen und tun, fühlen, erleben und erfahren. Und dann müssen wir all das sammeln, sortieren und nach Verbindungen suchen. Und zwar nach solchen, auf die man vielleicht nicht sofort kommt.

Wie könnte das nun so aussehen?

Was die zu füllenden Schubladen angeht, ist es leicht. Julia Cameron nennt das in ihrem Buch „Der Weg des Künstlers“ den Künstlertreff. Ein individuell zu planendes Zeitfenster, in dem man etwas für sich tut, etwas unternimmt, einfach, um Spaß zu haben. Ich schlage den Mini-Retreat vor. Ein Retreat ist eine Auszeit. Nun heißt das nicht, daß Ihr alle spontan 4 Wochen in einem Kloster verbringen sollt. Ein Mini-Retreat, eine kleine Auszeit vom Alltag, kann auch ein Bad sein, mit Musik und Kerzen, eine Meditation, ein Besuch eines Cafés, ein Museumsbesuch, ein Workshop, Kekse backen, Sport machen. Also alles, was Euch entspannt und Freude bereitet. Die einzige Aufgabe dazu ist: bewußt genießen. Also nicht spontan, sondern geplant und durch nichts zu stören, den Mini-Retreat zu zelebrieren. Der Mini-Retreat ist überhaupt eine super Idee, um gegen Hamsterräder, Alltagsstress, Frustration und Monotonie anzukämpfen. Und wie bei allen Sachen, lesen und zustimmend nicken ist eine Sache, es wirklich tun, eine andere. Das gilt natürlich und in ganz besonderem Maße für das Schreiben!!!

Und wie kriegen wir nun unsere post-its? Wenn wir bereits die passenden Schubladen gefunden haben, aber irgendwie blockiert sind, dann hilft genau so ein Mini-Retreat, eine Tasse Tee, eine Zeitschrift, Sport, um bewußt gedanklich komplett abzuschalten. Forscher haben nämlich herausgefunden, daß unser Gehirn sich weiter mit dem Problem beschäftigt, auch wenn wir bewußt gar nicht mehr dabei sind. Und plötzlich haben wir’s. Deswegen arbeiten Werbetexter auch besonders effektiv auf den Bahamas, in einem Café auf der 5th Avenue oder auf dem Nanga Parbat. (Leider habe ich noch keinen Kunden gefunden, der diese Spesen übernehmen würde. Da muß es dann halt der Stadtpark von Oer-Erkenschwick tun:)

Eine gute Methode, um nach neuen Verschaltungen zu suchen, oder sich Verschaltungen bewußt zu machen, ist das in den 70ger Jahren von Gabriele Lusser Rico entwickelte Clustering, welches zum sogenannten Brainstorming gehört. Die neue Idee bestand in der Verknüpfung beider Gehirnhälften durch die visuelle Struktur, die Kreativität erst effektiv möglich machen sollte. Und das geht so: Auf einen leeren Zettel wird mittig ein Wort/Satz geschrieben, was zum Problem, zur Aufgabenstellung passt. Nun werden Assoziationsketten gebildet. Beispiel: das zentrale Wort ist Baum. Baum – grün –Blätter – Rauschen … Eine weitere Kette könnte so aussehen: Baum – Wald – Förster – Reh – Gewehr – Jagd – Bambi. Diese Ketten sind nicht zwangsläufig linear, sondern wild auf dem Zettel verteilt. Alles ist erlaubt, es wird direkt geschrieben und nicht zensiert, die Anzahl nicht festgelegt. Ist man soweit fertig, überprüft man, ob zwischen einzelnen Begriffen unterschiedlicher Ketten wieder Bezüge herzustellen sind und verknüpft diese mit einer Linie. Während dieses Prozesses kann sich dann ein Thema herausbilden, was über ein gezielteres Clustering oder eine separate Liste konkretisiert wird.

Zur selben Zeit entwickelte der englische Psychologe Tony Buzan übrigens das Mind-Mapping. Der große Unterschied zum Cluster besteht in der formellen Struktur und der zielgerichteten Umsetzung. Es ist konzeptioneller als das Clustering und kann zur Darstellung und Entwicklung zum Beispiel für Abläufe, Strategien, Prozesse und Inhalte genutzt werden.

Kreativität ist ganz eng mit Psychologie verbunden. Die Frage, was passiert (wo) im Gehirn, was muß passieren, damit Kreativität entsteht, ist eine spannende Frage, die Gegenstand psychologischer Kreativitätsforschung der Gegenwart ist. Und so ist es auch nicht verwunderlich, daß auch das Unbewußte für die Kreativität nicht unbedeutend ist. Schon der Surrealismus verband die Psychologie und ganz konkret die Psychoanalyse Freuds mit darstellender Kunst. Dali ist zum Inbegriff dieser Kunstrichtung geworden, die das Unbewußte an die Oberfläche zerrte und als Kunstform zerlegte.

Das Gehirn arbeitet auf mehreren Ebenen, die wir nutzen können. Allerdings müssen wir erst einmal Zugang dazu bekommen. Und dazu hilft zum Beispiel das Clustering, aber auch Dinge, wie ein Traum-Tagebuch führen, Tagträumen, Visualisieren. Und eben Hirnmasse.

Rainer M. Holm-Hadulla schreibt dazu in seinem Buch „Kreativität, Konzept und Lebensstil“, daß Kreativität sich aus folgenden Faktoren speist:

  • Begabung (mathematisch-logisch, sprachlich, naturwissenschaftlich …)
  • Persönlichkeit (Phantasie, Originalität, Selbstvertrauen, Frustrationstoleranz, …)
  • Motivation (Neugier,…)
  • und die passende Umgebung, die Kreativität überhaupt zuläßt.

„Kreativität kann man nicht wollen, sondern man muß sie zulassen.“¹


In diesem Sinne ran an die Übungen:
Übung: Probiere mehrere Dinge aus: Künstlertreff/Mini-Retreat, Cluster zum Thema „Blog“, Traum-Tagebuch. Und hier noch eine spannende Extra-Übung von mir dazu: Erstelle eine Liste Deiner musikalischen Sozialisation (mit welchen Liedern bist du groß geworden), alternativ Filme/Serien, Bücher/Zeitschriften. Diese Übung regt die Erinnerung an und aktiviert die damit verbundenen Gefühle! Notiere Deine Erfahrungen mit den einzelnen Übungen


http://de.wikipedia.org/wiki/Kreativit%C3%A4t
http://www.psychologie.uni-heidelberg.de/ae/allg/mitarb/jf/Funke_2000_Kreativitaet.pdf
Julia Cameron, Der Weg des Künstlers. Knaur 2009
¹ Dr. Rainer M. Holm-Hadulla, Kreativität. Vandenhoeck &Ruprecht. Göttingen 2007. Seite26.
² http://de.wikipedia.org/wiki/Elektroenzephalografie (ganz spannende Tabelle über die verschiedenen Gehirnwellen, deren Zustände und mögliche Effekte)

Eine Übersicht über alle Kapitel vom little blogshop findest Du HIER:

Schreibworkshop

little blogshop | Individueller Stil und Kopie

Bloggen ist eine Abenteuerreise. Alles Bloggen fängt damit an, daß man etwas hat, was man anderen zeigen, mit anderen teilen möchte. Viele Blogger haben davor bereits fleißig Blogs gelesen und gedacht: das möchte ich auch machen. Und dann haben sie einfach angefangen.
So ein Blog wächst und entwickelt sich im Laufe der Zeit und es gehört auch eine Portion Durchhaltevermögen dazu. Und viele Blogger machen die gleiche Erfahrung wie Autoren. Das Schreiben entwickelt sich weiter. Die ersten Posts möchte mancher verschämt löschen oder hofft, daß sie dann doch zugunsten der neuesten Ergüsse vergessen werden.

Der eigene Stil hat sich im Laufe hunderter Posts, Monate und Jahre des Bloggens herauskristallisiert, entwickelt, etabliert. Ein Prozess, der weitestgehend unbemerkt und auch unbewußt abläuft. Und dann fragt sich der eine Blogger, ob er überhaupt einen eigenen Stil hat, andere suchen noch und dritte fragen sich, wie man dem überhaupt auf die Spur kommen soll.

Eine typische Falle ist einfaches Kopieren des Stils, den man selber gut findet. Das rächt sich schnell, weil bloßes Abkupfern auf den Leser seltsam leer wirkt. Individuelle Merkmale des Bloggers werden vom Leser nicht erkannt, weil sie nicht da sind. Und das hinterläßt dann einen schalen Geschmack. Kopieren ist Blog-Botox. Der Blog ist in seiner Präsentation beliebig, austauschbar, inhaltsleere Fassade ohne Persönlichkeit.
Formale Satzstrukturen, häufig verwendete Wörter, rhetorische Stilmittel sind Zutaten, aus denen das individuelle Profil zusammen gerührt wird.

Dein Blog als Marke

Den Blog als Marke zu betrachten, führt zur nächsten Ebene. Unabhängig davon, ob er nun rein privat oder als Business daher kommt, verlangt er nach dem USP (Unique Selling Position), dem Alleinstellungsmerkmal. Was ist die persönliche Note, was unterscheidet diesen Blog von tausend anderen Blogs. Warum soll der Leser ausgerechnet hier lesen? Die Antwort lautet, weil der Blog dem Leser etwas bietet, was er woanders nicht bekommt. Das kann sein: Informationen, Unterhaltung, Motivation, Inspiration, Austausch/Kontakt.
Stichwort: Blog-Inzest. Irgendjemand entdeckt die total coole Häkeldecke in Neonfarben und schwupps, hat jeder dritte Blog Häkeldecken, Neonfarben oder etwas artverwandtes auf dem Blog. Oder ein Rezept für die Kiwi-Sahnetorte mit Wodka. Leser sind anspruchsvoll und verwöhnt. Eine neue Idee ist toll, wenn aber der siebzehnte Klodeckel mit Streublümchenmuster angepriesen wird, kommt der gelangweilte und übersättigte Leser so schnell nicht wieder. Geht ein Blog mangels Individualität in der Masse unter, wird knallhart selektiert. Persönlichkeit gewinnt.

Die gute Nachricht: was in der Evolution funktioniert, klappt auch beim Bloggen. Populationsnischen entdecken. Diese Überlebensstrategie ist einfach, aber nicht leicht.
Denn dazu muß man erst einmal herausfinden, wo die eigene Nische sein könnte, was man selber besonders gut kann, was bei einem selber anders ist, als bei den anderen. Und das ist exakt der Weg, um das Alleinstellungsmerkmal zu bestimmen. Können wir dies benennen und dann im Blog durch unseren eigenen Stil umsetzen, dann können wir Leser aufmerksam machen, für unser Blog interessieren und auch als Leser halten. Denn dann haben wir etwas gefunden, was der Leser eben nur bei uns findet.
Beginnen wir mit einer Bestandsaufnahme.

Wenn ich erst mit dem Bloggen anfangen möchte, ist dies natürlich auch die erste Frage: Worüber will/kann ich bloggen? Blogge ich bereits, wird die Frage umgestellt: Was sind meine Themen?

Im zweiten Schritt schaue ich mir meine Posts an. Was ist bei allen gleich, was verbindet sie? Was fällt auf, was fällt unter Umständen auch total aus der Reihe? Was gefällt mir noch nicht, wo sehe ich Potential, an dem ich noch arbeiten will. Gibt es Projekte, an die ich mich noch nicht heran getraut habe – und wenn ja, warum?

Im dritten Schritt richten wir den Blick nach außen: Welche Blogs gefallen mir, haben mich motiviert, selber zu bloggen. Was gefällt mir an diesen Blogs, was finde ich interessant, sympathisch, inspirierend. Was gefällt mir vielleicht auch nicht oder nicht mehr?

Ich gehe davon aus, daß Du jetzt mehrere Listen mit Antworten hast. In diesem Schritt vergleichst Du deine Listen. Was gefällt mir bei anderen, was davon taucht auch bei mir auf. Inwieweit unterscheidet sich mein Blog von meinen Vorbildern, was ist bei mir anders.

Ich denke, eine kleine Pause wäre nicht schlecht, es wird Zeit, ein bißchen Spaß zu haben! Und dazu gibt es ein paar Mit-Mach-Links. Das Grundprinzip dahinter ist folgendes: Du nimmst einen oder auch mehrere Deiner Blogtexte (nacheinander) und fügst sie mit Copy&Paste ein. Vielleicht ist es auch interessant, Deine Workshop-Texte mit alten Posts zu vergleichen, was meinst Du?!
Auf stilversprechend wird mittels einer Analyse der Satz- und Wortlängen sowie Kommata, Textlänge und Füllwörter (na, klingelt das was?) ein Fleschwert generiert, der eine grobe Übersicht gibt, wie banal oder komplex der Text strukturiert ist. Dieser Fleschwert kann durchaus eine Denkanregung sein, um seinen Text nötigenfalls noch einmal zu überarbeiten und seine Schreibe zu hinterfragen! Wie immer: die Mitte macht’s.
Lesbarkeits-Analyse Link: http://www.it-agile.de/stil/index.html

Ein ganz besonderer Spaß ist der folgende Link über die FAZ. Du gibst wieder Deinen Text ein und das Programm sagt Dir, wem der Stil ähnelt. Ich hatte von Charlotte Roche bis Goethe schon alles!
Ich schreibe wie – Link: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/ich-schreibe-wie/stiltest-ich-schreibe-wie-11480570.html

Gewollt provokant kommt das Blablameter daher und schert uns Texter alle über einen Kamm (na, danke schön!) Hier wieder eine recht schonungslose Analyse, wie viel Bla im Text versteckt ist.
Blablameter-Link: http://www.blablameter.de/

Es geht weiter.
Den eigenen Stil finden. Dazu braucht man überhaupt erst einmal eigenes Material, mit dem man sich auseinandersetzen kann. Als Bloganfänger bedeutet das, einfach mal fünf bis zehn Posts zu schreiben, ohne sie zu veröffentlichen. Also, mutig und unverdrossen ein paar Übungtexte schreiben, liegen lassen und dann, ein paar Tage später, neu lesen und auch – laut lesen! Eine gute Möglichkeit, einen Blick für den eigenen Stil zu bekommen, die wir sogar schon kennen.

  1. Die eigenen Texte laut lesen. Denn dann erst offenbart sich die Sprachmelodie. Nimm Deine Posts und lies sie laut. Unterteile sie in Texte, von denen Du begeistert bist, Texte, die Du „so naja“ fandest und welche, die Du am liebsten löschen würdest. Lies sie laut und vergleiche die Unterschiede, die Du gehört hast. Du könntest sie auch zum Beispiel auf ein Diktiergerät oder Sprachmemo sprechen und ganz aktiv zu- und anhören. Ich schreibe übrigens bewußt sprechen und nicht diktieren! Und dann nimmst Du Beiträge Deiner Vorbilder, also von Blogs, die Du gut findest und liest auch die laut!

Deine Aufgabe zu diesem Kapitel: Beantworte die Fragen und erstelle Listen zu den Punkten 1-4. Probiere die Links aus. Lies verschiedene eigene und fremde Blogposts laut (Punkt 5). Schreibe anschließend einen Beitrag zu dem, was Du herausgefunden hast.
Viel Spaß und spannende Erkenntnisse!!


  • Duden: Das Synonymwörterbuch: Ein Wörterbuch sinnverwandter Wörter: Band 8. Bibliographisches Institut, Mannheim; Auflage: 5., vollständig überarbeitete Auflage. (15. September 2010)
  • Dornseiff, Franz: Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen. Walter de Gruyter. Auflage: 8, völlig neu bearb. A. (4. März 2004)

Eine Übersicht über alle Kapitel vom little blogshop findest Du HIER.

Schreibworkshop

little blogshop | Das Schreibexperiment

In diesem Kapitel geht es um ein Schreibexperiment der besonderen Art. Nach der harten Arbeit am Handwerk wird es Zeit für ein Schreibabenteuer, für eine schreibverändernde Erfahrung.
Ich bin bei der Arbeit zu einem Gedicht auf die Idee gekommen und inspiriert hatte mich ein Artikel meines Kollegen Glenn Fisher (britischer Werbetexter). Er schreibt – ganz in meinem Sinne – darüber, daß Werbetexter für einen größtmöglichen kreativen Output zuerst für größtmöglichen breitgefächerten Input sorgen müssen.

Also lesen, lesen, lesen. Aber auch sehen, erleben, erfahren. Jede Erfahrung, jede Wahrnehmung, jeder gelesene Satz wird unbewußt abgespeichert und führt unter Umständen zu exakt dem neuen, unverbrauchten kreativen Gedanken, der gebraucht wird.

Das Prinzip ist nicht neu. Im Kapitel über Themenhänger und Schreibblockaden habe ich bereits über die Kreativitätspsychologie und die seltsamen Wege im Gehirn geschrieben. Und auch hier geht es um Abkürzungen, Umwege und neue Hirnpfade, die Informationen verknüpfen, die andere Hirne eben nicht in Beziehung setzen. Es geht darum, die Perspektive zu wechseln, wie ein Schauspieler in eine Rolle zu schlüpfen. Das Experiment ist nicht ganz ungefährlich, denn in das Leben eines anderen einzutauchen, nachzuempfinden und, wo es möglich ist, nachzuleben, birgt die Gefahr sich selbst zu verlieren.

Kann man wie Hemingway schreiben, auch wenn man nicht kettenrauchend säuft wie ein Fass ohne Boden? Kann man die Wörter finden, die Atmosphäre erschaffen, wenn man nicht wie Virginia Woolf mit einem begnadeten Verstand gegen das innere Grauen ankämpft – getrieben in der Produktivität und gelähmt in der Verzweiflung?

Ausgangspunkt meines persönlichen Schreibexperimentes war die Frage, welche Literatur mich inspiriert, welche Autoren mich interessieren. Und was ich daraus lernen könnte. Und ich stellte fest, daß mich zumeist weibliche Künstlerinnen und Autorinnen beeinflussen, die entgegen gesellschaftlichen Normen und Konventionen gegen jede Tradition aufbegehrten und ihr eigenes Ding durchzogen …

Brachial, leidenschaftlich und verzehrend die Lebensgeschichte von Camille Claudel, die mich 1992 in einen wahnsinnigen Strudel aus Schaffensdrang, Hingabe an die Kunst und das Leben und die völlige Zerstörung der Seele riß.  Das eine Leben von Camille Claudel aus verschiedenen Perspektiven zu sehen, schafft ein viel lebendigeres Bild, zieht mich umso mehr in die Geschichte, in ihre Geschichte.
Neben verschiedenen Biografien und natürlich Bildbänden gibt es eine wunderbare Verfilmung mit Isabelle Adjani und Gerard Depardieu als ein fantastischer Auguste Rodin. Es entsteht meine persönliche Danaide.

Schon kurz darauf folgt Marguerite Duras. „Der Liebhaber“ läuft im Kino. Es ist Sommer, in der realen Welt und in Sadec, Indochina in den zwanziger Jahren. Schwüle, feuchte Hitze. Glitzernde Schweißperlen und das träge Summen von Zikaden. Die schwüle Luft ist von Wolllust durchtränkt und steigt mit dem Morgennebel auf, um sich wie eine Umarmung um das heiße Fleisch zu legen. Opiumgeschwängerte Tage im Schatten des unvermeidbaren Schicksals. Vermischt mit dem Duft der Liebe, der süße Duft der Verwesung, das unausweichliche Ende der pittoresken aventure d‘amoureuse ohne Liebe, konserviert in einer alkoholisierten Erinnerung in einem düsteren Pariser Zimmer, begraben unter Zigarettenqualm und Schmerz.
Ihre Biografie zu lesen ist unerträglich. Also lese ich ihr Buch „Schreiben“. Und ich schreibe über Schmerzen. Und über Sehnsucht. Und manchmal auch über die schmerzende Sehnsucht nach dem Verlangen. Ich finde den Schmerz im Schreiben wieder. Es ist mein Schmerz. Ich tauche sehr lange nicht wieder aus diesem Schmerz auf. Das Schreiben zerbricht.
Ich bewege mich auf eine andere Ebene: Jane Austen. Jane zu lesen ist sicher. Ebenso wie die Brontës. Es ist düster. Nebel über Englands torfigen Mooren. Verzweiflung, Intrigen, aber ich bin sicher. Meine Schreibseele ergötzt sich an der Exzentrik einer Mrs. Bennett. Das sind meine Wurzeln. Ein paar zumindest. Ein paar dunkle Elemente, wie der Schatten am Fenster von Wuthering Hights. Es kann nur einen geben. Was für Connor MacLeod gilt, und den von mir als halben Landsmann schwer verehrten Sean Connery, gilt auch für Colin Firth als Mr. Darcy. Wobei man der Ehre halber sagen muß, daß es absolut rein gar nichts gegen die Verfilmung mit Kira Kneithley und Donald Sutherland als Mr. Bennet zu sagen gibt.

Und wenn man schon dabei ist, einen Tag im Bett mit Tee und Keksen und Pride&Prejudice zu verbringen, dann kommt man oder besser frau nicht um „Lost in Austen“ herum. Und das ist eine allgemein anerkannte Wahrheit.

Ich beschäftige mich mit Coco Chanel, auch eine Verfilmung mit Audrey Tautou, mit Rosalind Franklin, deren Tragödie mir beim Lesen des Buches von James T. Watson 1991 in keinster Weise gedämmert ist. (Die auch offensichtlich nichts von Marie Curie gelernt hat, so rein technisch.) Wie sollte auch? Aus Watsons Sicht war die Geschichte mit der DNA doch super gelaufen. Und man kann nicht erwarten, daß er, wenn er über sich schreibt, profunde psychologische Analysen seiner Mitstreiter einflicht.
Ich lande bei Sylvia Plath und einer Verfilmung mit Gwyneth Paltrow, die mir schon in „Besessen“ ausnehmend gut gefallen hat und dort auf Jennifer Ehle trifft, die in der BBC Reihe P&P die Eliza Bennett gibt. Also – „Besessen“ (von Antonia S. Byatt) gehört auch zu den Büchern, die ich unbedingt empfehle.

Sylvia Plath. Nach langer Zeit ein hemmungsloses Eintauchen ins Schreiben. Ich höre Elli Goulding (was die Sache nicht besser macht) und Tage, Nächte – Zeit verschwimmt zu einem Vakuum. Das stabile Konstrukt meiner Schreibseele löst sich auf. Die Grenzen zwischen Innen und Außen, sorgsam gehütet, entgleiten mir.
Marguerite Duras schreibt:

„Es gibt einen Schreibwahn in einem selbst, einen Schreibwahnsinn, aber deswegen ist man nicht wahnsinnig. Im Gegenteil.“*

Marguerite Duras

Sylvia Plath ist es. Oder auch nicht. Der Schmerz kommt zurück. Das Schreiben wird zum alles bestimmenden Herzschlag. Bei Hermann Hesse sind „Extreme nur die Pole, zwischen denen sich die zum Leben notwendige Energie erzeugt“. Gilt das auch für Manie und Depression? The writer’s disorder. Kann man erst dann die essentiellen Tiefen des Schreibens ausloten, wenn man in diesen Teilchenbeschleuniger der Gefühle gesogen wird? Wie soll Alltag funktionieren, wenn die Schreibseele nach dem Wort lechzt, nach dem leeren Papier verlangt und Sätze, Gedanken wie eine Flutwelle aus jeder Pore strömen? Ich schreibe, manisch getrieben. Das äußere Leben verblasst und ich wundere mich, wenn ich in einem plötzlichen Erwachen das Haus, den Mann wahrnehme. Gehöre ich dazu? Muß ich jetzt etwas tun oder sagen? Bin ich ein Teil in diesem Außen?

Die Musik ist die Nabelschnur zur Realität. Das war sie schon immer. Der Rest Vernunft, wenn der Schmerz kommt. Wenn die Angst und der Zweifel alles verschlingt. Ich liebe das Geräusch des Stiftes, wie er beim Schreiben über das Papier kratzt. Die Melodie des Schreibens. Das ist poetisch. Schreiben – und der Stimme des Stiftes, der Stimme des Schreibens lauschen. Leise und meditativ. Beruhigend. Das Schreiben ist voller Bedeutung. Schicksal liegt in dem Geräusch. Hoffnung, Verheißung. Das Geräusch beim Schreiben ist Gefühl, Gedanke, Leben. Ich möchte lauschen, zuhören, verstehen und mich dabei verlieren. Ich liebe das Geräusch, die Stimme des Schreibens. Ich habe sie so vermisst. Ich bin einen kurzen Augenblick aus der Realität gerissen und glücklich, während meine Hand rastlos über das Papier eilt. Der Strom an Wörtern und Sätzen darf nicht enden und das beruhigende Gefühl, die Melodie des Schreibens. Das Schaben der Federspitze, das Kratzen gegen den Widerstand des Papiers. In diesem Gedanken, in dieser Melodie möchte ich verweilen. Meine Schrift wird immer abstrakter, die Gedanken fließen dahin, kaum zu lesen, kaum zu entziffern. Der Punkt, ein kleiner stupsender Ton dringt durch meine Gedanken. Wenn es doch nur immer so bleiben könnte, ich einfach in diesem Moment verharren würde. Das Schreiben auskosten bis ich satt bin. Satt sein. Ich bin hungrig. Ich bin hungrig nach Worten und Sätzen, nach dem Fließen der Gedanken in das Papier. Die Feder kratzt unaufhaltsam weiter, der Rhythmus der Bewegungen, das Transformieren in Melodie, in ein gleichmäßiges Schwingen von Schreiben und Pausen. Buchstaben, große, weiche Rundungen, kleine, zackige Kanten, neues Ansetzen. Innehalten. Einen Punkt setzen. Nichts könnte die Tiefe beim Schreiben ersetzen, die sich nur durch den Stift einstellt. Das Verschmelzen von Hand und Gedanke und Stift und Melodie. Schreiben, weiter schreiben, nur dem Geräusch verfallen, alles verschlingendes Berauschen am Schreiben und die tintenleere Stille, wenn die Wörter nicht mehr fließen wollen, wenn der Stift sich in das Papier bohrt. Ich schreibe weiter, getrieben, süchtig, verlangend nach dem nächsten Satz, dem kommenden Wort.

Ich muß in den Garten gehen. Ich nehme Vita Sackville-West mit. Wen sonst? Ob Sissinghurst ihre Nabelschnur war? Nein, sie war so pragmatisch, so im Leben. Sie brauchte keine Nabelschnur. Aber war sie es für Virginia Woolf? Der Briefwechsel der beiden reißt mich zurück Leben, mit einem heftigen Spatenstich, geerdet, geboren, mit erdverkrusteten Händen zurück im Sein. Die stille Poesie der Briefe finde ich in meinem Garten, in dem leisen Grün, das doch am Ende Naturgewalt ist. Wie das Schreiben.

Was bringt mir das Experiment? Schreiben ist Rausch und Droge und die Abwesendheit Entzug, Abspaltung eines Teils meines Wesens. Nicht jeder empfindet so. Nicht jeder mag sich dem Schreiben hingeben, wie einem zärtlichen Liebhaber, sich der rohen Gewalt der Wörter ausliefern. Bloggen kann eine Form des literarischen Erschaffens sein. Um herauszufinden, wie sehr man bereit ist, sich dem zu stellen, gilt es, sich dem Schreiben zu stellen, sich dem Schreiben zu öffnen. Ohne Ziel. Ohne Sinn. Ohne Erwartungsdruck oder Versagensangst.

Schreibe für den Augenblick!

Aufgabe: Suche Dir eine Künstlerin oder einen Künstler, eine Figur aus einem Buch oder Film und tauche schreiberisch in dieses Leben ein. Nutze Deine Möglichkeiten, ein Shoppingbummel als Carrie Bradshaw, ein Abend am Meer, Zigaretten, Wein als Hemingway, (nein, keine Drogen, keine Koksparties!!! Und ich möchte auch nicht, daß Du morgens in einer Ausnüchterungszelle aufwachst), Schokolade – vielleicht bist Du Vianne aus „Chocolat“ von Joanne Harris? Lies Bücher der Autorin, eine Biografie oder Bücher über die Figur, schau dir Filme dazu an (ich habe zum Beispiel eindeutig ein Bridget-Jones-Gen in Berlin gerade wieder unter Beweis gestellt … darüber hätte ich auch sehr viel und schön schreiben können) und schreibe unter der Überschrift „Mein Sommer als …“.
Viel Vergnügen!


*Duras, Marguerite: Schreiben. Suhrkamp 1994. S. 57

Und die Übersicht zu den einzelnen Kapiteln findest Du natürlich HIER

Schreibworkshop

little blogshop | Das Media-Kit

Du hast Spaß an Deinem Blog und Du liest das, weil Du Dich und Dein Blog weiter entwickeln willst, weil Du etwas lernen möchtest. Vielleicht möchtest Du Geld mit Deinem Blog verdienen und dazu brauchst Du eine Übersicht mit Angeboten, wie potentielle Kunden mit Dir ins Geschäft kommen. Das können Anzeigen, bezahlte Posts oder Kooperationen sein. Eine Produktübersicht bietet das Media-Kit, zusammen mit Informationen über Dein Blog und dessen Reichweite, die Dich ja erst interessant machen.

Man kann das ein wenig mit dm Schreiben eines Exposé vergleichen, welches Autoren anfertigen, um einen Verlag oder Literaturagenten vom Projekt zu überzeugen. Ein Exposé über dein Blog zu schreiben kann also  eine gute Übung sein, um zu prüfen, inwieweit das Konzept stimmt.

  • Kurze Vorstellung des Blogthemas (Alles rund ums Angeln …)
  • Aufbau Blog, Seiten, Informationen, (zweisprachig?) …
  • Darstellung einzelner Kategorien (Der richtige Wurm für welchen Fisch, Schöne Angelplätze in Idar-Oberstein, …)
  • Besondere Aktionen (Mitmachaktionen, Wettbewerbe, saisonale Aktionen)

Innerhalb vom blogshop haben wir schon ganz viel vorgearbeitet. Die vielen Fragen zur Wahrnehmung, die ich gestellt habe, sollten dich dazu bringen, ziemlich genau zu wissen, was Du da eigentlich tust und warum. Und was für das komplette Blog gilt, gilt erst recht für einen Beitrag. Das Exposé fungiert wie ein Detektor für inhaltliche Brüche. Wenn du zum Beispiel Artikel planst, eine ganze Reihe zu einem bestimmten Thema, dann hilft Dir das Exposé, Dein Konzept zu entwickeln, zu überprüfen.

Die Sprache im Exposé, und damit auch im Media-Kit, weicht von der Sprache unserer Beiträge ab. Sie ist zuerst informativ und dann leicht lesbar. Sie ist NICHT verschnörkelt, sie ist NICHT gefühlsduselig und NICHT episch. Es geht hier tatsächlich ums Business. Das Media-Kit ist eine Behind-the-Scenes-Situation. Wie die Unterhaltung zwischen Regisseur und Team. Das Blog ist wie der fertige Film, die Theateraufführung für den Leser. Und genau das erwartet der Leser des Media-Kit. Dein potentieller Werbekunde.

Er will wissen, warum eine Zusammenarbeit mit Dir von Vorteil ist, warum seine Produkte und Kunden gut zur Zielgruppe Deines Blogs passen, bez. dass sie genau Deine Zielgruppe sind. Und dazu gehören Zahlen. Deine Reichweite gemessen in Followern, Klicks auf Beiträge, Social Media, Downloads (wenn Du etwas zum Runterladen anbietest), Kommentare, Verlinkungen, bereits bestehende oder erfolgreich durchgeführte Kooperationen mit anderen.

All diese Informationen kannst Du grafisch schön aufbereiten (wie die hippen Lebensläufe und Kompetenzprofile von Bewerbungen) und Dich zum Beispiel auf Pinterest inspirieren lassen. Mir geht es hier um den Inhalt und vielleicht fällt es Dir mit der Checkliste leichter einen Einstieg zu finden. Beim Schreiben kommen Dir bestimmt noch gute Ideen oder Dir fällt etwas auf, was Du ebenfalls ins Media-Kit einbeziehen möchtest.

Check-Liste Media-Kit:

I. Blogseite/Unterseite für Werbung einrichten
optional einen Link in die Sidebar setzen

II. Kurzer Einführungstext für Werbekunden
Inhalt: Hier finden Sie Informationen über mein Blog. Ich biete xy an. Ich freue mich auf Ihre Anfrage. Kontaktmöglichkeiten anbieten a) Telefonnummer, b) E-Mailadresse c) Kontaktformular oder Link dahin

III. Mediakit als Download (PDF)anbieten oder per Mail anfordern lassen

  1. Blog Vorstellung
    (Name des Blog, Themen, Inhalte, seit wann wird gebloggt)
  2. Blog-Inhalte
    (Besonderes wie Mit-Mach-Aktionen, regelmäßige Aktionen, Themen)
  3. Zielgruppe
    (wer liest Dein Blog)
  4. Kurzbio
    (Name, Alter, Beruf, Motivation zum Bloggen, Parallelen zu Beruf oder Hobby, optional Portraitphoto, KEINE Party- / Strandbilder)
  5. Statistiken
    (Sinnvolle Werte aus Google Analytics und Jetpack nutzen:
    a) Gesamtzahl Leser insgesamt
    b) Anzahl neuer Besuche in Prozent
    c) Durchschnittliche Verweildauer (wie lange bleibt der Besucher auf dem Blog)
    d) Bounce-Rate (wie schnell verlässt der Leser die Seite wieder, der durchschnittliche Wert liegt bei 68%, ist aber relativ, denn Leser, die alte Beiträge kennen und nur gezielt neue Beiträge lesen, verweilen kürzer, als neue Besucher, die durch das Blog stöbern)
    e) Diagramm Entwicklung
  6. Werbeangebote
    Welche Werbemöglichkeiten bietest du an?
    a) Werbebanner (Beispielgrafik)
    b) Gesponsorte Artikel
    c) Kooperationen mit Unternehmen
  7. Preise
    a) Was kostet welche Werbeaktion für welchen Zeitraum? (z. B. Werbebanner 35€/Monat)
    b) Rabatte (z. B. Werbebanner 90€ pro gebuchtem Quartal)
    c) Zahlungsmodalitäten (Vorauszahlung, per Überweisung, per Paypal)
  8. Kontaktmöglichkeiten
    a) Adressen
    b) E-Mail Adresse
  9. Screen-Shot der Startseite
  10. Beispiel-Artikel
  11. Beispielphotos

Übung: 1. Stelle ein Media-Kit für Dein Blog zusammen. 2. Schreibe ein Exposé über dein Blog (max. 2 Manuskript-Seiten)


Eine Übersicht über alle Kapitel vom little blogshop findest Du HIER.

Schreibworkshop

little blogshop | Blogtext-Crossover

Der Blogger an sich ist ja ein geselliges Tierchen. Und so tummelt er sich gerne, viel und häufig auf Veranstaltungen rum, um darüber zu berichten. Und in diesem Fall tatsächlich auch ich. Als offizielle Lehrbeauftragte vom little blog.shop bin ich für Euch dank einer exklusiven Einladung auf dem Salon Number One in Hamburg gewesen. Aus dem Bloggerleben für das Bloggerleben.

Das 25hours Hotel Number One in Hamburg war Veranstalter eines „Blog Venture“: Blog meets Product. Blogger treten an Firmen heran, Firmen kontaktieren Blogger, das ganze System ist noch nicht aus den Kinderschuhen raus, weil neu und frisch und so etablieren sich erst Do’s and Don’ts.
Der Antrieb hinter dem Blog Venture ist also die Frage, wie bringt man die richtigen Produkte mit den richtigen Bloggern zusammen, um Bloggen als Baustein viralen Marketings effizient zu nutzen. In einer sehr lockeren und entspannten Runde mit kreativitätsfördernden Rahmenbedingungen ergaben sich erfrischende Gespräche über Marketing, Branding und Werbestrategien.

Am Ende aber ist es doch Business. Kosten-Nutzen-Überlegungen auf Firmen- wie Bloggerseite. Image und Marke färben gegenseitig aufeinander ab. Nehmen wir mal den fiktiven Blog „Hier bloggt Otto Pasulke über sein Meerschweinchen Gustav“ der nun exklusiv eine Kooperation mit dem Produkt a) Feinstrumpfhosen mit Shape-Effekt oder b) Angelköder eingeht. Durch das Kopfkino wird klar, was gemeint ist. Passen Produkt und Blog zusammen, verstärkt die Kooperation die gewünschte Kundenwahrnehmung des Produktes, was sagt das Produkt über den Blogger aus?

Initiativen wie der Salon Number One bieten eine Plattform, diese Fragen zu diskutieren, Möglichkeiten auszuloten und sich auch einfach ganz zwanglos zu beschnuppern. An und für sich eine konsequente Weiterführung der Idee, Blogger zu vernetzen und durch Fort- und Weiterbildung Standards im Bloggerbusiness zu etablieren. Das Ganze ist eine natürliche und unaufhaltsame Blogger-Evolution, die nach der Blog-Revolution seinen (ich bin fast etwas zynisch geneigt zu sagen) sozialistischen Gang geht. Die Blogger-Avantgarde assimiliert zum Establishment. Natürlich gibt es weiterhin Avantgarde, rein private und/oder nichtkommerzielle Blogs, aber die Entwicklung ist doch eindeutig soziologisch determiniert.

Kommen wir nun zum Text-Cross-Over und schauen uns den Werbetext an. Die Daseinsberechtigung von Werbetexten besteht einzig und allein darin, zu verkaufen. Da darf man sich keinen Illusionen hingeben. Nichtsdestotrotz sehe ich Werbung als Kunstform an, als Auftragskunst, wenn mir dieser gedankliche Schlenker in die Kunstgeschichte gestattet sei.
Aus der Aufgabe des Werbetextes leitet sich nun ganz klar sein Inhalt ab:

  1. Produktvorstellung: worum geht es
    Nutzen für den Kunden glasklar herausstellen: was soll ich damit
    Bedürfnis wecken durch
    a) Vorteil durch Nutzen
    b) Vorteil Produkt xy gegenüber vergleichbaren Produkten (oh, und damit ist nicht “vergleichende Werbung” gemeint, sondern den Textfokus auf die Eigenschaften zu setzen, die Produkt xy eben besser machen)
    c) Emotionen, was fühle ich mit/durch dem/das Produkt, wie fühle ich mich durch Verwendung (Stichwort: Lifestyle und Erlebnisfaktor)Das ist das Grundgerüst, mit dem die Vorzüge des jeweiligen Produktes, was natürlich auch eine Dienstleistung sein kann, vorgestellt werden.

Natürlich fließen noch viele Elemente wie „zielgruppenorientierte Ansprache“, Unternehmensdarstellung, … in unterschiedlicher Gewichtung mit ein. Für unseren Blogtext reicht der Basisaufbau.
Um die Punkte beantworten zu können, muß ich mich als Texter intensiv mit dem Produkt und dem dahinter stehenden Unternehmen sowie den Kunden auseinandersetzen. Und zwar von innen heraus. Soll heißen, ich beleuchte das Produkt aus unterschiedlichen Positionen: Kundenperspektive, Unternehmensperspektive, Designperspektive, um es in all seinen Facetten zu begreifen.

In dem Moment, wo ich als Blogger eine für beide Seiten fruchtbare Kooperation eingehe, verlasse ich die „Meerschweinchen-Ebene“ und bewege mich auf einen professionellen Level zu. Die Übergänge sind fließend. Stichwort: Bloggen als Business & sponsored Posts. Je mehr ich als Blogger den Werbetext als Werkzeug im Kopf habe, desto besser kann ich damit arbeiten. Nun ist ein Blogtext kein Werbetext, erfüllt aber ein extrem wichtiges Kriterium aus der Werbepsychologie: die persönliche Kundenansprache.

Und das macht Blogger für Unternehmen interessant: die vorgeblich authentische, weil private, Sichtweise des Bloggers erzeugt beim Leser (und potentiellen Kunden) ein hohes Garantie-/Qualitätsempfinden, was maßgeblich zur Kaufentscheidung beiträgt. Deswegen gibt es in nahezu allen Onlineshops Bewertungssternchen und Kommentarfelder.
Gehen wir jedoch weiter zum Text. Der Blogtext bleibt Blogtext, niemand erwartet oder will, daß Blogger plötzlich Werbetexte schreiben. Die Vorarbeit orientiert sich am Werbetext. Das ist alles. Wenn Ihr also ein Produkt, einen Shop, ein Unternehmen irgendwie nett im Text unterbringen sollt, dann arbeitet Ihr den Aufbau auf einem Schmierzettel ab.

Recherche: guckt Euch das Unternehmen und das Produkt anBeantwortet für Euch die Fragen wie oben beschrieben
Und dann schreibt Ihr Euren Text. So einfach ist das – sage ich. Die Vorarbeit fließt in Euren Text mit ein und er wird sich anders, besser anhören.


So, meine Lieben – und jetzt wird es ernst für Euch! Eure Aufgabe zu diesem Kapitel ist folgende:
Übung: Informiere Dich und such Dir dann eine Firma/ein Produkt aus. Schreibe einen Blogpost, der das Produkt/das Unternehmen enthält, vorstellt.
Kleine Hilfestellung: Dabei ist dies kein Aufsatz über Firma xy, sondern ich möchte von Euch eine Geschichte, eigene Erlebnisse, einen stinknormalen Blogpost eben. Und in dieser Geschichte kommt dann Firma/Produkt xy vor. Solltet Ihr Fragen haben, scheut Euch nicht, hier einen Kommentar zu schreiben, davon haben alle anderen ja auch was!!! Und nun viel Spaß, ich freue mich auf Eure Beiträge!!!!

Da dieses Kapitel unter dem Motto Blog-Text-Cross-Over steht, gibt es das Ganze nun noch einmal aus meiner Bloggersicht – echtes Text-Cross-Over eben!
Blogtext-Crossover – als Blogpost

Der Blogger an sich ist ja ein geselliges Tierchen. Und so tummelt er sich gerne, viel und häufig auf Veranstaltungen rum, um darüber zu berichten. Und in diesem Fall tatsächlich auch ich. Als offizielle Lehrbeauftragte vom little blog.shop bin ich für Euch dank einer exklusiven Einladung auf dem Salon Number One in Hamburg gewesen. Aus dem Bloggerleben für das Bloggerleben.

Das 25hours Hotel Number One präsentiert sich als junges und dynamisches Hotel mit spannenden Aktionen + großem Wohlfühlfaktor. Also die perfekte Location für den Veranstalter eines „Blog Venture“. Marketing- und Sales Manager Stefan Pallasch verrät mir, wie er neue kreative Wege auslotet … Blog meets Product …

Zeitsprung – Realitätscheck: Ich bin also in Hamburg und schnacke mit Julia Starp, DER Modedesignerin. Als erstes fällt mir auf, wie natürlich und unkapriziös sie ist. Sehr sympathisch! Und dann stellt Julia Starp ihr Modelabel und Kooperationen (Ecorepublic) vor. Als Anschauungsmaterial hat sie eine brandneue Upcycling- Taschenkollektion mitgebracht. Der Clou ist das Material: XXL Werbeplakate (aus einem weichen Kunststoff) von OTTO. So entdecke ich einen ganz eleganten Metallverschluss nicht nur an einer der Taschen, sondern später auch an Model Jenny (Grüße!), die ein ganz unglaubliches Miederkleid aus dem gleichen Material trägt. Wo wir gerade beim Thema Taschen sind – ich trage eine selbstgenähte Tasche und traue mich das zu erwähnen. Gleichzeitig denke ich, ist ja auch irgendwie blöd. So, als wenn man sich mit Steffen Henssler unterhält und sagt, man hätte ja auch schon mal Kartoffeln geschält. Ich fühle mich ein bißchen wie Bridget Jones und denke, ich sollte das arme Mädchen von meiner Gesellschaft befreien. Zum Glück kommt Mark von “Das hat Mark gemacht“. Gerettet – wer auch immer.

„Ich habe gerade mit meiner Kollegin gesprochen und festgestellt, daß „Opel ist ein super Produkt“ nicht der günstigste Einstieg in ein Gespräch mit Ihnen ist!“
„Haha, doch, das ist sogar sehr interessant, weil … „
Der ungewöhnliche Beginn meiner spannenden Unterhaltung mit dem Produktmarketingleiter von BMW feat. MINI (das habe ich jetzt so genannt). Ich habe mich nämlich daran erinnert, daß ich hier schließlich nicht als total schusseliges und überreflektiertes Ich eingeladen bin, sondern als kompetente und professionelle Texterin. Darauf einen Salat! Frisch gestärkt krame ich in der Eloquenzkiste, na, geht doch! Ich lerne unter anderem etwas über Produktdesign und das damit verbundene Fahrverhalten, Marketing bei BMW und Sinn und Zweck von Lenksäulen-Achswinkeln. Und was das Einparken mit dem Windkanal zu tun hat – oder haben sollte. Ich freue mich tierisch über diese Begegnung, sowohl als Texterin, als auch als Mensch!
Daß wir alle überhaupt nur so vor kreativen Ideen sprühen ist ein Wunder, denn überall stehen verlockende Becher mit Knabbereien von Feines Zeug, denen man sich nur schwer entziehen kann. Vielleicht liegt es ja aber auch genau daran. Himbeeren in weißer Schokolade lösen einfach Glücksgefühle aus. Die Zeit verfliegt und so lerne ich nur Hanae Henke kennen, Mikrobiologin, und für die ganz entzückenden Nuß- und Fruchtkreationen verantwortlich. Privat und offline hätte ich gerne etwas über Mikrobiologie gelernt, hoffentlich nächstes Mal! Ja, und Inhaberin Bianca König, ihres Zeichens Vollblutwerberin (Neue Monarchie in Hamburg), die für Branding, Marketing und Vertrieb zuständig ist, ist heiß begehrt und leider immer gerade im Gespräch.

Während die Zeit eigentlich viel zu kurz ist, um alle kennenzulernen, hat das schusselige Ich es aber vermutlich geschafft, den total netten Service-Beauftragten vom 25hours Hotel in den Wahnsinn zu treiben: Erst will ich nur ein Wasser, dann will ich mir das auch noch selber einschenken und nach dem Kosten des leckeren Buffets suche ich verzweifelt nach einem diskreten Abstellplatz für meinen benutzen Teller – hilflos fragend umherschauend. Er hat ihn mir genauso freundlich lächelnd abgenommen und ebenso diskret dahin gebracht, wohin so ein Teller eben gehört.
Knigge-technisch bin ich aber echt in der Bredouille. Als höflicher Mensch möchte ich dem Service meine Wertschätzung und meinen Respekt für seine Arbeit zeigen. Das könnte ich ganz elegant, in dem ich meinen Teller eben nicht Snob-like irgendwo rumstehen lasse und erwarte, daß irgendein „Dobby“* schon kommen wird, sondern einen Abstellplatz, ein Tablett nutze. Naja, ich denke, mein Anliegen ist trotzdem irgendwie angekommen.

Natürlich sind alle eingeladenen Blogger schwer vernetzt und bis an die Ohren mit Smartphones und Kameras bewaffnet, so daß ich mit meinem kleinen „Handy“ vermutlich für müdes Gähnen oder hysterische Lachkrämpfe gesorgt hätte. Aber da bin ich ja pfiffig und habe gleich Frau Müller von cozy&cuddly gefragt, ob ich ein paar Bilder ausleihen darf. Darf ich! Ich bin schließlich Texter und nicht Fotograf.
Mein abschließender Gruß gilt Carina Schmitz von häberlein&mauerer, die das alles organisiert und betreut hat. (Und eine Entschuldigung für’s ein bißchen zu spät kommen – Parkprobleme mit dem Schlachtschiff!)
Vielen, vielen Dank für die Einladung und die großartige Möglichkeit, dieses Cross-Over- Kapitel „aus der Praxis für die Praxis“ schreiben zu können!

  • Dobby, Hauself. Aus der “Harry Potter”-Reihe von J.K. Rowling

Eine Übersicht über alle Kapitel  vom little blogshop findest Du HIER.

Schreibworkshop

little blogshop | Textfluss – Melodie und Satzlänge

In diesem Kapitel beschäftigen wir uns genauer mit dem Schreibhandwerk. Zu Beginn haben wir mit Wahrnehmung angefangen: Texte bewußt wahrnehmen, den Inhalt, den Stil, die Aussage. Wir haben uns intensiv gefragt, was wir wem und warum eigentlich erzählen wollen. Das sind Überlegungen, die vor dem eigentlichen Schreiben stattfinden. Und so sind wir nun bei genau eben diesem „dem Schreiben“ angekommen. Und inzwischen habt Ihr ja auch schon ein paar Übungstexte, mit denen Ihr arbeiten könnt, die Ihr überprüfen könnt: Was davon habe ich intuitiv umgesetzt, was habe ich vergessen oder worauf kann ich noch mehr achten?!

Schreiben ist nichts, was man einfach so kann. Das ist ein bißchen Talent. Aber die Technik, der persönliche Schreibstil, sind Dinge, die man üben muß, die sich weiterentwickeln. Autoren und Texter  sind wie der eingangs erwähnte Champagner, Whisky oder Käse: je älter, je besser. Das hat mit der praktischen Übung zu tun, mit vollen Schubladen und post-its, einfach mit einem größeren Schatz an Lebens- und Berufserfahrung, den man kreativ nutzen kann und auch mit einem größeren Wortschatz. Das bedeutet nicht, daß jeder Anfang schlecht ist. Wir können eben nur mit den Werkzeugen arbeiten, die uns zur Verfügung stehen.

Stephen King hat mal gesagt, er würde seine fertigen Bücher nicht mehr lesen, weil er sich bis zum Erscheinen der Bücher wieder weiterentwickelt hat und alles Geschriebene nun nicht mehr seinem Anspruch an sich selbst gerecht werden könne (also so sinngemäß).

Das Kapitel Rechtschreibung und Grammatik haben wir hinter uns. Denn um mit Sprache zu spielen, muß man sie zuallererst beherrschen. Gehen wir aber noch einmal zurück zur Grammatik. Ein Satz besteht aus einem Subjekt, einem Prädikat und einem Objekt (Satzergänzung, welche das Verb einfordert: bei „Er geht.“ wäre das nun nicht notwendig). Diesen können wir dann ausbauen: Adverbien, Adjektive, adverbiale Bestimmungen. Und dann werden wir ganz feudal und bauen Nebensätze, Satzglieder, Konjunktionen und Appositionen ein, um für mehr Bewegung zu sorgen.

Der Baum steht – Der Baum steht auf dem Hügel – Der Baum steht blühend auf dem Hügel – Der Baum steht in voller Pracht blühend auf dem Hügel meiner Kindheit – Der Baum, dessen blühende Pracht mir allgegenwärtig ist, stand auf dem Hügel meiner Kindheit, der jedoch einem Einkaufszentrum weichen mußte – Der Baum, der mich in seiner blühenden Pracht all die Jahre auf dem Hügel meiner Kindheit begleitet hat, mußte einem Einkaufszentrum weichen, auf dem Jugendliche mit Einkaufwagen spielen, hupende Autos die Erinnerung zerstören, während sich das Vergessen wie ein Nebel über die Menschen senkt.

Je kürzer der Satz, umso präziser die Aussage. Daraus leiten wir zwei Verwendungen ab: a) eine Stimmungsverstärkung im Text: Die Jahre waren dahin gegangen. Der Verlust seiner geliebten Tochter, das lange Leiden durch die schwere Krankheit, das alles hat ihm sein Lachen geraubt. Seine Freude, sein Wesen waren durch die einsamen Nächte und die dunklen Tage wie ausgelöscht. Er war tot. oder b) eine informative und aussagekräftige Information: Das Regal wird nach einem gründlichen Studium der Montageanleitung der Reihe nach zusammen gebaut, wobei die abgezählten Teile am Ende komplett verbaut sein sollen. Beginnen Sie mit Teil A und Schraube B. Drehen Sie Schraube B durch Teil A.(Und nur so zum Spaß: Halten Sie Teil C in der linken Hand, während Sie Klemme D an Brett G fixieren, so daß der Metallwinkel J im rechten Winkel zu A steht, ohne jedoch durch Schraube B gehalten zu werden und führen Sie Teil K in einer leichten Kippbewegung um F, bis K einrastet.)

Desweiteren können wir mit der Länge von Sätzen spielen, um eine zum Beispiel distanzierte oder gefühlsbetonte Stimmung zu erzeugen, um die Position des Erzählers zu verdeutlichen (steckt er emotional drin, sieht er das Geschehen aus der Distanz) oder auch innere Konflikte darzustellen (durch die Art der Sätze)

1)Der Baum steht. Der Hügel verschwindet. Ein Einkaufszentrum nimmt seinen Platz ein. Nun parken Autos dort. Der Baum steht in meiner Erinnerung. Seine volle Pracht ist verschwunden. Er blüht nie wieder. Autos hupen. Jugendliche spielen mit den Einkaufswagen. Der Baum wird vergessen sein. Die Schreie meiner Mutter reißen mich aus den Gedanken. Sie steht am Weidezaun. Sie hält die Heugabel in der Hand. Sie ist wütend.

2)Der Baum steht oben auf dem verschwundenen Hügel, dessen Platz ein Einkaufszentrum eingenommen hat. Der Baum, dessen nie wieder blühende, volle Pracht verschwunden und vergessen ist, steht in meiner Erinnerung, während Autos hupen und Jugendliche mit Einkaufswagen spielen. Die Schreie meiner wütend mit einer Heugabel in der Hand am Weidezaun stehenden Mutter reißen mich aus meinen Gedanken.

Man kann entweder nur kurze oder lange Sätze benutzen, je nachdem, welche Stimmung man erzeugen möchte. Das ist aber auch eine Herausforderung für den Autor, da sich der Reiz schnell „ausgelesen hat“ und sich der Text als langweilig, distanziert, stupide, langatmig und zu ausschweifend darstellen kann.

Die meisten Texte bestehen aus einer Kombination aus kurzen und langen Sätzen. Und die geschickte Anordnung von kurzen, langen und mittellangen Sätzen bringt uns zum Textfluss und zur Textmelodie. Kleine Übung zwischendurch: Lies laut die beiden Beispieltexte 1) und 2) und notiere Dir die Unterschiede, die Du gehört hast. Vielleicht magst Du auch mit unterschiedlichen Betonungen spielen?

Die Textmelodie, der Textfluss ist einerseits Stilmittel, andererseits auch Indikator, wie leicht ein Text über die Lippen geht. Je besser Sätze miteinander verbunden sind, umso weicher sie gelesen werden können, umso stimmiger und aus einem Guss empfinden wird den Text. Brüche im Textfluss können Spannung erzeugen, Pausen erwirken, Gedanken einbinden. Um Sätze miteinander zu verbinden nutzt man nicht nur geschickte Satzstellungen, sondern und natürlich passende Wörter. Und die richten sich nach der Aussprache.

Schrift ist haltbar gemachte Sprache.

Deswegen ist es immer, wirklich IMMER eine gute Übung, sich den geschriebenen Text laut vorzulesen. Brüche im Textfluss werden sofort entlarvt, auch holperige Satzkonstruktionen fallen ins Auge und ins Ohr. Dies zu hören, ist eine Fähigkeit, die man wie alles üben und ausbilden muß. Je mehr man also liest, ob laut oder leise, desto feiner wird die Wahrnehmung für Nuancen im Ausdruck, für den Textfluss.

Wer schreibt, kommt um das Lesen nicht drum herum.

Wir experimentieren in diesem Kapitel also zunächst mit Satzlängen und unterschiedlichen Informationen, die wir in diese Sätze packen.

Aufgabe 1: Spiele mit dem Satz: „Der Fluß fließt.“. Erweitere den Satz zu immer längeren Sätzen mit immer mehr Information. Baue einen kleinen Text nur aus kurzen Sätzen, dann nur aus langen Sätzen. Schreibe einen dritten Text, in dem Du kurze und lange Sätze mischst. Aufgabe 2: Lies und beobachte Texte im täglichen Leben, wie lang oder kurz die Sätze sind und wo Dir dieser Text aufgefallen ist: Bewerbungsschreiben, Nachrichten, Magazin, Reportage, Roman, Twitter (…!) …


Eine Übersicht über alle Kapitel vom little blogshop findest Du HIER.

Schreibworkshop

little blogshop | Der rote Faden

Der rote Faden … ist ein bißchen wie literarischer Sex mit dem Leser. Als Autoren fangt Ihr ein bißchen am Ohr an zu knabbern, dann schubbert ihr etwas an der Schulter, arbeitet Euch in Richtung Bauchnabel vor und dann passiert es!

Während Eure Leser gebannt vor dem Bildschirm sitzen, gefesselt vom Text, mit zuckenden Schenkeln (also den literarisch metaphorischen, es sei denn, Ihr schreibt irgendwas Nebliges in Grau…) und mit allen Sinnen wach und bei Eurem Text, ungeduldig jede neue Zeile verschlingend, jedes Wort in sich aufsaugend … und dann fangt Ihr plötzlich wieder am Ohr an. Ja, dann ist die Stimmung dahin.

Es geht in diesem Kapitel um den roten Faden, die Textstruktur. Und das hat beim Schreiben wenig mit Leidenschaft zu tun, sondern mit einem Plan und Kontrolle. Eine der Fragen, die sich uns heute stellen, ist die:

„Was ist der Höhepunkt meiner Geschichte?“

Um diese Antwort zu finden, schauen wir auf unseren Text. Wir brauchen in unserem Text einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende. Also eine Drei-Akt-Struktur. Zu Beginn stellen wir das Thema vor, in der Mitte präsentieren wir den Inhalt und am Ende fassen wir unsere Erkenntnisse zusammen. Ja, aber ich schreibe über einen Spaziergang mit meinem Hund, wie ich eine neue Flasche Wein ausprobiert habe… Das spielt gar keine Rolle! Nicht immer ist die Struktur so offensichtlich, auch epische Prosa folgt textarchitektonischen Kompositionslinien.

Vielleicht wird dies deutlicher, wenn wir uns der Kunst zuwenden. Nehmen wir ein Gemälde, die Mona Lisa von Leonardo Da Vinci, irgendwas Surrealistisches von Dali, oder einen verschwommen romantischen Monet. Wir können das Bild auf seine Kompositionslinien reduzieren, also Linien, die durch die Bildinhalte geformt werden (oder doch vielleicht eher umgekehrt??!!), und die die Aussage des Bildes und die Anordnung seiner Gegenstände demonstrieren. Dynamische Dreiecke, statische Quadrate, diagonale, senkrechte und waagerechte Linien, die Positionen unter- und zueinander. „Kippt“ das Bild, weil links drei Bäume stehen und rechts im Bild nichts mehr ist? Nichts anderes braucht unser Text: ein Gerüst, an dem sich der Inhalt entwickeln kann. Und das funktioniert auch mit nur fünf Sätzen!

Die meisten Blogtexte sind von der Menge her ja recht überschaubar. Es gibt meistens ein einziges Thema, wenig Protagonisten und so gestaltet sich der rote Faden eigentlich ganz elegant und charmant wie von selbst. Und der Höhepunkt kommt immer zum Schluß, tadaaaaa: die Auflösung. Das ist wie in einem Krimi. Zuerst gibt es eine Vorstellung, wir betreten eine Szene, lernen Protagonisten und ihre Aufgabe im Plot kennen. Dann passiert der Mord. Das ist eine kleine Aufregung gleich zu Beginn, aber nicht der Höhepunkt. Denn nun geht es darum, den Mörder zu entlarven. Entweder müssen wir das Rätsel mit den Buchfiguren gemeinsam entschlüsseln und am Ende wird das Böse enttarnt, oder aber wir kennen den Mörder bereits und machen uns auf eine vergnügliche Reise, um die Buchfiguren bei ihren Bemühungen zu begleiten. Auch hier besteht der Höhepunkt in der Enttarnung des Mörders, auch das Motiv offenbart sich nicht selten an dieser Stelle – am Ende.

Eine gute Geschichte nimmt sich genügend Zeit, die Geschichte plastisch und spannend zu erzählen, wobei sie so zügig voranschreitet, daß keine Zeit mit unnötigen Informationen oder langatmigen Schilderungen verplempert wird, die den Leser aus seinem Lesefluss und der gespannten Erwartung heraus reißt.

Übertragen auf einen Blogtext sieht das so aus: Ein DIY Projekt. Da ist es ganz einfach: 1. Das Projekt wird vorgestellt. 2. Es wird erklärt, wie man in einzelnen Schritten das Projekt erstellt. 3. Der Höhepunkt ist das fertig gebastelte Projekt.

Oder eben Rezept. Ein Winterspaziergang. Der rote Faden könnte das Wetter sein, die Winterlandschaft, die neuen Schuhe, Ferien, Besuch, zu viel gegessen, ein Ehestreit. Was war also der Auslöser für den Spaziergang, was passierte währenddessen, was passierte am Ende? Wie habe ich mich am Anfang gefühlt, hat sich meine Wahrnehmung am Ende geändert? Und was war der Höhepunkt??? Eine Tasse heißer Kakao, das Treffen einer Bekannten, nasse Schuhe, eine neue Erkenntnis, ein neues Gefühl?

Einen Text zu lesen ist wie eine One-Way-Bergwanderung bis zum Gipfel. Von dort oben schaue ich erst zurück, sehe den Weg, verstehe vielleicht erst jetzt die ein oder andere Wendung, aber der Weg dahin bleibt zielstrebig und gerade, nur auf den Gipfel ausgerichtet. Ermüdend, langatmig oder stimmungstötend sind zielloses hin und her Geirre auf dem Weg. Das Blümchen rechts am Rand, wenn es meine Geschichte nicht weiter bringt, warte mal, der Stein vor der letzten Kurve (an der wir ja schon vorbei sind).

Im Text gibt es also kein Zurück. Natürlich gibt es Rückblendungen und verschiedene Zeitstränge in Romanen, aber auch sie sind dem roten Faden untergeordnet und genau an der Stelle, um die Spannung aufrecht zu erhalten. Das darf man also nicht verwechseln. Um noch einmal auf den technischen Teil zu kommen. Welche Geschichte will ich erzählen? Wo starte ich und was ist der Höhepunkt? Welche Informationen sind notwendig, um zum Höhepunkt zu kommen, die Spannung aufzubauen und zu halten? Und – was ist alles überflüssig?? Die wichtigste Frage überhaupt!

Meistens kann man schmerzlos Sätze streichen, ein Gedanke daraus kann aber in einem Nebensatz ergänzt werden und bringt die Sache kurz und knackig voran. Wenn ich nun ganz verwegen zwei rote Fäden verweben will, dann muß der eine in der Warteschleife gehalten werden, während der andere fortgeführt wird und ich muß unter Umständen zwei Sätze als Bindeglied einfügen, um den Bogen von einem Faden zum anderen zu bekommen. Für uns und für dieses Kapitel auferlegen wir uns jedoch eine gewisse Reduktion, wenig künstlerische Freiheit und straffe Strukturen.

Welchen Sinn hat denn nun der Rote Faden?

Er hält den Leser bei der Stange. Er vermittelt Information so, daß der Leser sie versteht und neue Erkenntnisse daraus ziehen kann, etwas lernt und versteht, eine Geschichte nachvollziehen kann. Eine ordentliche Textstruktur gliedert den Text und macht ihn verständlich. Um ein Gefühl für rote Fäden und Textarchitektur zu bekommen, muß man schreiben. Immer wieder. Manchmal gelingt einem das Weben des Fadens besser, manchmal hat man auch einen Weg gefunden, wie man es nicht macht. Auch das ist ein Erfolg. Eine solide Textstruktur erscheint selten magisch und wie von selbst auf dem Papier. Je komplexer die Geschichte, je vielschichtiger die Gedanken und Emotionen, umso länger muß ich mich mit dem Text beschäftigen, ihn auf Spannungsbögen überprüfen.

Das war’s also mit „eben mal schnell gebloggt“. Zeit und Arbeit wollen investiert werden und manchmal ist die Muse mit einem und manchmal läßt sie einen gnadenlos im Stich. Für den Anfang konzentrieren wir uns auf folgendes Gerüst: 1. Einführung. 2. Mittelteil. 3. Höhepunkt 4. Nachgeplänkel (falls nötig). Ein kurzer roter Faden, ein dynamischer Aufbau ohne Schnörkel.

Und schwupps, sind wir schon bei der Aufgabe (der Höhepunkt dieses und jedes Kapitels): Schreibe eine Geschichte mit folgendem Höhepunkt: „Und dann fiel das Glas herunter!“ Dieser Satz soll genau so übernommen werden, wie Ihr dahin kommt, was die Geschichte ist, das überlasse ich Euch.


Eine Übersicht über alle Kapitel vom little blogshop findest Du HIER:

Schreibworkshop

Schreibworkshop | Wem die teutsche Sprache recht und teuer …

Alles fing mit dem Ärger in Babel an: großer Aufruhr, Ansage von ganz oben … dann hatten wir den Salat. Oder so ähnlich. Sprache ist lebendig, immer in Bewegung und ein wunderbares Mittel sich auszudrücken. Durch Worte Stimmungen, Gefühle, Atmosphäre, Witz, Originalität zum Ausdruck zu bringen ist ein Privileg der Menschen. Sprache unterscheidet sich. Es gibt die „Amtssprache“, eine Fremdsprache, die man leider noch nicht bei der VHS belegen kann. Es gibt wissenschaftliche Fachsprachen, Alltagssprachen, gesellschaftsgebundene Sprache, gehobene Sprache, Bettgeflüster, Babysprache, Akzente, Slang, Mundart, Dialekte und die ganz persönliche, individuelle Sprache.

Das ist toll, aber spätestens beim Niederschreiben fangen die Probleme an. Wortentlehnungen aus anderen Sprachen schreiben sich anders, als sie ausgesprochen werden, manche Wörter schreiben sich mal so, mal so – und dann noch Satzzeichen. So ein Punkt ist was Feines. Er kommt immer am Ende und dann ist gut. Da kann man nicht so viel verkehrt machen, aber Kommata, urggss.

Aber noch einmal von vorne. Und etwas ernster bitte schön. Das ist ein trockenes Thema, da wollen wir den Spaß doch gleich im Keime ersticken. Nein, eigentlich ist es sehr spannend. Denn Sprache ist ganz eng mit (ihrer) Geschichte und Kultur verwoben. Um das, was wir heute lesen und schreiben, zu verstehen, müssen wir eine kleine Zeitreise starten. Nein, ganz soweit nicht, wir lassen die Bibel und auch Platon hinter uns, aber Caesar, da etwa halten wir an …

Latein als (indogermanische) italische Sprache löste während der frühen Ära Roms das Griechische als Hauptsprache (Lingua franca) ab, differenzierte sich aber zunehmend in Hochlatein und Vulgärlatein (die Sprache des einfachen Volkes). Aus letzterem entstanden verschiedene Dialekte, die dann im frühen Mittelalter die romanischen Sprachen (Spanisch, Portugiesisch, Französisch, Italienisch …) hervorbrachten.

Auch die germanischen Sprachen (Englisch, Deutsch, Niederländisch, Dänisch, Norwegisch, Schwedisch…) waren zu Beginn eine wilde Mischung aus unterschiedlich beeinflußten Dialekten. Und es hat lange gedauert, bis sich das einheitliche Neuhochdeutsche herauskristallisiert, entwickelt und etabliert hat. Noch heute gibt es das Friesische, die verschiedenen plattdeutschen Dialekte; keltische Ursprünge haben im Gälischen, Bretonischen und Walisischen überdauert.

Latein war, wenn auch schon bald als “tote” Sprache (auch das hat Vorteile), die Sprache der westlichen Welt. Bis ins 19. Jh. war sie Standard bei wissenschaftlichen Publikationen. Noch heute sind Klassifizierungen, medizinische Begriffe, juristische Termini … lateinisch und auch, wenn Latein tot ist (sich als Sprache nicht weiterentwickelt) lebt sie ganz mopsfidel unter uns weiter.

Irgendwann hat also dann mal jemand beschlossen, daß er doch was aufschreiben wollte. Und er wollte dies nicht, wie üblich in Latein, sondern in “Deutsch” tun. Und dazu hat er einfach das lateinische Alphabet benutzt. Das war schon da und funktionierte. Warum also das Rad neu erfinden? Bemerkenswert ist allerdings, daß bei der Übernahme des lateinischen Alphabets Buchstaben (Grapheme) zu viel waren und andererseits gesprochene Laute (Phoneme) keine schriftliche Entsprechung hatten. Die Lateiner kannten zum Beispiel kein „J“und haben das mit einem „I“ geregelt: Iulius Caesar.

Ein anderes, wunderbares Beispiel ist das „F“ und das „V“ . Im Althochdeutschen; übrigens keine einheitliche Sprache, sondern eine Zusammenfassung mehrerer Dialekte im germanischen Sprachraum, die zwangsläufig auch keine einheitliche Rechtschreibung hatten, und das zeitlich bis zum 11. Jh. anzusiedeln ist; wurde das /f/ auch so genutzt: fisk (Fisch), fihu (Vieh), fior (vier), während im Mittelhochdeutschen (bis Mitte 14. Jh) aus dem Phonem /f/ ein geschriebenes /v/ wurde: vrouwe (Frau), vinsternis (Finsternis), vinden (finden).

Dies war die Zeit von Walter von der Vogelweide, dem Minnegesang und den Nibelungen. Die übrigens vor Witz und Comedy so strotzen. Die sind da alle auf so einem klapprigen Kahn auf dem Rhein unterwegs, zwischendurch fällt einer – uppsi – achtern hinten rübba, Mord, Eifersucht, Intrigen, Leidenschaft, alles da!

Mit den Überresten aus diesem lingualen Cross-over quälen wir uns aber heute noch: Finsternis, Vogel, Fernsehen, Verfolgung, Frau, Verlangen, Frohndienst. War Schreiben und Lesen zu Beginn ein exklusives Recht des Klerus und ein paar willigen Adligen, so breitete sich auch dieses im Laufe der Geschichte aus und es wurden nicht nur religiöse Schriften, philosophische Überlieferungen aus der Antike, sondern auch moderne wissenschaftliche Abhandlungen geschrieben. An dieser Stelle denke ich an Umberto Eco, “Der Name der Rose”: das Privileg, zu wissen und die damit verbundene Macht!

Im weltlichen Leben verdrängte die „neue“ Sprache das Latein, um wertvolle Informationen zugänglich zu machen, aber auch, weil das Latein schlicht verlernt wurde. Mit der Schlusigkeit begann das ja schon ganz früh bei den Römern und Karl der Große hatte das später auch ganz pikiert moniert und anständige Schulen gefordert, das erste Comeback des Lateinischen bereits im 8. Jh.!

Das Neuhochdeutsche als verlässliche, konstante Sprache war Mitte des 17.Jh. recht etabliert, die Schreibweise jedoch orientierte sich am jeweiligen Dialekt und blieb weitestgehend dem Verfasser überlassen. Viel Raum für kreative Freiheit! Und das erforderte neben der Übersetzungskunst (in Europa entwickelte sich im 17./18. Jh. ein Hype für fremdsprachige Literatur, führend natürlich Hin- und Her-Übersetzungen englischer, deutscher und französischer Literatur) auch eigentlich einen einheitlichen Schriftgebrauch zum besseren und verlässlichen Verständnis. Ganz zaghaft entstand die Literatur im Sinne einer weltlichen Unterhaltungs- und Bildungsliteratur. Neben der Buchdruckkunst (deren Erfinder Johannes Gutenberg bereits im 15. Jh. den Grundstein legte) wurde der moderne Buchhandel geboren.

Es hat dann aber doch noch bis ins späte 19. Jh. gedauert: Die große Stunde von Konrad Duden. Als Gymnasiallehrer führte er eine einheitliche Schrift ein, die sich an der Phonetik orientierte: „Schreibe, wie Du sprichst“¹. Politisch erst unbeliebt, in Fachkreisen wohlwollend aufgenommen, wurde das ganze allerdings erst 1902 amtlich. Duden hat natürlich auch auf der Grammatik rumgedacht und am besten gefällt mir folgendes Zitat, welches eigentlich bei allen Lesern auf erleichterndes Aufseufzen stoßen sollte: …

“Aus diesem Gründen lassen sich nicht für alle Fälle unbedingt gültige Regeln aufstellen, es muß vielmehr dem Schriftsteller eine gewisse Freiheit bewahrt bleiben.”²

Konrad Duden

Unsere Sprachwurzeln sind also sehr alt, unsere Sprache dagegen, so, wie wir sie kennen, ist blutjung. Wir haben uns bisher sehr intensiv mit Wahrnehmung, mit unseren Lesern, mit uns als Bloggern beschäftigt. Insofern ist es nur logisch und konsequent, daß wir zwangsläufig und besser gleich zu Beginn auf das Thema „Rechtschreibung und Grammatik“ zu sprechen kommen. Wir alle möchten neben aller individuellen, charakterlichen und persönlichen Ausgestaltung unseres Blogs doch eine gewisse Professionalität demonstrieren. Und dazu gehört eben auch der sichere Sprachgebrauch. Nun haben Rechtschreibreformen die einen entlastet, die anderen zur Verzweiflung gebracht und die ganze Angelegenheit nicht wirklich einfacher gemacht.

Was kann ich also tun, damit das Lesen nicht nur inhaltlich zum Genuss wird, sondern auch technisch gesehen ohne Fehl und Tadel bleibt?

Selber lesen! Das ist der erste Tipp. Selber lesen erweitert nicht nur den eigenen Wortschatz, es schult auch die Wahrnehmung für Stilistik, für Satzbau, Satzkonstruktionen, Atmosphären.. Selber lesen übt aber auch passiv die korrekte Schreibweise, da sich das geschrieben Wort im visuellen Gedächtnis einprägt. Deswegen wird/sollte das Lesen bereits an den Grundschulen intensiv gefördert.

Werden wir aber nun konkret: Ich habe einen Artikel geschrieben und bin mir nicht sicher, ob das alles so richtig ist. Im Gedankenschwung die falsche Taste erwischt, falsch abgespeicherte Schreibweise, Unsicherheit über Groß- und Kleinschreibung, ob, wo und wann ein Komma …

Ich muß also Korrektur lesen. Beruflich macht man das gerne zu zweit: Einer liest langsam und überbetont jedes Wort und jedes Satzzeichen. Der Partner liest den Text mit den Augen und hört parallel den gesprochenen Text. Das soll selektives Lesen reduzieren. Svketleeis Leesn beutdeet, das wir das leesn, was wir eineigtlch mienetn und serheicbn wloetln. Und je öfetr wir das eienge Gresichbenee lseen, dtseo mher sihet usenr Gerihn das, was da etneciligh seethn sotlle, es aebr rael gar nihct tut.

Deswegen hilft zeitlicher Abstand, das Liegenlassen bis zum nächsten Tag, den Text ganz neu, ganz distanziert zu lesen und die Wahrscheinlichkeit, daß uns dann Fehler auffallen, die wir vorher einfach überlesen haben, ist deutlich größer. Im analogen Leben habe ich den Wahrig zum Nachschlagen sowie einen Grammatikduden. Manches grammatische Detail entgleitet einem mit dem Alter und das ein oder andere hat sich auch mit den Reformen geändert.

Ganz besonders warm ans Herz legen möchte ich Euch folgenden Band: “Duden, Komma, Punkt und alle anderen Satzzeichen”. Kurz und knackig und mit Tonnen von praktischen Beispielen werden hier alle Satzzeichen und ganz speziell die Kommata erläutert. Wenngleich ich fast in Ohnmacht gefallen bin, hier von „Kommas“ zu lesen. „Kommata“ ist der korrekte Begriff, der aus dem Altgriechischen kommt und im Plural deswegen auf „a“ gebildet wird. Wenngleich mein Duden auch “Kommas” als legitimen Plural angibt. Und zwar weit vor der Rechtschreibreform. Ich kann mich mit “Kommas” aber so gar nicht anfreunden. 

Ansonsten ist das Buch aber absolut empfehlenswert und günstig in der Anschaffung. Der Duden führt eine umfangreiche Sammlung an Einzelbänden (Synonyme, Zitate,, Fremdwörter …) und ebenfalls PC-Programme zur Schreibkorrektur und natürlich den Duden: Die deutsche Rechtschreibung. Hier habe ich mich jedoch, wie oben erwähnt, für „Das deutsche Wörterbuch“ von Wahrig entschieden.

Wie aber nun Korrekturlesen, wenn ich keine zweiten “Mann” habe? Ihr könnt also zum Beispiel Euren Artikel zuerst auf dem PC in Word schreiben. Dort laßt Ihr die Rechtschreibprüfung durchlaufen und habt schon mal den gröbsten Teil fehlerfrei. Bei Word 2007 in der Menüleiste unter “Überprüfen” gibt es ebenfalls einen Thesaurus (Synonyme). Arbeitet Ihr mit WordPress, dann habt ihr im Backend ebenfalls eine Rechtschreibprüfung (fast immer sind es kleine Kästen mit “ABC” drauf). Die würde ich in jedem Fall auch noch mal drüber laufen lassen. Und dann – mit zeitlichem Abstand – selber laut und langsam vorlesen. Was aber mit den leidigen Kommata? Mein Running-Gag ist ein „Komma, daß …“.

Wenn ich ein „daß“ habe, welches ich NICHT durch „dieses/jenes/welches“ ersetzen kann, dann muß ich dieses „daß“ mit Doppel-S schreiben. Dann ist das dass nämlich eine Konjunktion, die einen Nebensatz einleitet. Und dieses Konjunktions-das ist abzugrenzen vom das als Artikel  (das Haus, der Berg, die Insel …) und dem das als Relativpronomen (das Buch, das ich las …). Und früher – im ausgehenden Mittelalter 🙂 – schrieb man das ganz ordentlich mit „ß“ und das war optisch eindeutig und allen klar. Das dass mit doppeltem „S“ irritiert mehr, als dass es hilft, finde ich. Und vor so ein „daß/dass“ kommt in 99% der Fälle ein Komma! Ich denke, daß das Prinzip jetzt verstanden wurde.

Grundsätzlich trennt ein Komma zwei Hauptsätze, einen Nebensatz von einem Hauptsatz sowie Appositionen und anderen Gedönskrams. Lange Bandwurmsätze, die übrigens auch nicht immer einfach zu lesen sind, werden dadurch, daß man sie durch Kommata gliedert, überschaubarer. Kommata zeigen dem Leser, wo er eine gedankliche Pause machen sollte, oder welche Satzteile inhaltlich wie zueinander in Beziehung stehen. Da ich eine Neigung zu komplizierten Satzkonstruktionen habe, stehe ich regelmäßig vor der Frage, was ich da eigentlich geschrieben habe. Und ganz generell neige ich wegen der labyrinthischen Verschachtelungen meiner Sätze dazu, zu viele Kommata zu setzen. So, da habe ich mich geoutet. Und das trotz diverser Semester Sprachwissenschaft und Dr. Spitz!

Und natürlich denke ich manchmal schneller, als ich tippen kann, und dann geht der Finger daneben. Korrekturlesen ist am Ende eine Fleißarbeit, die mit jedem Mal übt und dadurch leichter wird. Allerdings auch höchste Konzentration erfordert. Aber wie sagte Konrad Duden so schön … die schriftstellerische Freiheit … Natürlich bietet auch das Internet Lösungen: Hat man kein Wörterbuch zur Hand, sitzt man eh schon am PC, dann würde ich weniger Google zu Rate ziehen, als lieber den Duden online: http://www.duden.de/woerterbuch. Oder meiner Kollegin Dagmar Jenner einen virtuellen Besuch abstatten, die sich ganz prima auch mit kniffligen Fällen auskennt!

Ich weiß, Grammatik und Rechtschreibung hört sich erst mal dröge an, aber mit ein bißchen Geduld und Spucke stellt sich dann, so hoffe ich, doch ein wenig Begeisterung für die Sache ein. Sprache ist und bleibt lebendig und Sprachgeschichte ebenso kurios wie faszinierend … und wie Douglas Adams auf den Babelfisch³ gekommen ist und damit eine neue und vielfach adaptierte Wortschöpfung kreiert hat, das können wir uns nun auch denken.

Und nun will ich Euch nicht länger das Beste vorenthalten. Die Übung zum dritten Kapitel. Und weil schließlich Weihnachten vor der Tür steht, gibt es auch prompt eine weihnachtliche Übung: Hier kommt die Übung zum dritten Kapitel. Schreibe eine kleine Weihnachtsgeschichte: „Als die Wichtel die Weihnachtswörter verloren haben“ (natürlich inklusive Korrekturlesen).


¹ www.duden.de/ueber_duden/konrad-duden
² Duden, Komma, Punkt und alle anderen Satzzeichen. Seite 11.
³Adams, Douglas: Per Anhalter durch die Galaxis. Heyne 2009

Bibliographie:

  • Bergmann, Rolf: Alt- und Mittelhochdeutsch. Arbeitsbuch zur Grammatik der älteren deutschen Sprachstufen und zur deutschen Sprachgeschichte. 4 erw. Aufl. Göttingen. Vandenhoeck und Ruprecht 1993.
  • Das Nibelungenlied: nach der Ausg. von Karl Bartsch. Hrsg. Von Helmut de Boor. 22. Aufl. Mannheim. Brockhaus 1988.
  • Duden, Komma, Punkt und alle anderen Satzzeichen. Mannheim 2011.
  • Wahrig. Deutsches Wörterbuch. 8. Vollständig neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. Wissen Media Verlag GmbH 2006

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