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Schreiben I … Die Lust am „e“

Der Schriftsteller wird nicht durch den Gebrauch spezialisierter Werkzeuge definiert, an denen man erkennt, daß es sich um Literatur handelt […] – es sei denn, man hält die Literatur für ein Objekt der Hygiene – , sondern durch seine Macht, auf dem Umweg über eine Form, welche es auch sein, eine besondere Form der Kollusion von Mensch und Natur überraschend aufzudecken, das heißt eine Bedeutung. […] Sie [die Literatur] ist ein Code, den zu entschlüsseln man akzeptieren muß.

Roland Barthes (Am Nullpunkt der Literatur, Suhrkamp 2016)

Mit der Sprache ist das schon eine seltsame Angelegenheit. Buchstaben formen sich zu Wörtern und Wörter zu Sätzen und erst durch die Bedeutung entsteht die Lust an der Sprache. Und es ist unabstreitbar, dass Sprache etwas Lustvolles ist, denn Sprache ist Gedanke und Gedanke ist präzisiertes Gefühl und Gefühle, nun – Gefühle kann man nicht in Sprache ausdrücken. Man kann sich ihnen nur annähern. Wenn Sprache nun also präzisiertes Gefühl ist, eine Anäherung an ihr Wesen und oft ein jämmerlicher Versuch, dann ist jede Sprache auf ihre eigene Weise schön, ob wir sie nun verstehen oder nicht.

Nehmen wir einmal einen Namen. Namen bezeichnen Dinge und stehen für ihre Einzigartigkeit, auch wenn sich viele Menschen einen Namen teilen müssen und erst in der Beziehung zu diesem einen Menschen wird sein Name zur Bezeichnung und damit zu etwas Wahrem und Schönen und Einzigartigem.

Nehmen wir einmal Roland Barthes. In der französischen Sprache gibt es keinen Raum für das “e” am Ende und erst recht nicht für das “s”. Aber wenn ich den Namen ausspeche, “Barthes”, dann denke ich das “E” und es schwingt in dem Gefühl mit, mit dem ich den Namen in die Welt entlasse und das “E” ist wie ein Versprechen, das im Raum steht. Das Versprechen löst Lust aus, denn die Sprache formt sich in mir und ist das Gefühl und ohne Roland Barthes zu kennen und so auch keine Beziehung zu diesem Namen zu haben, so löst es doch Lust aus, an der Sprache und dem Gedanken und der Name ist in mir und damit wahr und schön in seinem Klang und seinem Nachhall in mir selbst.